Leadership the Swiss Way (4/5)
Irene Willi Kägi
Es gibt keine typisch schweizerische Art zu führen sondern vielmehr eine Schweizer Führungskultur. So lautet eines der zentralen Zwischenergebnisse diverser Forschungsaktivitäten, welche die Kalaidos Fachhochschule zusammen mit der Schweizerischen Kaderorganisation (SKO) anlässlich deren 125-jährigen Jubiläums ausgeführt hat. Welche Werte im Zusammenhang mit Führung typisch, beziehungsweise untypisch für die Schweiz sind und wie diese zu den zukünftigen Führungsherausforderungen passen – auch dazu präsentiert die Zwischenauswertung der noch laufenden Umfrage erste Antworten.
Welche Führungswerte sind typisch schweizerisch – welche nicht?
Auf die Fragen nach den typisch schweizerischen Führungswerten ergibt sich eine klare Antwort: Qualitätsbewusstsein, Loyalität, Leistungsorientierung, gegenseitige Wertschätzung und Integrität – das sind die „Top 5" (Abb. 2). Eine detailliertere Auswertung zeigt darüber hinaus: Die ältere Generation (46- bis 65-Jährige) setzt bei Führungshandlungen Integrität auf die erste Stelle. Junge bzw. zukünftigen Führungskräfte (unter 35 Jahren) bezeichnen Einfühlungsvermögen als wichtigsten Führungswert.
Während sich Qualitätsbewusstsein beispielsweise in Form von festen Normen wie Pünktlichkeit und Präzision äussert, sind Loyalität, Leistungswille und Integrität stark mit der Persönlichkeit der Führungsperson verknüpft. Demgegenüber erscheint wertschätzende Kommunikation als wichtiger Ausdruck von Führungsverhalten, welcher die Arbeitsbeziehungen angenehmer und produktiver macht. Insbesondere junge Führungskräfte legen diesbezüglich den Fokus auf Perspektivenwechsel und Dialog.
Werte im Zusammenhang mit Führungsaufgaben und Umgang mit Mitarbeitenden: typisch / untypisch für die Schweiz (Abb. 2, Kalaidos Fachhochschule)
Zu den „Top 5“ der untypischen Schweizer Werte (Abb. 2) im Zusammenhang mit Führung zählen Konfrontations- und Risikobereitschaft sowie Begeisterungsfähigkeit, Autorität und Inspiration. Dabei fällt auf, dass Frauen Risikobereitschaft als weniger wichtig beurteilen.
Schweizer Führungskräfte scheinen demnach keine besondere Stärke darin zu haben, Wagnisse einzugehen oder Unsicherheit auszuhalten. Dass autoritäres Führungsverhalten als untypisch für die Schweiz bezeichnet wird, passt zur Wichtigkeit des wertschätzenden Umgangs mit Gesprächspartnern. Die geringe Bedeutung von Begeisterungsfähigkeit und Inspiration in der Führung – wichtige Faktoren der Mitarbeitermotivation – könnte sich dagegen negativ auf die Produktivität auswirken.
In Zukunft gefragte Eigenschaften sind nicht unbedingt schweizerisch
Vergleicht man die für die Schweiz typischen Werte mit den von Schweizer Führungskräften gefragten Eigenschaften für die Zukunft, ergibt sich ein zum Teil widersprüchliches Bild (Abb. 3).
