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Ohne Vertrauen in die Führung besteht auch kein Vertrauen in Veränderungsprozesse. (Symbolbild)

Ganz gleich, ob ein Unternehmen die digitale Transformation vorantreiben, Strukturen anpassen oder die Bindung von Talenten verbessern will - Vertrauen ist für den Erfolg jeder Unternehmensstrategie grundlegend. Menschen erbringen bekanntlich ihre besten Leistungen, wenn sie ihren Führungskräften vertrauen. Leider zeigt die Wirklichkeit ein düsteres Bild: Nur 46 Prozent der Führungskräfte vertrauen ihren direkten Vorgesetzten, dass sie das Richtige tun. Und nur 32 Prozent der Führungskräfte halten die Führungsspitze ihres Unternehmens für vertrauenswürdig, wie eine gross angelegte globale Leadership-Studie (DDI, 2023) zeigt. Wie Vertrauen im Führungskontext entsteht und was Führungskräfte in Zeiten von Veränderung tun können, um Vertrauen aufzubauen und zu bewahren, wird in diesem Beitrag näher beleuchtet.

Wie entsteht Vertrauen im Führungskontext?

Die Entscheidung, wem wir vertrauen können, ist ein komplexer und sehr persönlicher Prozess, der auf den Erfahrungen einer Person mit einer anderen Person beruht. Im Führungskontext wird zwischen zwei Dimensionen von Vertrauen unterschieden (McAllister, 1995): Kognitives Vertrauen bezieht sich auf die Einschätzung der Kompetenz, Fähigkeiten und Kenntnisse sowie der Zuverlässigkeit einer Person. Diese Art von Vertrauen ist fast immer «situationsbedingt». Affektives Vertrauen entsteht, wenn man beim Gegenüber ernsthaftes Interesse an der eigenen Person wahrnimmt und den Eindruck hat, dass das eigene Wohlbefinden der anderen Person wichtig ist. Diese Art von Vertrauen ist fast immer «personengebunden». Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Vorgesetzten und Teammitgliedern zeigt sich zudem in der Bereitschaft, Schwächen offenbaren zu dürfen. Dabei sind sich beide Seiten sicher, dass die eigene Verletzbarkeit nicht ausgenutzt wird und keine Absicht besteht, einander Schaden zuzufügen (Rousseau, Sitkin, Burt und Camerer 1998).

Welches sind die positiven Effekte von Vertrauen in die Führung?

Mitarbeitende, die ihren Vorgesetzten vertrauen, identifizieren sich stärker mit Unternehmensentscheidungen (Dirks & Ferrin, 2002). Sie haben seltener die Absicht zu kündigen und neigen eher dazu, den Informationen ihrer Führungskraft Glauben zu schenken. Ebenso soll Vertrauen in die Führungskräfte mit einer höheren Arbeitszufriedenheit sowie einem stärkeren Engagement für das Unternehmen einhergehen. Und: Unternehmen, die ihre Führungskräfte in den Veränderungsprozess einbeziehen, können das Vertrauen und das Engagement der Mitarbeitenden beeinflussen.

Wie der Global Leadership Forecast 2023 von DDI hervorhebt, entwickeln Führungskräfte, die ihren Vorgesetzten vertrauen, mit fast dreifacher Wahrscheinlichkeit neue Ideen oder Lösungen im Vergleich zu ihren Peers in Organisationen mit geringem Vertrauen. Sie haben auch weniger Angst vor Misserfolgen und nutzen neue Ideen als Chance zum Lernen.

Vertrauen ist auch entscheidend für den Erfolg von Hybrid- und Fernarbeit: Scheinbar vertrauen Führungskräfte, die aus der Ferne arbeiten, ihren Vorgesetzten mit 22 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als diejenigen, die vor Ort arbeiten (DDI, 2023). Diese Aussage verleitet zur Frage, ob die Möglichkeit, aus der Ferne zu arbeiten, mehr Vertrauen schafft oder ob Unternehmen mit einer Führungskultur, die auf Vertrauen basiert, eher Remote-Arbeit zulassen.

Wie können Führungskräfte vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Teammitgliedern aufbauen und fördern?

