Radical Wort Radical Wort
Radical Collaboration ist eine Form der Zusammenarbeit, die von der Wurzel (engl. "root") her oder von innen heraus kommt . (Symbolbild)

Kollaborationsfähigkeiten sind heute eine zentrale Eigenschaft sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen. In einer VUCA-Welt werden Ambiguitätstoleranz und der konstruktive Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen oder sogar Konflikten existenziell. Ein Ansatz, der diese und weitere Fähigkeiten vereint, heisst "Radical Collaboration". Dieser wird von zahlreichen Unternehmen und Institutionen (u.a. UN, Bosch, VW) weltweit angewendet. Zusammengefasst geht es darum, die eigenen Annahmen über andere zu überprüfen sowie sich selber und die eigenen Muster der Zusammenarbeit besser zu verstehen. Ein Grundprinzip ist Vertrauensvorschuss: «Tit for Tat» – du bekommst, was du gibst.

In diesem Beitrag liefern wir einen ersten Überblick zu Radical Collaboration, einem lizenzierten Programm, welches kollaborative Fähigkeiten fördern will. In einem zweiten Beitrag werden wir die fünf Prinzipien vorstellen und teilen, wie sie praktische erlebbar sind. In einem dritten Teil sprechen wir mit einigen Experten über die konkrete Umsetzung und Wirkungsweise in Unternehmen.

Woher kommt Radial Collaboration?

Woher kommt eigentlich das «Radical» im Zusammenhang mit Collaboration? James Tamm und Ronald Luyet, die Gründer des Radical-Collaboration-Ansatzes, bedienen sich des lateinischen Wortes «radix» für Wurzel. Sie verstehen Radical Collaboration als eine Form der Zusammenarbeit, die von der Wurzel her oder von innen heraus kommt und von der eigenen positiven inneren Haltung bestimmt wird. Für sie steht der Ansatz für einen «grundlegenden Wandel».

Tamm war als Verwaltungsrichter in Kalifornien tätig und hat über 1’500 Arbeitskonflikte in der Rolle als Mediator begleitet. Tamm hat beobachtet, dass es den Personen, die er begleitete, meist nicht an Interesse, sondern an Fähigkeiten mangelte, ihre Konflikte konstruktiv zu lösen. Ihn interessierten die Muster. So erforschte er Faktoren, die für eine produktive, konfliktfreie Beziehungsgestaltung förderlich sind oder eben nicht.

Daraus haben Tamm & Luyet ein Programm entwickelt, um destruktive Verhaltensweisen und beziehungsfeindliche Kulturen zu transformieren. Auch wenn das Programm seit den 80iger Jahren existiert, scheint der Ansatz aktueller denn je. Im Kontext von Transformation / Change-Aktivitäten findet es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten und hat sich als Tool für einen kollaborativen Kulturwandel etabliert.

Welche Wirkung hat Radical Collaboration?

Der Grundgedanke einer konstruktiven Zusammenarbeitskultur klingt fast banal. Doch der Blick in die Praxis zeigt, dass die Realität oft weit entfernt ist von einer offenen und ehrlichen Beziehungsgestaltung. Wie kommen wir von einer gesellschaftlich geprägten Haltung von Konkurrenz und Wettbewerb zu Verhaltensweisen, welche Kooperation und Kollaboration fördern?

Der Kollaborationsansatz von Radical Collaboration hat folgende Ziele zur Erhöhung einer konstruktiven Zusammenarbeit:

  • Eine kollaborative (Team-)Kultur schaffen (physisch & Mindset) für ein gutes Miteinander
  • Schaffen und pflegen eines Klimas von Vertrauen
  • Fähigkeiten entwickeln zum Aufbau und zur Festigung von Beziehungen auf der Grundlage von Ehrlichkeit
  • Verständnis schärfen für eigene Einstellungen und Verhaltensweisen in Konfliktsituationen
  • Bewusstsein schärfen für eigene Interessen in Verhandlungen und Konfliktlösungen
  • Lernen mit Konflikten konstruktiv umgehen, z.B. persönliche Abwehrhaltungen überwinden und abbauen
  • Lernen, sich offen und ehrlich mitzuteilen
  • Fähigkeit im Zuhören verbessern

Insgesamt regt der Ansatz an, mutig zu sein, zu experimentieren und zu lernen (auch über sich selber); dies hat auch zur Konsequenz, die Komfortzone ab und zu verlassen. Insgesamt bleibt fest zu halten, dass Kulturwandel Raum und Zeit braucht, um sich nachhaltig zu etablieren. Dazu benötigt es neben Geduld auch Vorbilder, die die gewünschten Haltungen immer wieder vorleben.

Welche Kulturzonen und Haltungen beschreibt der Ansatz?

Radical Collaboration legt in einem Modell drei Kulturzonen zu Grunde, welche jeweils entsprechende Verhaltensweisen in der Zusammenarbeit begünstigen.

  • Die rote Kulturzone beschreibt ein konfliktreiches und aggressives Umfeld. Damit fördert sie Egozentriertheit, Kompetivität, Misstrauen, Kontrolle und Fehlervermeidung. Auch kann sich die Zone bei Personen in Schuldzuweisungen, Intellektualisieren oder defensiven Verhalten zeigen. (Es kann hilfreich sein, sich den eigenen Verhaltensweisen und Reaktionen bewusst zu sein, wenn man sich in der «roten Zone» befindet. Durch eine hohe Selbstwahrnehmung und einen persönlichen Aktionsplan, kann man dann versuchen, das ungünstige Verhalten bewusst zu durchbrechen. Mehr dazu in Teil 2 dieser Beitragsreihe.)
  • Die pinke Zone beschreibt ein konfliktvermeidendes, passiv-aggressives Umfeld. Hier ist der Fokus v.a. auf das eigene Interesse mit der Konsequenz, dass z.B. Informationen zurückzubehalten werden und ein manipulativer Umgang herrscht. Mitarbeitende, die sich in dieser Zone bewegen, sind oft zynisch oder «machen eine Faust im Sack». Sie haben meist schon eine Haltung der «inneren Kündigung» angenommen oder führen ihren Job nur noch aus als «Dienst nach Vorschrift».
  • Die grüne Kulturzone liefert ein kooperatives, unterstützendes Umfeld. Sie zeichnet sich aus durch Dialog/Austausch, Vertrauen und Gefühl von (psychologischer) Sicherheit. Dies führt dann zu gesunder Risikobereitschaft, Fehlerfreundlichkeit, schnellerem Lernen und einem hohen Grad an Selbstführung. Engagierte Mitarbeitende sind bereit, Neues auszuprobieren. Im Ergebnis soll die grüne Zone Innovation, Agilität und Produktivität in den Organisationen verbessern.

In der Realität haben Organisationen meist Anteile aus allen drei Zonen. Diese Teile können auch unterschiedlich sein in verschiedenen Teams oder Abteilungen. Meistens ist jedoch die Tendenz einer Kulturzone zu beobachten.

Grafik: Kulturzonen
Abb.: Drei verschiedene Kulturzonen und Haltungen von Radical Collaboration (Grafik: eigene Darstellung in Anlehnung an RC Group LLC)

Auch der Gallup Engagement Index (2021) beschreibt «wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeiter:innen an ihren Arbeitgeber ist und damit ihr Engagement und die Motivation bei der Arbeit». Hier zeigt sich, dass lediglich 15 Prozent der Mitarbeitenden in der «grünen Zone» ist bzw. eine Mehrzahl in der «pinken Zone». Mit dem Ergebnis, dass Potential von Lösungsorientierung und Innovation in Unternehmen wird verschwendet wird.

Studien zeigen, dass Unternehmen mit kollaborativen Kulturen denen mit kompetitiven / konkurrenzorientierten Kulturen auch wirtschaftlich deutlich überlegen sind: Arbeitskulturen, die gegenseitige Unterstützung, Mitarbeitendenzufriedenheit und Kreativität fördern, haben einen klaren Vorteil im Markt.

Schluss

Radical Collaboration ist ein Leitfaden für Einzelpersonen und Organisationen, die ihre kollaborativen Fähigkeiten in Beziehungen verbessern möchten. Grundlage ist eine Kultur, in der es möglich ist, offen und ehrlich in Interaktion zu treten, ohne Nachteile zu befürchten.

Lesen Sie auch Teil 2 und Teil 3 dieser Beitragsserie:

Mit "Radical Collaboration" zur besseren Selbstkenntnis (2/3)

Mit «Radical Collaboration» Unternehmenskultur verändern (3/3)

Quellen und weiterführende Informationen

Euforia (o.D.). Radical Collaboration

Gallup Inc. (2021). Engagement Index Deutschland 2021

Human Element (o.D.). Radical Collaboration – Erfolgreiche Zusammenarbeit. Arbeitshandbuch.

RC Group LLC. (o.d). Three different ways. 

Tamm, J. (2015). Cultivating Collaboration: Don't Be So Defensive! [Video]. TED Conferences. 

Thamm, J.; Luyet, R. (2019). Radical collaboration – Five skills to overcome defensiveness and build successful relationships. (2nd edition). Harper Business: New York.

Autor/in
Annette Fink

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