Modell des motivierten Unternehmens: Kompetenz (4/4)
Jörg Lahmann
In diesem vierten und letzten Teil meiner Blogbeitragsserie zum Modell des motivierten Unternehmens stelle ich den dritten Pfeiler der intrinsischen Motivation vor: Kompetenz. Was hat Kompetenz mit Motivation zu tun? Kurz gesagt, wenn nicht eine gewisse Kompetenz oder Können vorhanden ist, verlieren wir schnell die Motivation. Zur Erinnerung ein Beispiel: An Kindern sieht man das sehr schön, sei es in der Schule oder in der Freizeit. Hat ein Kind zum Beispiel Erfolg beim Lernen eines neuen Instruments, stellt sich die Motivation schneller ein oder bleibt erhalten. Umgekehrt vergeht die Lust am neuen Instrument sehr schnell, wenn die Fortschritte ausbleiben. Für Unternehmen heisst dies, bei zukünftigen Mitarbeitenden die Kompetenz zu entdecken und bei bestehenden Mitarbeitenden diese aufrechtzuerhalten.
Zu den drei Disziplinen der Kompetenz gehören: Verstehen, Wollen und Können (VWK), Neueinstellung von Mitarbeitenden und Weiterbildung:
Disziplin 1: VWK – Verstehen, Wollen, Können
Im dritten Teil dieser Beitragsserie habe ich das Organigramm der Verantwortlichkeiten vorgestellt. Dieses verdeutlicht, wie die einzelnen Funktionen mit den jeweiligen Verantwortlichkeiten und den passenden Personen zu besetzen sind.
Um zu wissen, ob eine Person auf eine Funktion passt, das heisst, ob sie in der Lage ist, diese Funktion gut auszufüllen, gilt es drei Fragen zu beantworten:
- Verstehen. Wenn wir mit einer Person die Liste der Verantwortlichkeiten durchgehen, ist darauf abzuzielen, dass sie die damit verbundene Funktion versteht: Ist ihr klar, was zu tun ist und welche Tätigkeiten damit verbunden sind? Versteht sie, welche Prozesse entwickelt werden müssen und welche Werkzeuge benötigt werden, um die Stelle gut auszufüllen? Oder schauen wir, vereinfacht gesagt, in ein paar Augen, in denen Zweifel oder Fragezeichen stehen? Hat die Person gar eine falsche Vorstellung von dem Umfang und der Tragweite der Funktion? Versteht sie nicht, was die Verantwortlichkeiten bedeuten, wird die/der Vorgesetzte immer einen Teil der Arbeit machen müssen. Es wird zu Mikro-Management kommen. Schnell wird sich Unzufriedenheit auf beiden Seiten einstellen.
- Wollen. Die Person muss die Funktion erfüllen wollen. Es ist keine gute Entscheidung, mehr zu zahlen oder auf Knien zu bitten, dass eine Person eine Stelle übernimmt. Will eine Person eine Stelle eigentlich nicht, macht sie unweigerlich und spätestens nach einigen Wochen immer nur das Nötigste.
- Können. Letztlich muss die Person auch das notwendige Können besitzen, die Funktion auszufüllen. Ich beziehe mich hier auf drei Teilbereiche. Erstens, die Fähigkeit, im technischen Sinne die Arbeit leisten zu können: zum Beispiel genügend Wissen über Google Analytics zu haben und dieses nutzen zu können, wenn es um eine Stelle im Online-Marketing geht. Zweitens, Zeit: Wenn es sich um eine Vollzeitstelle handelt, macht es keinen Sinn, jemanden einzustellen, der nur eine halbe Stelle möchte. Schnell wird sich Enttäuschung auf beiden Seiten breitmachen. Drittens, emotionale Fähigkeiten: Beispielsweise ist es für Führungskräfte notwendig, auch harte Entscheidungen treffen oder einen erhöhten Stress bewältigen zu können. Ist die Person dazu in der Lage?
Das heisst, alle Personen im Unternehmen, ob neu oder schon vorhanden, sollten, um eine gute Besetzung und langfristig motiviert zu sein, VWK sein: es verstehen, wollen und können.
Disziplin 2: Neueinstellung von Mitarbeitenden
Neueinstellungen im Unternehmen bieten die erste Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, ein kompetentes Team zusammenzustellen. Leider wird dieser wichtigen Chance oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.
Nehmen wir als Beispiel einen Mitarbeitenden, der ein Gehalt von 80‘000 Franken bezieht. Gehen wir davon aus, dass diese Person mindestens drei Jahre im Team sein wird, handelt es sich um eine Investition von ungefähr 300'000 Franken. Es lohnt sich also, gut hinzuschauen. Darüber hinaus hat die neue Person auch Einfluss auf andere Personen um sie herum. Alles in allem also eine sehr wichtige Entscheidung.
Folgende drei Disziplinen helfen, Kompetenz im Team zu erreichen und ein motiviertes Team aufzubauen:
- Prozess und Interview-Struktur. Es sollte ein klarer Prozess im Unternehmen vorhanden sein, wie eine Neueinstellung abläuft: Welche Interviews werden geführt, welche Personen sind beteiligt, etc.? Wächst das Unternehmen, ist es notwendig, Klarheit diesbezüglich zu haben und es nicht jedem Manager selbst zu überlassen, wie er oder sie es gerne hätten.
- Verbessertes Team? Eine einfache Frage, die aber hilft, einen klaren Filter zu setzen: Wird das Team mit der Neueinstellung besser? Oder sinkt die Kompetenz im Durchschnitt? Ziel des Unternehmers und Teamleiters/Teamleiterin muss sein, eine ständige Verbesserung seines Teams anzustreben. Das fängt bei Neueinstellungen an.
- JobScorecard. Bevor Sie auf die „Jagd“ nach Job-Kandidaten gehen oder Interviews führen, sollten Sie Klarheit darüber haben, wie die Stelle eigentlich aussieht, die Sie zu besetzen suchen. Was ist die Mission hinter dem Job? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden benötigt, etc.? Ziel ist es, die Kandidaten mit den Anforderungen vergleichen zu können. Sonst kommt es leicht zum Vergleich der Kandidaten untereinander, was keine Erfolgsgarantie ist. Ich empfehle Ihnen deshalb, eine JobScorecard zu nutzen, die Sie hier herunterladen können.
Disziplin 3: Weiterbildung – das Öl im menschlichen Getriebe
Henry Ford sagte einmal zu einem Zweifelnden über die Notwendigkeit von Weiterbildungen: „Das einzige was schlimmer ist als eine Person, die nach einer Weiterbildung das Unternehmen verlässt, ist eine Person die sich nie fortbildet, aber bleibt.“
Für eine Maschine, die für ein Unternehmen gekauft wird, werden wie selbstverständlich die empfohlenen Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten durchgeführt. Ein Budget wird verankert und es wird sichergestellt, dass die Maschine optimal über Jahre hinaus funktioniert. Die „menschliche Maschine“, von der oben die Rede war, kostet 300‘000 Franken. Welches Budget veranschlagen Sie, um ein optimales Funktionieren zu garantieren? Fort- und Weiterbildung ist im Zeitalter des Wissens, der Kommunikation und VUCA das Öl der menschlichen Maschinerie.
Die Frage ist also nicht, ob, sondern wie viel. Wie viel Fortbildung ist nötig und richtig? Die Antwort auf die Frage hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie schnell wollen Sie mit dem Unternehmen wachsen, in welchem Sektor ist das Unternehmen, wie viel Konkurrenz gibt es, wie kompetent ist das Team, etc.? Trotz der vielen Variablen möchte ich mich gerne auf eine Zahl festlegen, um nicht nur um den heissen Brei herumzureden. Die Idee ist, mit jeder Person und Neueinstellung automatisch ein Budget in den Business-Plan einzuschreiben, das zur allgemeinen und spezifischen Weiterbildung dient. Wenn Sie noch kein Budget veranschlagt haben, schlage ich vor, Sie starten mit einer Zahl zwischen 1 und 3 Prozent der gesamten Personalkosten.
Die spezifische und individuelle Weiterbildung sollte aber auf freiwilliger Basis geschehen. Mittels Coaching-Sitzungen zwischen Mitarbeitenden, Vorgesetzten und Personalbeauftragten wird ein Plan zur persönlichen Entwicklung herausgearbeitet, der jedes Jahr aktualisiert wird.
Ein Modell zum motivierten Unternehmen mit 14 Disziplinen
Mit diesen drei Teilbereichen, habe ich den dritten Pfeiler der intrinsischen Motivation abgehandelt: Kompetenz.
Ich hoffe, dass Sie nach dem Lesen meiner Beitragsserie nun ein klareres Bild haben, wie wichtig die intrinsische Motivation ist und welche Tools Sie als Führungsperson in Ihrem Team oder Unternehmen einsetzen können, um diese zu steigern. Bei der Motivation geht es nicht darum, Personen zu motivieren, sondern ein Umfeld zu schaffen und die richtigen Personen auszuwählen, so dass Motivation aufblühen kann.
Modell des motivierten Unternehmens (Grafik: Jörg Lahmann)
Seien Sie nicht verzweifelt, wenn die Umsetzung wie ein sehr steiler Berg aussieht. Es ist keine Aufgabe von Wochen, sondern es sind mehrere Monate erforderlich. Für gewöhnlich begleite ich Unternehmen über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren, um die Implementierung der Methodik zu erreichen. Aber jeder Marathon beginnt mit dem ersten Schritt. Welcher ist Ihr erster Schritt? Viel Erfolg!
Lesen Sie auch die ersten drei Teile dieser Beitragsserie
Modell des motivierten Unternehmens (1/4)
Modell des motivierten Unternehmens – der Beweggrund (2/4)
Modell des motivierten Unternehmens – Autonomie (3/4)
Quellen und weiterführende Informationen
Covey, S. (2004). 7 Habits Of Highly Effective People. London: Simon & Schuster UK Ltd.
Lahmann J. (2020). La empresa motivada. Barcelona. Libros de Cabecera (erscheint demnächst auch auf Deutsch).
Goleman, D.( 2000). Leadership That Gets Results. Harvard Business Review, March- April.
Pink, D. (2012). Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us. New York: Riverhead Books.