Was behindert HR bei der Digitalisierung? (1/2)
Irene Willi Kägi
HR ist ein wichtiger, aktivierender Faktor der Digitalisierung. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „HR drives digital“ der hkp group und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach (2019). Positiv fällt auf: Ein Grossteil der Unternehmen weist einen mittleren digitalen Reifegrad auf. Das ist eine deutliche Zunahme seit der letzten Untersuchung („HR goes digital“) in 2016. Dennoch: HR kann von den Vorreitern in der Digitalisierung noch vieles lernen. Und: Die durch den Coronavirus verursachte Krisensituation dürfte auch noch einiges zur Beschleunigung der Digitalisierung im HR beitragen.
Die aktuelle Studie basiert auf dem 2016 entwickelten Treibermodell zur Bestimmung des digitalen Reifegrads von HR. Damals wurden neun Treibern ermittelt: Infrastrukturelle Rahmenbedingungen, Digitale Kenntnisse, Tool- und Technologie-Nutzung, Social Media-Nutzung, Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft, Internet und Mobile, IT-Nutzung durch HR, digitale Kultur und Zukunftstechnologien. Über diese Treiber hinaus fokussiert die aktuelle Studie auf die IT-Ausstattung in Unternehmen, Hindernisse der Digitalisierung, Ressourcenbedarf und zukünftige Herausforderungen für Mitarbeitende und Führungskräfte.
Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick
Die Mehrheit der Unternehmen ist laut der Studie auf einem guten Weg zum Gestalter der Digitalisierung („OnTrack“). Diese Gruppe hat aber immer noch grossen Nachholbedarf unter anderem an IT-Fachwissen und entsprechend an qualifizierten Mitarbeitenden.
Dann gibt es eine weitere, mittelgrosse Gruppe, die bereits im digitalen Schnellzug unterwegs ist, auch wenn sie das Ziel der Reise noch nicht erreicht hat („Progressives“). Dazu gehören mehrheitlich Unternehmen aus den Branchen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, IT sowie Maschinen- und Anlagenbau. Aufgrund der rasanten Entwicklungen von Fin- und Insuretechs und den Herausforderungen von Industrie 4.0 ist das keine Überraschung.
Zum Schluss folgt eine kleine Gruppe von Nachzüglern („Laggards“). Diese ist besonders häufig im öffentlichen Sektor anzutreffen. Im Vergleich zu den anderen Branchen sind hier wohl geringere finanzielle Mittel und Ressourcen für die Digitalisierung vorhanden und der Veränderungsdruck möglicherweise weniger hoch.
Zu erwähnen gilt, dass mit steigender Mitarbeiteranzahl und Ressourcenausstattung im HR-Bereich tendenziell auch der digitale Reifegrad des Unternehmens zunimmt. Ebenso, dass die Wahrnehmung von HR als Treiber der Digitalisierung durch zwei Faktoren gestärkt wird: erstens, wenn ein professioneller Umgang mit digitalen Tools in HR herrscht und zweitens, wenn Prozesse und Entscheidungen des HR Managements für Mitarbeitende transparent gemacht werden.
Haupthindernisse der Digitalisierung aus Sicht von HR
Wodurch wird HR bei der Digitalisierung am meisten behindert? Der besagten Studie zufolge sind das die Haupthindernisse:
- Mangelnde digitale Kompetenzen: Vorrangig mangelt es an digitalen Kompetenzen in HR. Bei nur knapp der Hälfte der Studienteilnehmer kennen HR-Mitarbeitende die ihnen zur Verfügung stehenden Tools und deren Anwendungsmöglichkeiten. Dies gilt für praktisch ebenso viele Führungskräfte im ganzen Unternehmen.
- Generationenunterschiede: An zweiter Stelle behindern Generationenunterschiede innerhalb der Belegschaft die Ausschöpfung des vollen Potenzials der Digitalisierung. Wer hier auf die Bremse tritt – die ältere Generation oder spezifische Gruppen, die weniger offen für den technologischen Wandel sind – sei dahingestellt.
