NZZ-KMU-Barometer 2022 NZZ-KMU-Barometer 2022
Wie sehen Schweizer Unternehmen die Zukunft? (Bild: Kalaidos FH)

Nach Corona haben wir nun innerhalb kurzer Zeit die zweite Weltwirtschaftskrise. Ob nun Viren die Menschheit bedrohen oder militärische Konflikte, wie aktuell in der Ukraine, eines ist sicher: die Unsicherheit über die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft ist gross. Es ist unumstritten, dass internationale Handelsbeziehungen einen politischen Nutzen haben und umgekehrt. Allerdings kann das Vertrauen in kurzer Zeit zu Misstrauen werden. Bei der diesjährigen Befragung zum NZZ-KMU-Barometer haben wir festgestellt, dass Aussenpolitik und Lieferkettensicherheit Schweizer Unternehmen beschäftigen wie seit langem nicht mehr. Dem Optimismus von letztem Jahr folgen nun Versorgungsängste und Inflation.

Wandel durch Handel

Der Gesamtindex des NZZ-KMU-Barometers – eine Standortbestimmung der Unternehmensaussichten – ist 2022 in den negativen Bereich gekippt. Die Hauptgründe dafür sind die lokalen Rahmenbedingungen und Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland. Wandel durch Handel hat stattgefunden – allerdings nur solange man von wahren Freunden umgeben ist. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wollte nach seinem Amtantritt letzten Dezember einen «Neustart der Klimapolitik». Wer hätte damals gedacht, dass es zwei Monate später zu einem Überfall auf die Ukraine kommt und die Ressourcenfrage plötzlich erste Priorität hat. Denn ohne russisches Öl und Gas funktioniert die Europäische Industrie nicht. Dass es in der Weltpolitik keine Freundschaften gibt, sollten eigentlich alle wissen. Putin wurde über Nacht zur Persona non grata und Feind der westlichen Welt. Am diesjährigen WEF hatte der ehemalige Judoka keine Stimme mehr, dafür kamen zwei Boxer.

In unserer Umfrage ging es allerdings nicht darum zu verstehen, wie das so schnell passieren konnte und wieso wir so schlecht vorbereitet waren. Viel mehr wollten wir von den 616 befragten Personen (86 Prozent Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder) wissen, was die Krise für Konsequenzen für ihre Geschäfte hat.

Aussage #1

Der Ukraine Krieg setzt Aussen-, Energie- und Sicherheitspolitik in den Fokus und beeinflusst Exportnationen wie die Schweiz stark.

Schweizer KMU sind besorgt

Wenn Staaten aus gegenseitigem Interesse eng zusammenarbeiten ergibt sich dadurch ein Grad der internationalen Verflechtung. Dabei werden Handels-, Kapital-, Informations- und Personenflüsse von Ländern gemessen und verglichen. Ausser beim Personenfluss waren diese Indikatoren auch während Corona resilient. Eine Krise bedeutet also nicht automatisch, dass sich die Globalisierung zurückdreht, auch wenn wir kleinere Regionalisierungstendenzen feststellen. Aber sie hat Auswirkungen auf den Personenverkehr und kann den Fachkräftemangel verstärken. Dies erklärt, wieso die meisten KMU der Fachkräftemangel stark beschäftigt. Zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal sich noch verschlechtern wird. Auch Nearshoring ist ein Thema, da es durch den Ukraine Konflikt zu Lieferkettenengpässen, vor allem in der Nahrungsmittelindustrie, kommt. Entsprechend wird Zentraleuropa für die Verlagerung von betrieblichen Aktivitäten als auch als Marktabsatzgebiet an Bedeutung zunehmen. Mit Nearshoring kann einiges verbessert werden. Die Tendenz, die Lieferketten nicht über die ganze Welt zu verteilen, sehen wir in der Umfrage bei rund 49 Prozent der Unternehmen, welche Produkte herstellen. Für eine Verlagerung ins Inland sehen demzufolge 31 Prozent einen relevanten Vorteil.

Digitalisierung als Dauerthema

Beinahe 30 Prozent der Befragten gaben an, dass die Digitalisierung ihre Unternehmen in den nächsten Jahren besonders beschäftigen wird. Die digitale Transformation beinhaltet aber nicht nur Automatisierung und bessere Prozesse. Sicher werden in der ersten Phase viele Artefakte von analog in digitale Formate transformiert und können so effizienter verarbeitet werden. Allerdings ist damit erst die Grundlage für neue disruptive Geschäftsmodelle geschafft. Der digitale Wandel fordert alle Branchen, eröffnet aber auch Chancen. Mit der Digitalisierung von Geschäftsbeziehungen kann die Anfälligkeit von starren Produktions- und Vertriebsprozessen optimiert werden. So kann ein proaktives und vorausschauendes Supply-Chain-Management in unsicheren Zeiten mit Störungen im internationalen Handel überlebenswichtig werden. Internationale Lieferketten können eben nur mit digitalen Tools resilient gehalten werden. Die Schwachstelle ist nicht die Globalisierung per se. Die Vielzahl an Produktionsstätten, verteilt über verschiedene Länder, und die Wertschöpfungsverflechtungen sind die neuralgischen Punkte. Ökosysteme können hier helfen und eine flexiblere Zusammenarbeit unterstützen und Ausfälle einzelner Partner im Wertschöpfungsnetz ausbalancieren.

Aussage #2

Ökosysteme dienen nicht nur der Wertgenerierung: Sie sind auch ein selbstregulierendes System, welches die Ausfallsicherheit von Lieferanten optimiert.

Wie geht es weiter?

Neben den ganzen Krisen und dem Pessimismus, zuletzt noch die drei positivsten Entwicklungen für die nächsten 12 Monate: Gemäss unserer Umfrage sehen 58 Prozent eine Verbesserung für nachhaltiges Wirtschaften, 55 Prozent für die eigene Wettbewerbsfähigkeit und 38 Prozent Chancengleichheit für Mitarbeitende.

Die Zukunft der Schweizer Wirtschaft hängt von vielen Faktoren ab, aktuell stark getrieben von der weiteren Entwicklung in der Ukraine, was auch 20 Prozent der Befragten so sehen. Aber wissen tun wir es nicht, denn die meisten Zukunftsprognosen sind falsch. Eines ist aber sicher, um mit der nächsten Krise fertig zu werden, müssen Unternehmen mehr Agilität an den Tag legen und bereit sein, lineare Lieferketten neu zu denken und gleichzeitig in Ökosystemen ein digitales Kundenerlebnis schaffen. Dazu braucht es politisches Engagement, Vertrauen und Zusammenarbeit mit diversen Geschäftspartnern im In- und Ausland.

Quellen und weiterführende Informationen:

Ergebnisbericht zur Studie

Beitrag in der NZZ vom 02. Juni 2022

Medienmitteilung vom 01. Juni 2022

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Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und in einer globalisierten Welt Geschäfte zu machen, hat die Kalaidos FH Lehrgänge, die vom Standard abweichen, entwickelt. So werden beispielsweise im MSc FH in Business Administration, im Speziellen im Kurs International Business Development, digitale Aspekte der internationalen Marktentwicklung oder die Wertgenerierung in branchenübergreifenden Ökosystemen behandelt. Wer mehr über die Unterschiede zwischen Trends und Schocks erfahren möchte und wie man systematisch Trend- und Innovationsmanagement betreibt, kann dies im Kurs Globale Trends-Impact-Strategies lernen.

Autor/in
Daniel Fasnacht

Dr. Daniel Fasnacht

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