Analog-digitale Besprechung Analog-digitale Besprechung
Damit Homeoffice und Arbeiten vor Ort gelingt, muss an der Führungskultur geschliffen werden. (Symbolbild)

Die Chance auf den Durchbruch von Homeoffice als Normalarbeitsform war noch nie so gross wie jetzt, denn die Krise hat gezeigt: Örtlich voneinander getrennt arbeitende Teammitglieder können einander genauso nahe fühlen wie vor Corona. Und sie sind in den meisten Fällen nicht nur motivierter, sondern auch produktiver (vgl. Teil 1 dieses Beitrags: Wenn Mitarbeitende im Homeoffice bleiben wollen). Homeoffice ist zwar nicht für jede Art von Arbeit und nicht für jeden Menschen geeignet. Doch dort, wo sich diese Arbeitsform in der Krise bewährt hat, wird sie wahrscheinlich auch nachher noch funktionieren.

Möchten Sie Homeoffice bzw. Mischformen von Homeoffice und dem Arbeiten vor Ort als Arbeitsform implementieren? Dann müssen Sie je nachdem erst an Ihrer analog-digitalen Führungskultur schleifen.

Bin ich (immer noch) dabei?

Das Schleifen an der Führungskultur beginnt bei jeder einzelnen Führungskraft. Seien Sie ehrlich zu sich selbst:

  • Können bzw. wollen Sie (auch nach Corona) örtlich voneinander getrennte Mitarbeitende führen?
  • Glauben Sie daran, dass Ihre Mitarbeitenden (weiterhin) sich selbst organisieren und autonom arbeiten können?
  • Worin liegen Ihre Stärken und Schwächen in der Führung?
  • Ist Ihnen Hierarchie und Kontrolle wichtig?
  • Führen Sie mehr aus der Position heraus oder mit Ihrer Persönlichkeit?

Vielleicht kommen Sie zum Schluss, dass Ihnen der tägliche direkte Kontakt mit den Mitarbeitenden vor Ort am besten zu Ihnen passt und Sie mit digitaler Führung nichts am Hut haben. Dann müssen Sie die persönlichen Konsequenzen ziehen. Wenn Sie sich vorstellen können, gleichzeitig aus der Nähe und der Distanz zu führen, lesen Sie weiter.

Vertrauen und Nähe schaffen

Grundlage eines funktionierenden Teams ist das Vertrauen – sowohl in die Fachkompetenz als auch in die personalen und sozialen Fähigkeiten Ihrer Teammitglieder. Das trifft für die Führung von örtlich voneinander getrennt arbeitenden Mitarbeitenden besonders zu.

Als Führungskraft fürchten Sie sich vielleicht vor einem gänzlichen Kontrollverlust der weiterhin im Homeoffice arbeitenden Teammitglieder, denn Sie sehen nicht direkt, wie viel und woran sie arbeiten und ob sie die Arbeit gut machen. Die Sorge, dass mit fortschreitender Dauer von Homeoffice die Bindung Ihrer Mitarbeitenden an den Arbeitgeber verlorenzugehen droht, dürfte auch nicht ganz unberechtigt sein. Das Beantworten folgender Fragen kann Ihnen helfen, Vertrauen in und Nähe zu Ihre(n) Mitarbeitenden und innerhalb Ihres Teams herzustellen:

  • Kennen Sie Ihre Mitarbeitenden in den Grundzügen bezüglich ihren Einstellungen, Fähigkeiten und ihrem Arbeitsstil? Wissen Sie, unter welchen Bedingungen sie am besten arbeiten?
  • Schaffen Sie Gelegenheiten, wo Sie einzelne Mitarbeitende oder das ganze Team auch physisch treffen und besser kennenlernen können? Für Mitarbeitende, die während des Lockdowns eingestellt wurden, dürfte es besonders wichtig sein, möglichst früh ein analoges Kennenlernen zu ermöglichen.
  • Planen Sie als Ersatz für den informellen Austausch am Kaffeeautomaten (regelmässig) virtuelle Pausen ein, in welchen explizit nicht über die Büroarbeit gesprochen wird?
  • Geben Sie konstruktives Feedback? Betrachten Sie Fehler als eine Möglichkeit zu lernen?
  • Können Sie sich in die Lage Ihrer Mitarbeitenden versetzen? Hören Sie zu? Fragen Sie nach? Fühlen Sie mit? Ziegen Sie Wertschätzung? Lassen Sie bei Problemen Ihre Mitarbeitenden Lösungen selber erarbeiten bzw. an der Gestaltung von Lösungen partizipieren?

Zusammenarbeit und Kommunikation regeln

Bedenken Sie, dass Mitarbeitende, die virtuell geführt werden, in der Regel nicht nur ein Bedürfnis nach Autonomie, sondern auch nach Orientierung und Struktur haben. Dabei geht es um das Verstehen des Big Pictures und die Klarheit, wie die Zusammenarbeit und Kommunikation funktionieren soll. Es liegt an Ihnen als Führungskraft, diese Punkte immer wieder zu thematisieren. Also reflektieren Sie, bzw. klären und/oder vereinbaren Sie:

  • Was sind Ihre Werte und Ihre Vision für Ihr Team? Können Sie diese authentisch und offen kommunizieren?
  • Haben Sie Ziele, Prozesse und Deadlines definiert? Sind diese allen bekannt? Fordern Sie Verbindlichkeit ein und leben Sie diese selbst vor?
  • Haben Sie die Erwartungen Ihrer Teammitglieder bezüglich optimaler (virtueller) Zusammenarbeit und Kommunikation abgeholt?
  • Welche physische Infrastruktur braucht es für eine optimale Zusammenarbeit (Shared Desks, Besprechungs- und Regenerationsräume)?
  • Welche digitalen Kommunikationsplattformen (Collaboration Tools, soziale Netzwerke) eignen sich am besten?
  • Wie oft soll idealerweise das operative Tagesgeschäft (über welche Collaboration Tools) mit Ihrem Team besprochen werden?
  • Wie häufig sollen bilaterale Gespräch geführt werden?
  • Haben Sie Verhaltensregeln vereinbart sowohl bezüglich Antwortzeiten als auch wie mit Schwierigkeiten und Fehlern umgegangen wird (z.B. am Telefon und nicht per E-Mail besprechen).

Informationsasymmetrien ausgleichen und Missverständnissen vorbeugen

Mitarbeitende, die nach Corona wieder im Büro arbeiten, können gegenüber denjenigen, die ganz oder zeitweise im Homeoffice bleiben, einen Informationsvorsprung haben. Ausserdem lassen sich spontane Absprachen oder Entscheidungen nicht so einfach treffen, wenn Mitarbeitende physisch nicht anwesend sind. Sie können nicht einfach schnell in den Gang oder ins Sitzungszimmer wechseln. Wenn Sie sich per E-Mail oder Conference Call einigen müssen, können nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch wichtige Zwischentöne in der Kommunikation verloren gehen. Auch wenn Sie z.B. die Video-Funktion während Ihres Calls einschalten, ist die Qualität der Kamera oft nicht ausreichend, um die Körpersprache von virtuellen Teammitgliedern sicher zu lesen. Es besteht die Gefahr, dass Sie sich missverstehen. Überlegen Sie:

  • Besteht eine zentrale Informationsplattform für wichtige Unternehmensinformationen?
  • Kommentieren Sie die Informationen auch mündlich?
  • Ordnen Sie allfällige negative Geschäftsentwicklungen ein? Fangen Sie allfällige Sorgen und Bedenken auf?
  • Haben Sie ein Auge und ein Ohr für allfällige Inkongruenzen in der schriftlichen, mündlichen und virtuellen Kommunikation?
  • Hören Sie aktiv zu? Paraphrasieren Sie und fragen Sie bei Unklarheiten nach?