Die Forschung offenabrt: Grundsätzlich hat ein transformationaler Führungsstil einen positiven Einfluss sowohl auf kognitives als auch auf affektives Vertrauen in die bzw. den Vorgesetzte:n (Zhu et al., 2013 und Zhu & Akhtar, 2014). Geführt wird über eine authentische Persönlichkeit („Idealized Influence“), sinnhafte Ziele, gemeinsame Werte und Visionen („Inspirational Motivation“) sowie empathische Kommunikation („Individual Consideration“). Darüber hinaus befähigt ein transformativer Führungsstil Mitarbeitende, ihre Probleme eigenständig zu lösen („Intellectual Stimulation“) (Avolio & Bass, 1994).

Die aktuelle DDI-Studie (2023) bringt sieben Verhaltensweisen hervor, welche bei häufiger Anwendung das Vertrauen in die bzw. den Vorgesetzte:n stärken. Da diese Verhaltensweisen mit dem transformativen Führungsstil einhergehen, ist diese Erkenntnis nicht wirklich neu. Interessant ist jedoch die Reihenfolge ihrer Wirkung (1. stärkste Wirkung, 2. zweitstärkste Wirkung etc.):

  1. Zuhören und mit Einfühlungsvermögen reagieren
  2. Möglichkeiten für Wachstum und Entwicklung der Teammitglieder bieten
  3. Gedanken und Begründungen für Entscheidungen mitteilen
  4. Eigene Fehler eingestehen
  5. Sich nach dem Wohlbefinden der Teammitglieder erkundigen und sich darum kümmern
  6. Andere ermutigen, alte Vorgehensweisen in Frage zu stellen
  7. Den Erfolg von Teammitgliedern anerkennen

Wie können Führungskräfte das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden in Veränderungsprozessen aufbauen und bewahren?

Die Einführung einer neuen Strategie, eine Reorganisation der Organisation oder Veränderung von Prozessen löst in der Regel nicht nur Freude aus, sondern führt oft auch zu Unsicherheit und Vertrauensverlusten. Die Motivation und Produktivität der Belegschaft werden gemindert. Die Führungskraft hat die Verantwortung, auf die Ängste und Bedenken der Teammitglieder einzugehen sowie Klarheit und Sicherheit zu bieten. Zunächst hat die Führungsperson jedoch für sich selbst folgende Fragen zu klären:

  • «Vertraue ich darauf, dass meine Organisation diese Veränderung bewältigen kann und das Führungsteam an einem Strick zieht?»
  • «Will ich mich auf die Neuerungen einlassen?»
  • «Bin ich in der Lage die damit verbundene Führungsaufgabe überzeugend auszuführen?»

Erst dann geht es darum, das Vertrauen der Teammitglieder zu bewahren oder allfällig verlorengegangenes Vertrauen wiederaufzubauen und Akzeptanz für die notwendige Veränderung zu schaffen. Das folgende empfohlene Vorgehen wird am Beispiel einer Umstrukturierung beschrieben.

