Besteuerung kollektiver Kapitalanlagen [Interview Teil 2]
Daniel Linggi, Sophie Bartz
In diesem zweiten Interview erfahren wir von Herrn Linggi, welche Gesellschaftsformen unter dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) bestehen und wie deren Einordnung im Steuerrecht erfolgt.
Herr Linggi, Sie haben sich im Rahmen Ihrer Masterarbeit an der Kalaidos FH für den akademischen Grad MAS Swiss and International Taxation / LL.M. vertieft mit Investmentfonds sowie Investmentgesellschaften und Anlagefonds auseinandergesetzt. Welche Gesellschaftsformen stellt das KAG dafür bereit?
Gemäss dem KAG gilt es grundsätzlich zwischen vier Gesellschaftsformen zu unterscheiden.
Zum einen gibt es den vertraglichen Anlagefonds (offene kollektive Kapitalanlage), bei dem das Rechtsverhältnis zwischen den Anlegern und der Fondsleitung sowie der Depotbank im Kollektivanlagevertrag geregelt ist.
Dann gibt es die Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV, offene kollektive Kapitalanlage). Das Eigenkapital dieser Gesellschaft ist nicht im Voraus bestimmt. Der Anleger hat jederzeit das Recht, seine Einlage bar ausbezahlt zurückzufordern (einseitiges, rechtsaufhebendes Gestaltungselement). Der Zweck der SICAV ist ausschliesslich auf die Verwaltung des eigenen Vermögens beschränkt. Sie ist demzufolge ein Fondsprodukt in Gesellschaftsform. Die SICAV muss eine bewilligte Depotbank mit der Ausübung der Depotbankfunktion beauftragen. Sie kann die Administration entweder selbst ausüben oder an eine bewilligte Fondsleitung delegieren.
Eine weitere Gesellschaftsform ist die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KGK, geschlossene kollektive Kapitalanlage). Dieses Anlagevehikel ist mit der angelsächsischen LP vergleichbar und beruht auf einem Gesellschaftsvertrag. Die eigentlichen Promotoren hinter den Fonds sind meist natürliche Personen, die sog. geschäftsführenden Personen. Sie sind Spezialisten und haben im Private Equity und Hedge Funds Geschäft den Fonds gegründet. Die geschäftsführenden Personen haben verschiedene Möglichkeiten, sich an der KGK zu beteiligen. In der Regel sind sie als geschäftsführende Personen beim Komplementär oder der Managementgesellschaft angestellt. Die geschäftsführenden Personen entscheiden über die Strukturierung und das Domizil des Fonds.
Die Investmentgesellschaft mit festem Kapital (SICAF, geschlossene kollektive Kapitalanlage) ist eine Gesellschaft mit dem ausschliesslichen Zweck der kollektiven Kapitalanlage. Diese Gesellschaft beruht auf den Statuten und dem Anlagereglement .
Wie ist die Einordnung der KAG Gesellschaftsformen im Steuerrecht?
Hinsichtlich der direkten Steuern werden kollektive Kapitalanlagen grundsätzlich transparent behandelt, unabhängig davon, ob es sich um eine juristische Person (SICAV), eine Personengesellschaft (KGK) oder um einen vertraglichen Anlagefonds handelt.
Der vertragliche Anlagefonds, die SICAV sowie die KGK sind keine Steuersubjekte für die Einkommens-, Gewinn- und Kapitalsteuern, solange sie keinen direkten Grundbesitz halten. Vielmehr werden das Einkommen sowie das Vermögen von diesen kollektiven Kapitalanlagen den Anlegern anteilig zugerechnet.
Die SICAF wird hingegen als Kapitalgesellschaft behandelt und qualifiziert als eigenes Steuersubjekt. Für sie gelten die Bestimmungen über Kapitalgesellschaften wie auch das Prinzip der Massgeblichkeit der Handelsbilanz. Für Ausschüttungen aus einer SICAF können die Teilhaber eine Teilbesteuerung geltend machen, falls sie eine entsprechende Quote halten. Auch Anleger in Form einer juristischen Person können bei Erfüllung der Bestimmungen den Beteiligungsabzug geltend machen.
Besten Dank Herr Linggi für das interessante Interview.
Lesen Sie hier das erste Interview mit Herrn Linggi zum Fonds- und Vermögensstandort Schweiz.
Lesen Sie hier das dritte Interview mit Daniel Linggi zu Ausländischen kollektiven Kapitalanlagen.
Lesen Sie hier das vierte Interview mit Daniel Linggi zur Besteuerung von Gesellschaftern einer US-LP/LLC.
Lesen Sie hier das fünfte Interview mit Daniel Linggi zu Ausscheidungsfragen USA / Schweiz.
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Weiterführende Literaturhinweise:
KÜHNE ARMIN, Recht der kollektiven Kapitalanlagen in der Praxis, unter Berücksichtigung von Anlagestiftungen und strukturierenden Produkten, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2015
ELSER THOMAS, Ausländische Private Equity Fonds – Steuerliche Aspekte aus Sicht des deutschen Anlegers, in: WASSERMEYER FRANZ/RICHTER STEFAN/SCHNITTKER HELDER (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Auflage, Köln 2015
HESS TONI, Steuern kollektiver Kapitalanlagen, Die Besteuerung kollektiver Kapitalanlagen und deren Anleger, Basel 2015
DUSS MARCO/VON AH JULIA, Zur Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, von der Bauchlage «ad acta»?, Der Schweizer Treuhänder 1-2 (2008) 88 ff.
OESTERHELT STEFAN/WINZAP MAURUS, Besteuerung kollektiver Kapitalanalgen und ihrer Anleger, IFF Forum für Steuerrecht (FStR) 2008, 266 ff. (1. Teil) FStR 2009, 26 ff. (2. Teil), FStR 2009, 117 ff. (3. Teil)
KAPALLE URS, Die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KGK), IFF Forum für Steuerrecht (FStR) 2007, 122 ff.
SPILLMANN JEAN-CLAUDE, Die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, Gesellschaftsrecht, Regulierung und Steuerrecht, St. Gallen 2016
KAPALLE/TAROLLI SCHMIDT, StR 9 (2009) 634 KAPALLE URS/TAROLLI SCHMIDT NADIA , Neues Kreisschreiben zu den kollektiven Kapitalanlagen – Eine Bewertung aus Sicht der Praxis, Steuer Revue (StR) 3 (2009) 338 f. (1. Teil), StR 9 (2009), 633 f. (2. Teil), StR 11 (2009), 790 ff. (3. Teil)