Jérôme Gilg, CEO der Manor AG, im Interview über Leadership Über Erwartungsdruck, Influencer und Empathie
Sherin Keller
Die Manor AG führt in Zusammenarbeit mit der Kalaidos FH seit Jahren ein firmenspezifisches Führungskräfteentwicklungsprogamm mit einem zertifizierten Abschluss (CAS) durch. Denn das Management ist überzeugt, dass gute Führungsleistung ein wesentlicher Faktor für den Unternehmenserfolg darstellt. Wie führt der CEO von Manor denn selber? Wir haben bei Jérôme Gilg nachgefragt.
Jérôme, deine erste Managementfunktion hattest du mit 26 Jahren. Wie erarbeitet man sich Akzeptanz und Respekt von weit erfahreneren Mitarbeitenden?
Wenn man Menschen mit Respekt begegnet, wird er meistens auch erwidert. Die Erfahrung von älteren Mitarbeitenden empfand ich als Chance für meine Entwicklung und jene des Unternehmens. Ich habe mich ehrlich für die Mitarbeitenden und ihre Aufgaben interessiert, ich habe zugehört. Und zwischendurch ging's immer wieder mal halbtageweise an die Front zum Mitarbeiten, um die Herausforderungen im Tagesgeschäft noch besser zu verstehen.
Übrigens gilt das heute noch, auch wenn ich mittlerweile über dem Altersdurchschnitt unserer Mitarbeitenden liege. Zuhören, verstehen, sich für den Menschen und seine Tätigkeit interessieren… all dies prägt auch heute noch meinen Führungsstil.
Ein CEO muss mit hohem Erwartungsdruck von allen Seiten umgehen können. Wie gelingt dir das?
Indem wir priorisieren, fokussieren und transparent kommunizieren. Und uns klare Teilziele setzen, diese konsequent umsetzen – ausgerichtet auf unsere Kundinnen und Kunden. Das nimmt schon mal einigen Druck raus. Interessenskonflikte zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen kann es geben, aber ich empfinde sie nicht als unüberwindbar. Es gibt immer einen Weg, manchmal auch in Form eines Kompromisses.
Stehst du 24/7 unter Strom?
Nein. Ich bin mir meiner Verantwortung 24/7 bewusst, aber ich habe Vertrauen in mein Team, in meine Organisation, und es geht auch mal ohne mich. Dieses Vertrauen ermöglicht eine gewisse Gelassenheit in den Momenten, wo ich einfach mal off bin. Dann tanke ich Energie bei meiner Familie oder beim Sport – die wichtigsten zwei Pfeiler meiner inneren Balance. Es war ein Lernprozess, aber mittlerweile komme ich relativ einfach in den Off-Modus. Um danach voller Energie wieder auf On zu schalten.
Machen wir ein kleines Spiel. Wir nennen dir Begriffe zu Management & Leadership, und du sagst uns in ein bis zwei Sätzen, was dir als Erstes dazu einfällt.
Diversity & Inclusion
Vielfalt in Unternehmen: Enrichment pur!
Gen Z
Eine wichtige Zielgruppe, die digital fit, dynamisch und mobil ist und sich für Trends und Innovationen interessiert. Wir werden sie mit immer spannenderen Sortimenten in Beauty & Fashion sowohl online als auch stationär begeistern.
Agile Organisation
Leichter gesagt als getan, aber wir arbeiten daran.
Metaverse
Man muss dranbleiben, dessen Opportunitäten versuchen zu verstehen, aber ohne Eile. Bei diesem Thema müssen wir nicht First Mover sein. Während unseres diesjährigen 120-jährigen Geburtstages überraschen wir unsere Kundschaft das erste Mal mit NFTs – es bleibt also spannend!
Influencer
Immer wichtiger, immer schneller, immer mehr Trendsetter.
Frauenquote
Braucht es nicht, aber was es braucht, sind klare Ziele und Massnahmen, um den Frauenanteil im Kader zu erhöhen.
Digital Leadership, Shared Leadership, Agile Leadership… wie sehr beschäftigst du dich mit neusten Trends der Managementliteratur?
Theorien und Trends interessieren mich nicht so sehr. Was mich interessiert, ist Leadership in der Praxis. Ich tausche mich oft mit anderen Unternehmensleiter/innen aus und finde es spannend, wie sie Herausforderungen meistern, das Unternehmen organisieren und führen. Ich beobachte und lasse mich inspirieren von Führungsverhalten, das funktioniert. Übrigens nicht nur von Peers, sondern auch innerhalb meines eigenen Managementteams.
Meinen Führungsstil würde ich als sehr partizipativ beschreiben. Es ist meine intuitive Art zu führen.
Welche Führungsprinzipien sind dir nebst Partizipation wichtig?
Vorbild sein, regelmässig und transparent kommunizieren und nahe bei den Mitarbeitenden sein. Auch das Entscheidungsverhalten finde ich spannend zu beobachten, an anderen Führungskräften und an mir selber. Ich entscheide gerne und stehe auch für Entscheide ein, die nicht von allen gleichermassen goutiert werden – aber ich hole die Interessensgruppen zuerst ins Boot. Dennoch kann ein CEO nicht immer demokratisch entscheiden.
Wenn du einen Studiengang für Führungskräfte konzipieren könntest – welcher Bestandteil wäre dir ganz wichtig?
Der Mensch. Führen heisst, Menschen verstehen. Führen heisst, Konflikte auf eine positive Art lösen. Führen heisst, sich in Menschen hineinversetzen und Verständnis entgegenbringen, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Führen heisst, Menschen mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Fähigkeiten wertschätzen. Ein interaktiver Erfahrungsaustausch zwischen Führungskräften jeden Alters fände ich wichtig in einem solchen Studiengang.
Kann jeder ein guter Leader sein?
Eher nicht. Man kann vieles üben, an sich selber arbeiten, Neues lernen… aber wenn einer Person die Empathie fehlt, ist es schwierig, ein guter Leader zu sein.