Mann verbirgt sich hinter Notebook mit Help-Schild Mann verbirgt sich hinter Notebook mit Help-Schild
Viele Arbeitnehmende sind frustriert und erschöpft. Warum handeln Unternehmen nicht? (Symbolbild)

Fast zwei Jahre war ich aufgrund meiner Long-Covid-Erkrankung dazu gezwungen, meine Füsse still zu halten und vorwiegend als Beobachterin an der Arbeitswelt teilzuhaben. Lassen Sie sich gesagt sein: Alles in allem hat diese unfreiwillige Rolle als Zuschauerin aus der Ferne, nebst allem Belastenden, dennoch sehr viele konstruktive und entwicklungsorientierte Elemente. Horizonterweiterung, umfangreiches Vernetzen von Beobachtetem, aber auch kritisches Hinterfragen und grosse Fragezeichen sind die Wertschöpfung aus dieser Zeit. Von einem meiner grössten entstandenen Fragezeichen will ich in diesem Blogbeitrag berichten.

Was Arbeitnehmende brauchen, ist wohlbekannt.

Sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wie oft ich während meiner Auszeit in Beiträgen auf LinkedIn usw. Killerphrasen wie z.B. «Dies ist nichts Neues.» in den Kommentaren gelesen habe. Auffallend ist, dass dies häufig in Beiträgen zu den Themen Führung, Bildung und der Transformation der Geschäftsmodelle, also den grossen Herausforderungen unserer Zeit, gemacht wird.

Natürlich ist es nicht neu, wenn auch ich sage, dass wir in unserer disruptiven Zeit zusammenstehen, konstruktive Umgangsformen untereinander pflegen und deshalb schwergewichtig die Sozial-, Konflikt-, Kommunikationskompetenzen und die konstruktive Unternehmenskultur fördern müssen, wenn Mitarbeitende und Unternehmen weiterhin marktfähig bleiben wollen. Doch frage ich mich, wie es sein kann, dass, sofern wirklich bekannt ist, was die Menschen brauchen, um leistungsfähig und gesund zu bleiben, so unfassbar viele Mitarbeitende aufgrund von Stressbelastungen innerlich kündigen (nicht zu verwechseln mit «Quiet Quittung», was bedeutet, dass man gerne, aber nicht über den vertraglich vereinbarten Job-Rahmen hinaus arbeitet), ja sogar oft krankheitsbedingt für lange Zeit aus dem Arbeitsprozess herausfallen. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?

Wäre es nicht erfrischend, wenn das offensichtlich vorliegende Wissen von der theoretischen Ebene in die Handlungsebene einfliessen und somit in der Praxis Einzug halten würde? Dazu bedarf es aktuell nicht noch weiterer neuer Tools und Bildungsmethoden. Was es braucht, sind neue Herangehensweisen an das, was bekanntlich für die Menschen unterstützend und im jeweiligen Kontext zielführend ist. Denn wenn eine so grosse Anzahl, ja man darf schon sagen eine Masse von Menschen unter den gleichen Belastungen leiden, ist es definitiv ein Warnzeichen. Die bislang angewendeten Vorgehensweisen funktionieren meist nicht mehr! Umgestaltung ist also lebenswichtig. Sowohl für die Unternehmen als auch für die Mitarbeitenden und nicht zuletzt für die gesamte Gesellschaft.

Dass Arbeitnehmende und Unternehmen leiden, ist ausreichend belegt.

Inzwischen offenbaren viele Studien, wie gross der Handlungsbedarf für Unternehmen ist. So zeigt die aktuelle Gallup-Studie von 2022 auf, dass drei Viertel der befragten Mitarbeitenden vollkommen frustriert und erschöpft sind. Die Gründe dafür sind:

  • Permanent hoher Leistungsdruck
  • Schlechte Behandlung und Mangel an Wertschätzung durch Vorgesetzte und Kolleg:innen
  • Grüppchenbildung in den Teams und ausgeschlossen werden aus diesen, bis hin zu Mobbing
  • Das Empfinden der totalen Fremdbestimmung
  • Fehlender Spielraum, um Veränderungsprozesse, Arbeit und Umgang untereinander konstruktiv mitzugestalten und sich zu verwirklichen
  • Nicht ausschöpfen dürfen/können ihrer oft verdeckten Potenziale
  • Perspektiv-, Hilflosigkeit und das Fehlen klarer Ziele, Förderung, Entwicklung und Unterstützung

