Podiumsdiskussion Podiumsdiskussion
Von links nach rechts: Julian Deb (Moderator und ehemaliger Präsident der Alumni Kalaidos FH), die Experten Thomas Fahrni, Leiter Unternehmer-Ausbildung bei Gastro Suisse und Emmerich Stoffel, Head of Learning Ecosystem bei Swisscom sowie Host Stefan Rupp (Leiter des Instituts für Management und Digitalisierung). (Bild: Kalaidos FH)

Lebenslanges Lernen und Weiterbildung sind nicht nur für die persönliche und berufliche Entwicklung von grosser Bedeutung, sondern auch für die Wirtschaft. So bot die Kalaidos Fachhochschule am "Tag der Weiterbildung 2023" sowohl Lerninteressierten als auch Vertreter:innen von Unternehmen die Möglichkeit, sich über die Vielfalt der Bildungswege und aktuelle Trends in der schweizerischen Bildungslandschaft zu informieren. Input-Referate wechselten sich ab mit Beratungen zu persönlichen Weiterbildungen und unternehmensspezifischen Studiengängen. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema «Wert von Weiterbildung aus Sicht von Unternehmen» mit Emmerich Stoffel, Head of Learning Ecosystem bei Swisscom und Thomas Fahrni, Leiter Unternehmer-Ausbildung bei Gastro Suisse. Die beiden Experten offenbarten in einem spannenden Austausch, wie sie die aktuelle Bildungslage in ihrer Branche beurteilen und welche Herausforderungen sie zu meistern haben.

«Es gibt ein breites Bildungsangebot, das noch mehr genutzt werden könnte.»

Fahrni: In der Gastro-Branche gibt es ein breites Angebot an Weiterbildungen. Dieses wird aktuell jedoch von weniger als fünf Prozent genutzt. Vor kurzem sah dies noch ganz anders aus. Weil in Zeiten von Corona niemand mehr arbeiten durfte, explodierte damals die Nachfrage nach Weiterbildungen. So mussten wir in einem Bereich 700 E-Learning-Module auf mehr als 2000 aufstocken. Die Vorbereitungslehrgänge auf die Berufsprüfung und Höhere Fachprüfung mussten mehrfach geführt werden.

Stoffel: Die Swisscom hat viele Kooperationen mit Universitäten und Fachhochschulen im Bildungsbereich. Die Anpassungsfähigkeit der Bildungsanbieter:innen sowie flexible Arbeitszeitmodelle wie Teilzeitarbeit im Jobsharing, zusätzliche Ferientage oder eine temporäre Reduktion des Arbeitspensums erleichtern es, eine Weiterbildung zu machen. Der Anteil an Arbeitnehmenden, die sich in Weiterbildung befinden, bewegt sich bei der Swisscom aktuell auch bis zu fünf Prozent. Dies entspricht jährlich 700 bis 1000 Mitarbeitenden, was wir als «normal» betrachten. Allerdings entscheiden sich manche Arbeitnehmende für einen Stellenwechsel statt einer Weiterbildung, weil Berufserfahrung in unserer Branche genauso viel Wert hat.

«Nicht nur der Fachkräftemangel, sondern auch der Arbeitskräftemangel fordert uns heraus.»

Fahrni: Im Gastrobereich sind wir nicht unbedingt vom Fachkräftemangel, sondern vielmehr vom Arbeitskräftemangel betroffen. Wir haben genügend Personen mit einer eidgenössisch anerkannten Ausbildung. Es fehlt uns an Menschen, die in unserer Branche arbeiten wollen. Hierbei spielen die Arbeitsbedingungen eine grosse Rolle. Die Antwort auf die Frage, wie viele gelernte Fachleute unsere Branche wirklich braucht, lautet: je länger desto weniger. Viele können sich Kompetenzen nämlich «on the job» aneignen. Weiterbildung muss klein, schnell und individualisiert sein, damit der Arbeitskräftemangel eingedämmt werden kann. Weil ein grosser Anteil der Branche weniger bildungsaffin ist, sprechen wir heute leider nicht nur vom «Beizensterben», sondern vor allem vom «Beizersterben». Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, hat unser Verband beispielsweise ein Kursangebot mit Leadership-Themen geschaffen. Dieses besteht aus einem Trainings- und Coaching-Konzept zur Förderung der Führungskompetenz von Vorgesetzten-Persönlichkeiten in gastgewerblichen Unternehmen.

