Digital Natives: Wie rekrutieren?
Irene Willi Kägi
Wollen Sie im „War for Talents“ insbesondere bei studentischen Talenten bestehen, gilt es als Arbeitgeber, möglichst auf digitales Recruiting zu setzen. Denn diese Generation ist bekannt für ihre hohe Affinität gegenüber digitaler Kommunikation – so die weitverbreitete Meinung. Inwiefern diese sogenannten Digital Natives auch den digitalen Bewerbungsprozess favorisieren, ist im Fokus der Studie Digital Candidate Journey 2019/2020: Auf welchen Online-Plattformen sind studentische Talente unterwegs? Wie wollen sie angesprochen werden? Welche Rollen können dabei digitale Lösungen wie beispielsweise Chatbots einnehmen? Und wie können Recruiting-Prozesse und Employer Branding gestaltet werden, um sich als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren?
Die Sieger bei den Job-Plattformen und sozialen Netzwerken
Studierende konsultieren vor allem die grossen Job-Plattformen. So belegt Stepstone punkto Bekanntheit den vordersten Platz, gefolgt von Indeed, Monster, Jobscout24 und Jobboerse. Wenn potenzielle Arbeitgeber Studierende auf Plattformen und sozialen Netzwerken direkt ansprechen wollen, soll dies laut den Befragten an erster Stelle auf LinkedIn (über 90 Prozent) und Xing (über 80 Prozent) geschehen. Danach folgen mit deutlichem Abstand Kununu und Glassdoor. Auf diesen Plattformen möchten jeweils gut ein Drittel auf Stellenangebote aufmerksam gemacht werden. Nur gerade knapp ein Drittel sind via Facebook und gut ein Fünftel via Instagram für eine Kontaktaufnahme bereit. WhatsApp, Twitter, YouTube, Spotify oder Snapchat erachten die Mehrheit der Studierenden als privat.
Der Chatbot schneidet am schlechtesten ab – der persönlicher Kontakt wird bevorzugt
Bei der ersten Kontaktaufnahme kommt bei den Studierenden der digitale Rundgang durch das Büro des potenziellen Arbeitgebers mit einer Virtual-Reality-Brille am besten an. Sobald Unterhaltungen mit realen menschlichen Recruitern ins Spiel kommen, schneiden diese im Vergleich zu virtuellen Kommunikationspartnern besser ab. So sind Videocalls (z.B. via Skype) und Chats via Social Media oder WhatsApp beliebter als die Teilnahme an virtuellen Karrieremessen via einer Virtual Reality am PC. Die schriftliche Unterhaltung mit einem Chatbot können sich nur gerade fünf Prozent der Befragten vorstellen.
Video-Bewerbungen sind am unbeliebtesten
Bewerben möchten sich Studierende am liebsten online – direkt über die Unternehmenswebsite – oder schriftlich per E-Mail. Nur ein kleiner Teil der Befragten bevorzugt die schriftliche Bewerbung per Post. Die perfekte Inszenierung des ersten Eindrucks mittels einer Video-Bewerbung kommt gar nur für vier Prozent der Kandidaten und Kandidatinnen in Frage.
Fazit: Für Studierende der Generation Digital Natives zählt im Bewerbungsprozess nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Qualität der persönlichen Interaktion
Die Studienautoren kommen zum Schluss: Der Zugang zum Unternehmen für studentische Interessenten und Bewerbende ist zwar schnell und einfach zu gestalten. Doch darf der persönliche Kontakt im Recruiting-Prozess nicht unterschätzt werden. Auch oder gerade in digitalen Zeiten entscheidet nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Qualität der persönlichen Interaktion über die Wettbewerbsfähigkeit im Arbeitgebermarkt. Denn: Digital Natives differenzieren im Bewerbungsprozess bewusst zwischen Online-Kommunikation und einem persönlichen Gespräch.
Empfehlungen zur Optimierung der Digital Candidate Journey
Für Arbeitgeber empfiehlt sich – so die Studienautoren – digitale Lösungen dort einzusetzen, wo der Faktor Mensch weniger relevant ist, beispielsweise bei Prozessabläufen im Hintergrund. Der Faktor Mensch punktet dort, wo er den grössten Einfluss hat: beim Aufbau und der Pflege von Beziehungen.
Da Studierende in den sozialen Medien zwischen privaten und beruflichen Kanälen unterscheiden, eignen sich für die direkte Ansprache durch einen Recruiter LinkedIn und Xing am ehesten. Facebook Instagram, YouTube, WhatsApp oder Snapchat dienen eher dazu, die Attraktivität des Arbeitgebers zu steigern. Hier lassen sich beispielsweise Posts von Trainees einsetzen, die live aus ihrem Arbeitsalltag berichten.
Virtuelle Kontakt- oder Bewerbungsmöglichkeiten wie Chatbots oder Video-Bewerbungen sollen nutzenstiftend in den Recruituing-Prozesss integriert oder optional angeboten werden. Chatbots kommen dann zum Zug, wenn Bewerbende beispielsweise aus zeitlichen Gründen nicht für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stehen können. Chatbots können auch Kandidaten und Kandidatinnen laufend über den aktuellen Stand der Bewerbung informieren. Das Einreichen einer Video-Bewerbung zur Bedingung zu machen, macht dann Sinn, wenn die ausgeschriebene Stelle das Auftreten und Präsentieren vor einem Publikum verlangt.
Grundsätzlich gilt es, mehrere „physische“ Berührungspunkte von Anfang bis zum Ende des Bewerbungsprozesses einzubauen, um den persönlichen Kontakt zu den Talenten so schnell wie möglich herzustellen und aufrechtzuerhalten. So sind an Karriereevents Recruiter zu entsenden, die auf individuelle Anliegen der Interessenten und Interessentinnen eingehen und Vertrauen in den potenziellen Arbeitgeber aufbauen können. Die Möglichkeit, ein Praktikum, eine Projekt- oder Abschlussarbeit machen zu können, gibt den Bewerbenden frühzeitig einen authentischen und umfassenden Einblick ins Unternehmen und ermöglicht eine Zusammenarbeit bis zur tatsächlichen Einstellung nach Studienabschluss. Nicht zuletzt spielen auch zukünftige Vorgesetzte im Bewerbungsprozess eine entscheidende Rolle. Auch hier bedarf es an Gesprächen auf Augenhöhe.
Kurz: Studentische Talente haben heutzutage zwar unzählige Möglichkeiten, um sich über Arbeitgeber digital bis ins Detail zu informieren und in Kontakt zu kommen, doch bringen Begegnungen von Angesicht zu Angesicht eine Dimension ins Spiel, die für Bewerbende wie Arbeitgeber matchentscheidend sein können.
Quellen und weitere Informationen
Neder, P. & Scheller, S. (2019) Digital Candidate Journey Studie 2019/2020 in Zusammenarbeit mit Universität Bayreuth, The Ringsight und Persoanlblogger.de.
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