Kommunikation: Umgang mit Fehlern Kommunikation: Umgang mit Fehlern
Wird der Bilanzausweis noch komplexer, sind Missverständnisse in der Praxis vorprogrammiert (Symbolbild)

Die Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts (nRLR) hat den Unternehmen und Organisationen nicht nur Nutzen gebracht, sondern auch hohe Kosten verursacht. Welcher Nutzen und welche Versäumnisse mit Einführung des nRLR ergangen sind, erfahren Sie in dieser Blogreihe.

Doppelte Buchhaltung heisst doppelter Ergebnisausweis

Der Gewinn ist in der Erfolgsrechnung sichtbar und sollte gleichlautend im Eigenkapital ausgewiesen sein. Der Gesetzgeber hat es jedoch bisher versäumt, die Positionen „Gewinnvortrag“ und „Jahresgewinn“ im Eigenkapital vorzusehen (Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 OR). Die Praxis ergänzt diese Positionen in der Regel, da der doppelte Gewinnausweis eine der wichtigsten Kontrollgrössen der doppelten Buchführung darstellt. Die laufende Aktienrechtsrevision soll hier Abhilfe schaffen.

Kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs

Im alten Rechnungslegungsrecht war es möglich, Wertschriften mit Börsenkurs entweder zum Anschaffungspreis oder zum höheren Börsenkurs in die Bilanz einzustellen (Art. 667 OR alt). Der Gesetzgeber hat diese Option auf alle „Aktiven mit beobachtbarem Marktpreis“ ausgedehnt (Art. 960b OR). Das klingt nach einer grossen Chance.

Der Gesetzgeber hat die Bedingungen und Voraussetzungen nicht weiter definiert. Diese Lücke wurde von verschiedenen massgeblichen Kommentaren in der Praxis geschlossen, wobei sich natürlich nicht alle Akteure einig sind. Bis zu den ersten Gerichtsurteilen werden diese Unsicherheiten bestehen bleiben. Der Bilanzausweis wartet zudem mit gewissen Tücken auf. Fehler bei der Rechnungslegung sind immer wieder zu beobachten.

In der Praxis ist man sich einig, dass diese Bestimmung eng auszulegen sei (beispielsweise im Falle von Anlageimmobilien). Nur sehr wenige Unternehmen können neu gewisse Aktiven aufwerten, wenn sie das wünschen. Bei allen anderen können – wie bisher – lediglich die Wertschriften mit Börsenkurs aufgewertet werden. Man hätte somit die frühere gesetzliche Bestimmung unverändert beibehalten können.

Wenn die Option Börsenkurs gewählt wird, führt dies zu einem Gewinn und dieser hat höhere Steuern zur Folge. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber ein „Gegenmittel“ bereitgestellt, die „Wertberichtigung auf kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs“, welche nachfolgend betrachtet wird.

Wertberichtigung auf kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs

Art. 960b Abs. 2 OR: „Werden Aktiven zum Börsenkurs oder zum Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet, so darf eine Wertberichtigung zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden, um Schwankungen im Kursverlauf Rechnung zu tragen.“

Diese Art von Wertberichtigungen haben wir in der Praxis bisher kaum festgestellt. Warum soll man via eine in der Bilanz sichtbare Position stille Reserven bilden, wenn dies auch „wirklich“ still möglich ist?

Ferner wird der Bilanzausweis damit noch komplexer und Missverständnisse in der Praxis sind vorprogrammiert. Eigentlich ist die Wertberichtigung als aktiver Berichtigungsposten zu führen. In der Praxis ist dies aber nicht immer so klar. Die Wertberichtigung kann offen ausgewiesen werden (Bruttoausweis), jedoch ist auch eine Verrechnung möglich (Nettoausweis). Dies erhöht die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen naturgemäss nicht. Dem Charakter nach stellen diese Reserven zudem stille Reserven dar, welche jedoch nicht „still“ (sprich: für den Bilanzleser unsichtbar) sind. Entsprechend ist eine wesentliche Auflösung auch nicht im Anhang nach Art. 959c Abs. 1 Ziff. 3 OR offen zu legen. Somit hat die geneigte Bilanzleserin oder der geneigte Bilanzleser zwecks Beurteilung des ausgewiesenen OR-Jahresergebnisses zwei Kontrollen durchzuführen; zum einen ist zu prüfen, ob gemäss Anhang eine wesentliche Auflösung „wirklich“ stiller Reserven vorliegt. Zum andern ist zu prüfen, ob zusätzlich noch „weniger stille“ Reserven via Wertschwankungsreserve aufgelöst worden sind. Dies kann schwerlich als Fortschritt auf dem Weg dahin bezeichnet werden, dass „Gesellschafterinnen und Gesellschafter (…). einen verlässlichen Überblick über die Vermögens-, Finanzierungs- und Ertragslage des Unternehmens erhalten“.

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