Flexibilität, gemäss Umfrage die Nummer 1 der von Schweizer Führungskräften künftig gefragten Eigenschaften (Abb. 3, Quadrant rechts unten), ist lediglich auf Rang 11 der typisch schweizerischen Werte zu finden. Für die Zukunft ebenso erfolgskritisch scheint die Tatsache, dass Risikobereitschaft und Begeisterungsfähigkeit – Nummer 2 und 3 der in Zukunft geforderten Eigenschaften – an zweiter bzw. dritter Stelle der untypischen Schweizer Werte stehen. In einer sich rasch verändernden, komplexen und wenig planbaren Arbeitswelt sind Flexibilität und Risikobereitschaft wichtige Kompetenzen, um schnelle Entscheidungen zu fällen. Die Schweizer Wirtschaftswelt kann sich ruhig noch etwas mehr zutrauen und an sich selber glauben. Ein oder zwei Schritte vorausgehen, auch wenn man nicht genau weiss wohin. Wichtig ist zudem, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden dort einsetzten, wo sie ihre Stärken und Talente einbringen können. Dies trägt wesentlich dazu bei, sowohl deren Begeisterungsfähigkeit als auch Leistungsbereitschaft zu steigern.
Gegenseitige Wertschätzung und Teamorientierung bilden die Nummer 4 und 5 der von Schweizer Führungskräften gefragten Eigenschaften der Zukunft (Abb. 3, Quadrant rechts oben). Während gegenseitige Wertschätzung immerhin unter den wichtigsten fünf der typisch schweizerischen Führungswerten erscheint, belegt Teamorientierung nur Rang 8 – Eigenschaften, die vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Globalisierung und virtueller Teamarbeit immer wichtiger werden.
Was Qualitätsbewusstsein, Loyalität und Leistungsorientierung – die Top 3 Schweizer Werte – anbelangt (Abb. 3, Quadrant links oben), spielen diese künftig gemäss Einschätzung der Umfrageteilnehmenden eine marginale Rolle in der Führung. Pünktlichkeit, Präzision und Zuverlässigkeit – typische Attribute für Schweizer Qualität, auch in Sachen Führung – genügen heute nicht mehr, um mit der weltweiten Konkurrenz mitzuhalten. Ein zu starker Fokus darauf könnte sogar hinderlich sein, nämlich dann, wenn diese zu starren Abläufen führen, die jede Agilität im Keim ersticken und die ehemals vorbildliche Schweizer Innovationskultur hemmen.
Typisch schweizerische Führungswerte versus in Zukunft wichtige Führungseigenschaften (Abb. 3, Kalaidos Fachhochschule)
Untypische Werte für die Schweiz wie Autorität und Einfühlungsvermögen werden auch in Zukunft von geringer Bedeutung sein (Abb. 3, Quadrant unten links). Zwar stützt sich die Schweiz auf eine lange Geschichte militärischer Einflüsse auf die Führungseliten. Die Bedeutung von Hierarchien wird angesichts der Demokratisierung des Wissens jedoch geringer. Nicht vergessen werden darf, dass Einfühlungsvermögen von der jüngeren Generation (unter 35 Jahren) als am wichtigsten bewertet wurde. So empfiehlt es sich nach wie vor, emphatisch zu sein, aktiv zuzuhören und gut erreichbar zu sein.
Weitere Resultate und Erkenntnisse werden nach Abschluss der Umfrage gegen Ende Jahr publiziert und anschliessend im Leadership Barometer 2019 der Kalaidos Fachhochschule aufgenommen. Soviel lässt sich bereits heute festhalten: Zukunftstrends zu erkennen und schnell darauf zu regieren, wird für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz und von einzelnen Unternehmen entscheidend sein. Schweizer Führungskräfte sind gefordert, Entwicklungen wie die Digitalisierung als Chance zu sehen, nicht als Bedrohung. So geht es darum, umzudenken, offen für Neues zu sein, nebst bewährten Werten auch neue Prioritäten zu setzen und Wagnisse einzugehen. Erfolgreiches Leadership heisst aber auch selbst als Vorbild voranzugehen, indem man das eigene Führungsverständnis und -verhalten hinterfragt. So wird der Erfolg der Schweizer Wirtschaft auch in Zukunft der Erfolg der Schweizer Führung sein.
Lesen Sie auch:
Leadership the Swiss Way – Teil 1
Leadership the Swiss Way – Teil 2
Leadership the Swiss Way – Teil 3
Leadership the Swiss Way – Teil 5