Stoffel: Sowohl der Fachkräftemangel als auch der Arbeitskräftemangel betreffen uns stark. Bei der Swisscom gibt es eine Vielzahl von Geschäftsbereichen wie Detailhandel, Medien, ICT und Telekommunikation. Diese bedürfen verschiedenster Job-Profile. Während an gewissen Stellen Personal aufgebaut wird, zwingen der Kostendruck und Strukturwandel uns zum Abbau an anderen Stellen. Während früher beispielsweise im Auskunftsdienst 400 bis 500 Mitarbeitende beschäftigt waren, besteht das Team heute aus acht Personen. Ungefähr ein Drittel der vom Stellenabbau Betroffenen können aber umgeschult und anderweitig eingesetzt werden. Swisscom hat in vielen Bereichen ein Qualifizierungsbedarf, den eine externe Bildungsinstitution gar nicht leisten kann. Deshalb muss auch bei uns die Weiterbildung klein, schnell und individualisiert sein. Interessanterweise werden On Demand Trainings auf LinkedIn oder YouTube oft gar nicht als Lernen wahrgenommen. Das heisst, es findet vielerorts eine unbewusste Kompetenzaneignung statt.

«Vielfach sind Arbeitgebende Treiber für Weiterbildung.»

Stoffel: Oft sind wir als Arbeitgebende Treiber von Weiterbildungen. Beispielsweise müssen bei Produktelancierungen alle Sales-Mitarbeitenden eine ca. zwölfminütige E-Learning-Schulung absolvieren. Diese wird in der Regel von den Mitarbeitenden nicht verlangt und von ihnen auch nicht als Massnahme zur persönlichen Weiterentwicklung, sondern eher als Belastung betrachtet. Auf Seite der Mitarbeitenden besteht vor allem im ICT-Bereich ein Bedürfnis nach einem soliden Lehrgang mit Zertifikat. Viele haben nämlich mehrere Ausbildungen und Arbeitserfahrungen gemacht, haben aber keinen richtigen Abschluss. So unterstützen wir sowohl Weiterbildungen mit CAS- oder MAS-Abschluss.

Fahrni: In der Regel sind Weiterbildungen auch in unserer Branche von Arbeitgebenden getrieben. Neben dem Angebot an kleineren Weiterbildungen kommt es aber auch vor, dass Arbeitgebende sich an externen und zertifizierten Lehrgängen beteiligen.

«Es gibt einen Trend zu On Demand und Just in Time Trainings sowie Micro Credentials und Badges.»

Stoffel: Bei Swisscom finden Weiterbildungen vorwiegend auf zwei Ebenen statt: «on the job» und «off the job»: Bei einem Wechsel in ein anliegendes Job-Profil eignen sich interne Stages oder Projekteinsätze. Wenn jemand von einer Stelle im Marketing in einen völlig anderen Bereich wechselt, braucht es eher einen längeren Lehrgang mit CAS- oder MAS-Abschluss an einem externen Bildungsinstitut. Im Cyber-Security-Bereich kommen beide Lern-Ebenen vor: kleine interne Schulungen und grosse externe zertifizierte Weiterbildungen. Allerdings beobachten wir einen Trend zu On Demand bzw. Just in Time Trainings: Die Mitarbeitenden holen sich das, was sie im Moment für die Ausübung ihrer Tätigkeit gerade brauchen. Dafür erhalten sie anerkannte digitale Teilnehmerzertifikate, sogenannte Micro Credentials oder Badges. Diese lassen sich in Karrierenetzwerken wie LinkedIn und Xing einbinden und machen sie für Recruiter:innen sichtbar. Vor allem geringer Qualifizierte oder Personen ohne Berufsabschluss können so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

Fahrni:
Unsere Branche tendiert zu spezialisierten, flexiblen und kleinen Weiterbildungseinheiten. Auf der einen Seite bietet unser Verband beispielsweise vertiefende Kenntnisse zur Gastronomie in einer Reihe von Podiumsdiskussionen oder Seminaren an. Lernen funktioniert bei uns oft über die Haptik und den Genuss. Auf der anderen Seite kaufen vor allem grössere Gastroanbietende kleinere digitale Weiterbildungseinheiten, sogenannte Learning Nuggets, ein. Ein Buchhaltungs-Schnellkurs in zwei Tagen anzubieten, macht allerdings keinen Sinn. Dagegen können Briefings oder Debriefings vor oder nach dem Service sehr effizient sein.

«Unstrukturiertes, von Mitarbeitenden getriebenes Lernen bringt Mehrwert.»

Stoffel: Bei der Swisscom gibt es Plattformen für unstrukturiertes Lernen. Sogenannte Meet-Ups dienen bei uns vor allem dem Transfer und der Reflektion des strukturell angeeigneten Wissens. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, solche Plattformen zu inszenieren.

Fahrni: Ganz klar: Es braucht – losgelöst von der Branche – beides: sowohl angeordnetes strukturiertes als auch informelles unstrukturiertes Lernen. Meet-Ups in Form von spontanem Wissensaustausch können sehr effektiv sein und dienen auch dem Networking. Diese Art von Lernen wird vor allem von der Neugier der Mitarbeitenden getrieben und bringt einen echten Mehrwert.

Autor/in
Irene-Willi

Irene Willi Kägi

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