Soziale Gerechtigkeit herstellen

Im Homeoffice arbeiten zu dürfen, kann für den einzelnen Mitarbeitenden bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen bedeuten. Mitarbeitende, die von zu Hause aus arbeiten möchten, aber nicht dürfen, können sich dementsprechend benachteiligt fühlen. Eine zunehmende Polarisierung zwischen Blue und White Collar Workers wird damit zum realistischen Szenario. Finden Sie also Antworten auf folgende Fragen:

  • Wie gewährleisten Sie, dass die soziale Gerechtigkeit bestehen bleibt?
  • Wie werden Rechte, Ressourcen und andere Optionen unter Ihren Mitarbeitenden verteilt?
  • Wie ändern sich Lohnzahlungen, wenn plötzlich keine Infrastruktur mehr zur Verfügung gestellt wird?
  • Wie wird ausgeglichen, wenn Pendler nach wie vor Anreisekosten haben – andere aber im Homeoffice arbeiten dürfen.
  • Wie stellen Sie sicher, dass diese Verteilung als fair und gerecht wahrgenommen wird?

Und? kriegen Sie es hin, die Herausforderungen der analog-digitalen Führung zu meistern? Ein Tipp noch zum Schluss: Räumen Sie in Ihrer Agenda Pufferzeiten ein, um an den wichtigen Aufgaben der Führung im reell-virtuellen Raum zu arbeiten. Wenn es Ihnen gelingt, zusammen mit Ihrem Team befriedigende Antworten auf die wichtigsten Fragen zu finden, werden Sie Vertrauen gewinnen und mehr Verantwortung abgeben können. Gleichzeitig werden Ihre Mitarbeitenden autonomer und selbstorganisierter arbeiten - sei es online oder vor Ort - ohne dabei das Gefühl der Zugehörigkeit und Gleichbehandlung zu verlieren.

Lesen Sie auch Teil 1 dieses Beitrags: Wenn Mitarbeitende im Homeoffice bleiben wollen

Quellen und weiterführende Informationen

Ciesielski, M. A., Schutz, T. (2016). Digitale Führung: Wie die neuen Technologien unsere Zusammenarbeit wertvoller machen. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag.

Eggenberger, J., Weber, R., Willi Kägi, I. & Storz, N. (2017). SKO-Ratgeber: 5 Thesen zur Führung in einer digitalen, flexibilisierten Welt.

Müller, S. (2018). Virtuelle Führung: Erfolgreiche Strategien und Tools für Teams in der digitalen Arbeitswelt. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag.

Schamberger, H. (2019). Was bedeutet mobil-flexible Führung? (1/2). Kalaidos Blog.

Schamberger, H. (2019). Was bedeutet mobil-flexible Führung? (2/2). Kalaidos Blog.

Willi Kägi, I. (2017). Modell für digitale Führung: VOPA+. Kalaidos Blog.

Willi Kägi, I. (2016). SKO-Ratgeber: Führen in der digitalen Arbeitswelt.

###

Möchten Sie Ihr Führungsverständnis reflektieren sowie Veränderungsprozesse in Ihrem Unternehmen bewusst gestalten? Im CAS FH in Leadership Advanced erlernen Sie sowohl Ihre eigene Wirkung bewusst zu steuern als auch mit komplexen Führungssituationen und virtuellen, fluiden Organisationsformen umzugehen.

Autor/in
Irene-Willi

Irene Willi Kägi

Zum Profil
Coaching | Digitalisierung | Human Resource Management | Kommunikation | Leadership | Organisationsentwicklung | Psychologie | Wirtschaftspsychologie
more...

CAS FH in Leadership Advanced Compact

Certificate of Advanced Studies (CAS)

Mehr laden
Leadership | Organisationsentwicklung | Wirtschaft
more...
Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail