nRLR: Unklarheiten und neue Einsichten (5/6)
Hanspeter Baumann, René Krügel
Die Bestimmung zur Offenlegung des Leasings wurde neu definiert im neuen Rechnungslegungsrecht (nRLR). Offenlegungspflichtig sind: „(…) der Restbetrag der Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderen Leasingverpflichtungen, sofern diese nicht innert zwölf Monaten ab Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können“ (Art. 959c Abs. 2 Bst. 6 OR).
Sind die Leasingverbindlichkeiten im Anhang klar geregelt?
Eher nicht. Wie würden Sie den folgenden Ausweis interpretieren?
Beispiel: Auszug aus der Jahresrechnung 2016 der Muster AG
Passiven: Leasingverpflichtungen CHF 137’000
Anhang: Nichtbilanzierte Leasingverpflichtungen CHF 385’000
Hat der Bilanzierende die Regelungen des nRLR zur Kenntnis genommen und angewendet (was sich in der Bezeichnung nicht niederschlägt)? Sind die passivierten Leasingverbindlichkeiten vom Bilanzierenden in der Summe im Anhang von CHF 385'000 eingeschlossen?
Der Gesetzestext ist derart unklar, dass die folgenden Fragen in der Praxis diskutiert wurden:
- Müssen Leasinggüter immer aktiviert werden (weil diese die Voraussetzungen einer Aktivierungspflicht nach Art. 959 Abs. 2 OR erfüllen)?
- Ist es nicht mehr zulässig, Leasinggüter zu aktivieren (also das Gegenteil)?
- Versteht man unter Verbindlichkeiten den Betrag mit oder ohne MWST, Spesen, Kosten etc.?
- Darf jede Leasingverbindlichkeit weggelassen werden, welche innert eines Jahres gekündigt werden kann?
- Wie ist mit einem Leasing-Restkaufpreis umzugehen?
- Wie ist vorzugehen, wenn ein Teil der Leasinggüter aktiviert wurde, ein Teil nicht?
- Sind mit „anderen Leasingverbindlichkeiten“ langfristige Mietverträge, beispielsweise für Ladenlokale gemeint und müssen diese ebenfalls offengelegt werden, wenn sie mehr als 12 Monate laufen?
- Sind auch die Baurechtsverbindlichkeiten offen zu legen?
Die Praxis hat hier Antworten gefunden, es gibt jedoch teilweise unterschiedliche Auffassungen und entsprechend ist die praktische Umsetzung nicht einheitlich. Der Gesetzgeber erstellt in der Schweiz oft ein Rahmengesetz und keine detaillierten Regelungen. Das hat Vor- aber auch Nachteile. Manchmal wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber seine Gesetze klarer (und dadurch umfassender) formulieren würde.
Neue Einsichten – True and fair view für Genossenschafter
Genossenschaften (mit Ausnahme von Finanzinstituten) hatten vor dem nRLR lediglich die allgemeinen Buchführungspflichten nach Art. 959 OR alt einzuhalten. Diese waren sehr elementar und bezüglich Transparenz und Vergleichbarkeit weit hinter den Vorgaben des alten Aktienrechts. Dies wurde von vielen Kommentatoren vor allem bezüglich grosser und sehr grosser Genossenschaften als ungenügend beurteilt. So waren die gesetzlichen Vorgaben zur Rechnungslegung für ein Unternehmen wie Migros oder Coop unter dem alten Recht die gleichen wie für einen lokalen Kleintierzuchtverein. Mit dem rechtsformneutralen neuen Rechnungslegungsrecht müssen auch Genossenschaften die Bestimmungen des Aktienrechtseinhalten. Grosse Genossenschaften (mit über 2000 Genossenschaftern) haben sogar einen Abschluss nach anerkanntem Standard zur Rechnungslegung wie Swiss GAAP FER vorzulegen.
Grössere Genossenschaften wie Coop, Migros, Wohnbaugenossenschaften, landwirtschaftliche Genossenschaften, Mobility etc. sind volkswirtschaftlich bedeutsamer als manche kotierte Unternehmen. Entsprechend ist diese Zunahme an Transparenz als echter Pluspunkt des nRLR zu betrachten. Anzufügen ist, dass verschiedene der grösseren und grossen Genossenschaften bereits früher freiwillig einen anerkannten Standard zur Rechnungslegung angewandt haben.
Unsorgfältig gearbeitet – Geldflussrechnung nur im Einzelabschluss
Grössere Unternehmen haben gemäss Art. 961b OR eine Geldflussrechnung zu erstellen. Diese stellt die Veränderung der flüssigen Mittel aus der Geschäftstätigkeit, der Investitionstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit je gesondert dar. Eine Geldflussrechnung ist aus Sicht von Bilanz- und Finanzanalyse der wohl interessanteste Teil einer Jahresrechnung. Eine Geldflussrechnung wird jedoch nur auf Stufe Einzelabschluss verlangt, für die sehr viel relevantere Konzernrechnung wird dies vom Gesetz nicht verlangt.
Diese Unterlassung ist offenbar darauf zurückzuführen, dass in einer früheren Phase des Gesetzgebungsprozesses für alle grösseren Unternehmen ein Abschluss nach einem anerkannten Standard wie Swiss GAAP FER vorgesehen war. Diese Standards verlangen für die Konzernrechnung das Aufführen einer Geldflussrechnung. Als das Erfordernis eines anerkannten Standards im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen gestrichen wurde, hat der Gesetzgeber es unterlassen, dieses Erfordernis für die Konzernrechnung wieder einzufügen.
Dies ist unbefriedigend, beispielsweise für Holdinggesellschaften. Die Geldflussrechnung einer typischen grösseren KMU-Holdinggesellschaft verfügt nur über eine sehr beschränkte Aussagekraft.
Die Informationen über Dividenden von Tochtergesellschaften und der Dividende an Aktionäre kann man schon der Bilanz und der Erfolgsrechnung entnehmen. Wichtig wäre für Aktionäre und andere Bilanzleser zu wissen, wie hoch der erarbeitete Cashflow des Konzerns war und wie dieser verwendet wurde.
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Hier kommen Sie zu weiteren Post aus der Blogreihe „nRLR: Nutzen und Versäumnisse":
„nRLR: Nutzen und Versäumnisse (1/6)“: Anstoss zur Revision des OR-Rechnungslegungsrechts, Ziel "Verstärkung der Transparenz für die Beteiligten" verfehlt?
„nRLR: Nutzen und Versäumnisse (2/6)“: Stärkung Minderheitenschutzrechte, „Wissen ist Macht“ und zusätzliche Transparenz, Mögliches Missbrauchspotenzial
„nRLR: Nutzen und Versäumnisse (3/6)“: doppelte Buchhaltung – doppelter Ergebnisausweis, kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs, Wertberichtigung auf kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs
„nRLR: Nutzen und Versäumnisse (4/6)“: Welche Angaben im Anhang?
„nRLR: Nutzen und Versäumnisse (6/6)“: Positive Bilanz für Unternehmen?, Verbesserungsbedarf von Seiten KMU gefordert?, Kosten-Nutzen-Verhältnis