Transparentes Sparschwein mit Münzen Transparentes Sparschwein mit Münzen
Die absolute Lohntransparenz klingt erstrebenswert ist aber tatsächlich nicht immer von Vorteil. (Symbolbild)

Im ersten Teil dieses zweiteiligen Blogbeitrags wurden die verschiedenen Arten von Lohntransparenz vorgestellt sowie die summarische Lohntransparenz beleuchtet - inklusive eines ausführlichen Abstechers in die Thematik der Lohntransparenz in Stelleninseraten. Im folgenden Beitrag soll das Augenmerk auf die Systemtransparenz und die individuelle Lohntransparenz gelegt werden und wie sich diese auf die Fairnesswahrnehmung von Mitarbeitenden auswirken.

Individuelle Lohntransparenz: «It’s complicated.»

Zunehmend stellen sich Unternehmen die Frage, ob sie die individuellen Löhne ihrer Mitarbeitenden offenlegen sollen, um die Fairness zu erhöhen. Die Antwort hierzu ist kompliziert. Logischerweise sinkt die empfundene Fairnesswahrnehmung, wenn Peers in vergleichbaren Funktionen markant unterschiedlich viel verdienen. Interessanterweise trifft dies sowohl auf jene Mitarbeitende zu, die weniger verdienen als auch auf jene, die mehr verdienen. Bei den ersteren kann dies zudem auch zu Neid führen. Aber auch wer erfährt, dass er mehr verdient als den Referenzlohn, fühlt sich demnach keineswegs zufriedener als zuvor. Hinzu kommt, dass sich viele Mitarbeitende gerne mit «den Besten» vergleichen und die eigene Leistung als überdurchschnittlich einstufen. Dies führt tendenziell dazu, dass man sich sowieso eher unterbezahlt fühlt. Für Organisationen bedeutet dies einen deutlich höheren Rechtfertigungsaufwand. Absolute Lohntransparenz muss also durch ausführliche Erklärungen begleitet werden und sollte entsprechend auf ein System gestützt sein, das nachvollziehbar ist.

Interessant ist auch: Individuelle Lohntransparenz ist nicht jedermanns Sache. Hierzu gibt es verschiedene Beispiele von Lohnoffenlegungen, die zeigen, dass gewisse Mitarbeitende die Löhne ihrer Kollegen und Kolleginnen einsehen möchten, andere aber nicht.

Dennoch existieren verschiedene Praxisbeispiele, vor allem in kleineren Unternehmen mit tiefer Lohndisparität, welche mit der individuellen Lohntransparenz gut fahren. Es fördert die Loyalität, das Mitdenken der Mitarbeitenden und führt automatisch zu einer Selbstselektion von Mitarbeitenden, welche diese offene Unternehmenskultur schätzen.

Individuelle Lohntransparenz kann also als unfair wahrgenommen werden, dennoch zahlt sie in jedem Fall auf die Lohngleichheit ein, was also objektiv gesehen zu mehr Fairness führen sollte.

Systemtransparenz – essentiell, aber aufwändig

Im Vergleich zur individuellen Lohntransparenz sind die Erkenntnisse zur Systemtransparenz eindeutig: Werden die Löhne nach klaren, nachvollziehbaren und transparenten Kriterien bestimmt, erhöht dies die subjektive Fairnesswahrnehmung der Mitarbeitenden und fördert zugleich die Lohgleichheit. Das klingt einfach, aber wer sich mit Lohnsystemen auseinandersetzt, weiss wie aufwändig die Umsetzung hierzu ist.

In der Regel befindet man sich ja nicht auf der grünen Wiese. Selbst wo bereits eine Einordnungslogik besteht (z.B. Lohnbänder), «wuchern» individuelle Löhne sehr schnell, da ein System eben in der Regel nicht so rasch der dynamischen Marktgegebenheit angepasst werden kann. Oft gibt es bereits nach kurzer Zeit Ausreisser nach oben (insbesondere bei den neuen Mitarbeitenden). Passt man nun das System den neuen Gegebenheiten an, wird das schnell mal sehr teuer. Ziel ist es also, ein Vergütungsmodell zu konstruieren, das konsequent angewandt werden kann, aber auch zur Unternehmenskultur passt. In Bezug auf die Kultur ist die Methode vor allem auch entscheidend: Während für die einen ein Einheitslohn passt (vor allem in Organisationen mit relativ homogenen Funktionen), können die anderen die Löhne selbst bestimmen. Für eher grössere Unternehmen bieten sich Lohnbänder oder sogar umfangreiche Funktionseinstufungsmodelle an. Daraus ergibt sich logischerweise, dass ab einer bestimmten Komplexität die Lohntransparenz kaum noch ermöglicht werden kann – dies betrifft vor allem komplizierte Bonussysteme mit vielen Abhängigkeitsvariablen oder diskretionärer Belohnung von individueller Leistung.

Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit als Orientierung

Während sich die Methode an der Kultur ausrichten soll, kennt man aus der Fairnessforschung universell geltende Kriterien, die zur Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit herangezogen werden können – beispielsweise in Bezug auf das Vergütungssystem:

  • Konsistenz: Der Prozess beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungsregeln, die für alle Personen und zu allen Zeitpunkten konsistent angewendet werden. (Bsp.: Gleichbehandlung von neuen und bestehenden Mitarbeitenden bei der Lohnfestlegung)
  • Neutralität: Persönliches Eigeninteresse und Voreingenommenheit dürfen keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben. (Bsp.: Lohnerhöhungen sind nicht abhängig vom «Goodwill» von Vorgesetzten.)
  • Genauigkeit: Es muss sichergestellt werden, dass korrekte und genaue Informationen aus unterschiedlichen validen Quellen für die Entscheidung beigezogen werden (Bsp.: Daten werden aus internen Kontrollsystemen und Datenbanken aber auch Marktdaten für die Lohnbestimmung beigezogen.)
  • Revidierbarkeit: Fehlerhafte und unangemessene Entscheidungen sollen über einen institutionalisierten Prozess angefochten und ggf. korrigiert werden können. (Bsp.: HR dient als übergeordnete Instanz bzgl. Lohnentscheiden.)
  • Ethik: Der Prozess beruht auf ethischen Werten, die einem gemeinsamen moralischen Kodex entspringen, an deren Richtlinien sich die Mitglieder einer Organisation zu halten haben. (Bsp.: Code of Conduct)
  • Repräsentativität: Der Prozess muss so gestaltet sein, dass die Bedürfnisse und Ansichten aller von der Entscheidung betroffenen Parteien berücksichtigt werden (Bsp.: Bei der Ausgestaltung des Vergütungssystems werden die Mitarbeitenden mit einbezogen.)

Partizipation im Vergütungssystem

Dieser letztgenannte Aspekt ist im Kontext Lohn in der Praxis eher neu. Dass Mitarbeitende Einfluss bei der Erarbeitung des Lohnsystems haben, trifft man praktisch nirgends an – denn auch in den meisten «New-Pay»-orientierten Organisationen wird die Methode der Lohnbestimmung in der Regel vorgegeben. Hier scheint noch viel Potenzial brach zu liegen. Denn ein partizipativ entwickeltes Vergütungssystem ist nicht nur transparent und nachhaltiger, weil tragfähiger. Es ist auch fairer, vertrauensbildend sowie nachweislich leistungssteigernd, da dadurch das Mitarbeiterengagement gefördert wird. Und nicht zuletzt bietet es auf dem hart umkämpften Arbeitnehmermarkt ein klares Alleinstellungsmerkmal.

Fazit

Systemtransparenz ist also ganz klar fairer als individuelle Lohntransparenz – bzw. ist sie die Voraussetzung, dass auch die Offenlegung von individuellen Löhnen von den Mitarbeitenden als fair wahrgenommen werden kann. Da die Erstellung und Bewahrung eines konsistenten Vergütungssystems aber aufwendig sind, lohnt es sich hierbei die Kriterien der Verfahrensgerechtigkeit zu berücksichtigen und die Mitarbeitenden einzubeziehen. Lasst uns diese Chance nutzen!

Quellen und weiterführende Informationen

Arnold, A. (2019). Lohntransparenz. Über Chancen und Risiken. In: PersonalSchweiz, April 2019, S.15-16.

Brunner, D. (2017). Lohntransparenz. Bröckelndes Tabu. In: PersonalSchweiz, Feb 2017, S. 16-17.

Cropanzano, R., Bowen, D. E., & Gilliland, S. W. (2007). The management of organizational justice. Academy of management perspectives, 21(4), S. 34-48.

Feierabend, A., Rutishauser, L. (2022). New Pay. Wie sehen zukunftsfähige Vergütungsmodelle aus. In: PersonalSchweiz, Dez 22/Jan 23, S. 28-30.

Autor/in
Monika Rohrer

Monika Rohrer

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