- Fehlendes Budget verlangsamt zwar die digitale Durchdringung in HR, wird jedoch gegenüber 2016 nicht mehr als grösstes Hindernis für die Digitalisierung erachtet. Die Vermutung liegt nahe, dass viele HR-Bereiche ihre Hausaufgaben gemacht und sich entsprechende Budgets zugelegt haben.
- Geringe IT-Infrastruktur und -Nutzung: Seit der letzten Untersuchung sind die HR-Prozesse nun stärker standardisiert. Ebenso gibt es einen leichten Anstieg bei der Digitalisierung der Kernprozesse. Dennoch ist effektive Software gerade für den HR-Analytics-Bereich noch an wenigen Orten anzutreffen. Viele HR-Bereiche haben sich bisher noch nicht wirklich tiefgründig mit der IT-gestützten Auswertung von Mitarbeiterdaten auseinandergesetzt. Weniger als ein Drittel der Studienteilnehmenden stellen deskriptive HR Reports, wie einen Headcount Report, automatisiert bereit. Entsprechend sind Predictive-Analytics-Anwendungen für die strategische Personalarbeit kaum verbreitet. Trotz der Verfügbarkeit einschlägiger Analytics-Werkzeuge werden viele HR Reports immer noch mit MS Excel erstellt.
- Personalressourcen: Mehr als ein Drittel der Unternehmen haben vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung keine oder nur vereinzelt neue Mitarbeitende mit technischen bzw. IT-Kenntnissen in HR eingestellt. Hauptsächlich stellen Progressives neue Mitarbeitende mit den nötigen Fähigkeiten ein und planen in den nächsten zwölf Monaten eine Qualifizierungsoffensive für die HR-Abteilung. Insgesamt streben sogar fast zwei Drittel der Unternehmen keine Qualifizierungsoffensive an. Es fragt sich, ob die Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeitenden für unnötig erachtet wird oder ob es nur an den fehlenden finanziellen liegt.
Hindernisse der Digitalisierung in HR 2019 im Vergleich zu 2016 gemäss Studie hkp group Duale Hochschule Baden-Württemberg Lörrach (Bild: Studienreport „HR drives digital“)
Fazit
Im Zuge der Digitalisierung müssen Unternehmen die Kompetenzanforderungen sowohl an Mitarbeitende in HR als auch an Führungskräfte verändern. Dies bedeutet auch eine Anpassung der Qualifikationsprofile, Weiterbildung für bestehende Mitarbeitende und Rekrutierung von neuen Mitabreitenden mit entsprechenden digitalen Fähigkeiten. Zudem gilt es, die technische Ausstattung zu verbessern, um die Potenziale der datenbasierten Entscheidungsfindung und Steuerung bestmöglich nutzen zu können. Die Belegschaft für die Digitalisierung zu gewinnen, ist weniger eine Frage des Umgangs mit verschiedenen Generationen, sondern vielmehr der Implementierung einer Change-Kultur im Unternehmen.
Die Offenheit für die Nutzung digitaler Potenziale wird zurzeit aufgrund der aktuellen Pandemie auf die Probe gestellt. Denn sie treibt die Digitalisierung mit rasantem Tempo voran. Wo Ansteckungsgefahr droht, ist beispielsweise das Modell von Split Teams und Homeoffice sofort umzusetzen. Laptops, Netzwerke (VPN) und Collaboration Tools müssen zur Verfügung gestellt und Mitarbeitende umgehend in der Nutzung der digitalen Möglichkeiten geschult werden. Das Verständnis für diese Digitalisierungsprozesse lässt sich fördern durch eine transparente, zeitnahe Informationen auf allen relevanten Kanälen und ein proaktives Management: dieses behält die gemeinsame Vision im Auge und versteht es, ein Wir-Gefühl in der Belegschaft zu etablieren.
Nicht zuletzt: Will sich HR als strategischer Partner für das Management und das Business positionieren, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an digitaler Reife zuzulegen. Was HR von Unternehmen lernen können, die sich punkto Digitalisierung bereits heute in einer Vorreiterrolle (Progressives) befinden, lesen Sie demnächst im zweiten Teil dieses Beitrags.
Quellen und weiterführende Informationen
hkp group & Duale Hochschule Baden-Württemberg Lörrach (2019). HR drives digital.
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