  1. Offen, transparent und klar kommunizieren: Je drastischer die Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die Menschen in der Organisation sind, desto wichtiger ist es, die Begründung sowie die erwarteten Ergebnisse bzw. neue Strategie offen und deutlich darzulegen.
  2. Auf konsistente Botschaften achten: Wichtig ist, eine zielgerichtete, konsistente Kommunikation entlang des gesamten Change-Prozesses zu führen. Die Teammitglieder müssen regelmässig auf dem Laufenden gehalten werden. Dabei müssen Führungskräfte sich strikt daran zu halten, jeweils immer nur das zu kommunizieren, was gesichert ist. Wenn Informationen laufend geändert werden, leidet die Glaubwürdigkeit.
  3. Widerstände anerkennen, Position beziehen und die eigenen Gefühle ausdrücken: Dadurch zeigt die Führungskraft, dass sie die Realität anerkennt, authentisch ist und an einem echten und offenen Dialog mit den Teammitgliedern interessiert ist. Es ist empfehlenswert, sich im Vorfeld zu überlegen, mit welchen Fragen, Gefühlen, Anschuldigungen oder verbalen Attacken zu rechnen sind.
  4. Einwände als Informationsquelle nutzen: Kritik enthält oftmals wichtige Punkte, die in Veränderungsprozessen bisher übersehen worden sind. Es kann sich lohnen, gewisse Dinge, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, nochmals genau anzusehen, bevor man sie über Bord wirft.
  5. Unterstützung, Anleitung und Halt geben: Dazu gehört, Präsenz zu zeigen, auf die Anliegen der Teammitglieder einzugehen, Fragen zu stellen, aktiv zuzuhören sowie Hilfe und Beratung anzubieten. Diese Verhaltensweisen geben den Teammitgliedern zwar keine Garantie, nicht von einem allfälligen Stellenabbau betroffen zu sein, doch vermitteln sie psychologische Sicherheit und Wertschätzung.
  6. Outplacement-Beratung anbieten: Kommt es zum Personalabbau, ist im Idealfall eine vom Arbeitgeber finanzierte Beratung zur beruflichen Neuorientierung und Stellensuche der Gekündigten zu ermöglichen. Damit leistet die Organisation auch einen wichtigen Beitrag zur Imagepflege sowohl nach innen als auch nach aussen.
  7. Job- und Prozessoptimierungen vornehmen: Personalabbau wirkt sich meist erheblich auf die Arbeitslast der verbleibenden Team-Kollegen und -Kolleginnen aus. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig unter Einbezug der Betroffenen zu vereinbaren, wie die temporäre Überlastung bewältigt werden soll.
  8. Neue Denk- und Arbeitsweisen sowie Lernbereitschaft etablieren: Ist die Neuorganisation in den groben Zügen abgeschlossen, müssen Mitarbeitende einbezogen werden, indem sie sich zu den Neuerungen äussern bzw. diese mitgestalten dürfen.

Fazit

Vertrauen wird als eine Einstellung bezeichnet, welche das Verhalten gegenüber einer bestimmten Person beeinflusst und damit die Qualität einer Zweierbeziehung prägt. Beim Aufbau und dem Verlust von Vertrauen in Organisationen spielen Führungspersonen eine wesentliche Rolle. Vertrauensaufbau muss an der Spitze beginnen. Wenn es Führungskräften gelingt, in unsicheren Zeiten vertrauensvolle Beziehungen zu etablieren und zu fördern, erleichtern sie es ihren Teams, Unbekanntes mit Zuversicht zu begegnen und Veränderungen als Chance zu begreifen, um zu wachsen und innerhalb oder ausserhalb der Organisation grossartige Arbeit zu leisten.

Quellen und weiterführende Informationen

Avolio, B. J. & Bass, B. M. (1994). Improving Organizational Effectiveness Through Transformational Leadership. Thousand Oaks (California): Sage Publications.

Center for Creative Leadership. (2022). Why Leadership Trust Is Critical in Times of Change and Disruption.

DDI (2023). Global Leadership Forecast 2023.

Dirks, K. T., & Ferrin, D. L. (2002). Trust in leadership: Meta-analytic findings and implications for research and practice. Journal of Applied Psychology, 87(4), 611-628.

Lewis, A. (2022). Good Leadership? It All Starts With Trust. Harvard Business Publishing Blog.

McAllister, D. J. (1995). Affect- and cognition-based trust as foundations for interpersonal cooperation in organizations. Academy of Management Journal, 38(1), 24-59. https://doi.org/10.2307/256727

Rousseau, D. M., Sitkin, S. B., Burt, R. S., & Camerer, C. (1998). Not so different after all: A cross-discipline view of trust. Academy of Management Review, 23(3), 393-404. 

Scienceforwork. Trust in Leadership – One Key Factor During Organizational Change. Blog. Abgerufen am 28.02.2024

Zhu, Weichun/Newman, Alexander/Miao, Qing/Hooke, Angus (2013): Revisiting the mediating role of trust in transformational leadership effects: Do different types of trust make a difference? The Leadership Quarterly, 24(1): 94- 105.

Zhu, Yue/Akhtar, Syed (2014): The mediating effects of cognition-based trust and affect-based trust in transformational leadership´s dual processes: evidence from China. The International Journal of Human Resource Management, 25(20): 2755-2771.

Autor/in
Irene-Willi

Irene Willi Kägi

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