Laut Universitätsspital Zürich (USZ) leidet etwa ein Viertel der Erwachsenen an Schlafstörungen. Gemäss einer Befragung der Max-Grundig-Klinik von etwa 1’000 Führungskräften sind über die Hälfte stressbedingt von Schlaflosigkeit betroffen (Pütter, C. 2023). Glaubt man den Medienberichten der vergangenen Monate, planen über eine halbe Million Mitarbeitende in der Schweiz für das Jahr 2023 einen Stellenwechsel. Für Unternehmen generiert dies Kosten, welche schon nach wenigen Monaten das jeweilige Jahressalär der Mitarbeitenden übersteigt (Adecco, 2022). Diese Kosten steigen, aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels, künftig noch an.

Dazu kommen die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle, welche die berufliche Leistungsfähigkeit drastisch verringern, ebenso die steigende Frustration bei den verbleibenden Mitarbeitenden sowie Kund:innen und ganz generell die dadurch verursachten hohen volkswirtschaftlichen Kosten.

"Alles wird gut …"

Diese Aussage hören, lesen und sagen viele sehr oft. Doch wie will etwas gut werden, wenn wir nicht bereit sind, uns in die erwünschte Richtung zu bewegen und zu entwickeln? Ja, es wird alles gut, sofern wir erkennen, dass Entwicklungsorientierung, Persönlichkeitsentwicklung, gemeinschaftliches Handeln und eine Vertrauensbasis zwingend zu fördern und einzufordern sind.

Die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen haben sich von je her nicht wirklich verändert. Alle Errungenschaften der Technik und der Wirtschaft ja sogar unser Wohlstand und unser Demokratieverständnis sind, wie wir aktuell unschwer erkennen, instabil und leicht angreifbar. Unsere innere und gemeinsame Stärke hingegen ist das, was uns als stabiles Fundament Halt gibt. Darauf aufzubauen lohnt sich für jedes Unternehmen. Es funktioniert nicht mehr (hat es wohl noch nie), dass Menschen in ein System gezwungen werden. Zielführend ist, das System, wo immer möglich, den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden frei atmen. Sie werden staunen, welche konstruktive Energie, Kreativität und Leistungsfähigkeit auf diese Weise entsteht! Lassen Sie veraltete Strukturen los. Ansonsten entstehen vermeidbare Zusatzaufwände und -Kosten. Wie das geht, erfahren Sie in meinem folgenden Beitrag: "Engagement und Commitment – Wie alles gut werden kann."

Schlussgedanken

Wie würden Sie wohl handeln, wenn in Ihren Teams über so viele Jahre hinweg immer dieselben Fehler gemacht werden, also laufend Ausschuss produziert wird und diese Fehlproduktion auch noch mit «Das ist nichts Neues, ich weiss wie es sein sollte.» kommentiert würde?

Quellen und weiterführende Informationen

Adecco (2022). Cost of Vacancy – Auch unbesetzte Stellen werden teuer.

Gallup. (2022). State of the Global Workplace: 2022 Report.

Pütter C. (2023). CIO. Manager leiden unter Schlaflosigkeit.

Universitätsspital Zürich (2023). Schlafstörungen.

Autor/in
Helena-Schamberger Fischer

Helena Schamberger Fischer

Zum Profil
Digitalisierung | Human Resource Management | Kommunikation | Leadership | Leadership | Organisationsentwicklung | Personalentwicklung | Selbstführung | Teamentwicklung
more...

MAS FH in Human Resource Management (HRM)

Master of Advanced Studies (MAS)

Mehr laden
Coaching | Human Resource Management | Organisationsentwicklung | Personalentwicklung | Rekrutierung | Wirtschaft
more...
Zwei Hände über Papierfiguren

Engagement & Commitment – Wie alles gut werden kann. (2/2)

Wie können Führungskräfte das Potenzial der Mitarbeitenden umsichtig ausschöpfen?

Beitrag lesen
Human Resource Management | Leadership | Personalentwicklung | Unternehmenskultur
more...
Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail