Was den Dialog fruchtbar macht
Irene Willi Kägi
Mitarbeitende klagen über unproduktive Sitzungen und Gespräche mit Vorgesetzten. Eltern und Kinder reden aneinander vorbei. Regierungsvertreter verschiedener Länder finden keine gemeinsamen Lösungen für aktuell brennende Themen wie Migration und Klimawandel. Der Dialog ist in unserem täglichen Leben trotz zunehmender digitaler Kommunikation omnipräsent – und hat signifikante Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Welche Rahmenbedingungen braucht es, um fruchtbar und zielführend miteinander zu reden? Wir haben mit Andreas Ritter, Absolvent des BSc FH in Wirtschaftspsychologie an der Kalaidos Fachhochschule, gesprochen. Er hat im Rahmen seiner Abschlussarbeit ein eigenes Dialog-Modell entwickelt.
Andreas Ritter, was hat Sie bewogen, die „Psychologie des Dialogs“ zum Thema Ihrer Bachelorarbeit zu machen?
Die Psychologie wie auch die Kommunikation hat mich schon immer fasziniert. Mein Ziel ist bei dieser Arbeit gewesen, den Zusammenhang zwischen unseren Denk- und Bewertungsmustern und unserer Kommunikation besser zu verstehen und zu erforschen, welche Faktoren für ein gutes Gespräch bzw. guten Dialog ausschlaggebend sind.
Welchen Stellenwert nimmt der Dialog in der heutigen Zeit ein?
Die Kommunikation wird in einer sich schnell verändernden Zeit immer mehr zur Schlüsselkompetenz. Sie ist in einem von der Digitalisierung und verschiedenen Kulturen und Denkhaltungen geprägten globalisierten Alltag der zentrale „Klebstoff“, um gemeinsames Verständnis zu schaffen. Der Dialog als eher erforschende Form ermöglicht dabei das Erkunden und wirkliche Verstehen von verschiedenen Perspektiven. Diese Offenheit ist gerade bei komplexeren Fragestellungen entscheidend, um eine Situation möglichst vollumfänglich zu erfassen und sinnvolle Lösungen zu erzielen.
Welche Rahmenbedingungen braucht es für einen fruchtbaren Dialog?
Für einen fruchtbaren Dialog wird ein Mix verschiedenster Kompetenzen benötigt. Dabei ist zuerst eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst, der eigenen Wahrnehmung ebenso wie den eigenen Denkmustern und Verhaltensweisen zentral. Der Wille zur Selbstreflektion, eine offene Haltung für die Begegnung und der Wunsch, permanent etwas dazulernen zu wollen sind für eine ausgeprägte Dialogfähigkeit unabdingbar. Ebenso wichtig ist eine offene Gesprächskultur, welche einen bereichernden Dialog erst ermöglicht. Der Dialog ist somit neben der Gesprächsform auch eine Haltung oder gar Lebenseinstellung. Er lässt sich in der Konsequenz nicht auf einige Gesprächstechniken reduzieren
Sie haben ein eigenes Modell für den fruchtbaren Dialog entwickelt. Können Sie genauer erläutern, was damit gemeint ist und welche Vorteile damit verbunden sind?
Das Modell vereint zwei Perspektiven: jene der Haltung und Einstellung (Wollen und Dürfen) und der Kommunikationskompetenz (Wissen und Können). Es braucht die Kombination von beiden für den Dialog. Wissen heisst, die grundlegende Kommunikationstheorie sowie Trends und Entwicklungen in der Kommunikation zu kennen, das Können entspricht dem Anwenden von Techniken und Instrumenten in der Praxis, um die Handlungsflexibilität zu erhöhen. Das Wollen beinhaltet den Willen zu konstantem Lernen, um die eigene Kompetenz kontinuierlich zu erweitern. Schliesslich braucht es auch das Dürfen, sprich die Ermutigung zu einer offenen Haltung und die bewusste Förderung einer Dialogkultur. Das Modell soll den Rahmen der relevanten Themen abstecken und die einzelnen Kriterien können als eine Checkliste dienen.
Die Vorteile des Dialogs gerade in der Arbeitswelt sind klar – die Arbeitshaltung verbessert sich, da mehr Kooperation entsteht, was zu mehr persönlicher Initiative und Führung führt. Respektvoller Umgang führt zu besseren Beziehungen und mehr Vertrauen, was sich wiederum positiv auf die Motivation und die Leistung auswirkt.
Rahmenbedingungen für einen fruchtbaren Dialog (Grafik: Andreas Ritter)
In den heutigen Organisationen scheint die Dialogkultur noch nicht sehr etabliert zu sein. Warum ist das so?
Ein möglicher Erklärungsansatz dafür ist, dass die Einführung einer derartigen Dialogkultur Konsequenzen für die Hierarchie und das Machtgefüge in einer Organisation hat. Zudem stellt die Einführung neue Anforderungen an Kritikfähigkeit, Prozesse der Entscheidungsfindung sowie Schulung der Beteiligten dar. In kleineren, agilen Organisationen mit flachen Hierarchien dürfte die Dialogkultur somit auf fruchtbareren Boden stossen als in starren und hierarchischen.
Was raten Sie Organisationen, die eine Dialogkultur implementieren möchten?
Wenn man neue Regeln implementieren will, muss man sie in der Praxis anwenden, bis sie zu neuen Handlungsmustern führen. Personen, welche sich täglich mit dem Thema befassen, wie Führungskräfte und Human Resources Manager, bietet sich dabei an, eine „Botschafterrolle“ einzunehmen und den Dialog selbst intensiver vorzuleben. Um eine Dialogkultur nachhaltig zu implementieren, braucht es jedoch auch ein strategisches Vorgehen, Projektstrukturen und ein Kommunikationskonzept.
Worauf müssen Organisationen dabei besonders achten?
Eine grosse Herausforderung ist das Thema Kosten/Nutzen. Kommunikation selbst generiert keine Erträge. Es lässt sich zudem schwer nachweisen, dass ein Dialog kausal für ein bestimmtes Erfolgserlebnis verantwortlich ist. Das Aufstellen von sinnvollen Kennzahlen, um den Dialog messen und seinen Erfolg ausweisen zu können, dürfte schwierig sein. Man kann hier mit Umfragen und Befragungen agieren, die Antworten sind jedoch natürlich subjektiver Art.
Für die Unternehmen dürfte sich der Aufwand zur Förderung des Dialogs jedoch trotzdem lohnen, weil er eine Kultur fördert, bei welcher die Mitarbeitenden motiviert werden, ihr Wissen und ihre Ansichten aktiv einzubringen und sich auszutauschen. Dies kommt schliesslich dem Unternehmen zu Gute.
Herr Ritter, vielen Dank für das Gespräch.
Andreas Ritter, Absolvent BSc FH in Wirtschaftspsychologie, Kalaidos Fachhochschule