Vaterschaft erhöht die Arbeitsmotivation
Irene Willi Kägi
Gesellschaftlich ist das Rollenbild der Väter seit einiger Zeit im Wandel. Väter nehmen neue Aufgaben in der Kinderbetreuung wahr und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist längst nicht mehr nur ein Frauenthema. Inwiefern die Arbeitsmotivation eines Mannes durch die neue Rolle als Vater beeinflusst wird? Mit dieser Frage hat sich Andrea Anner-Wälchli in ihrer Arbeit zur Erlangung des Masters of Advanced Studies mit der Vertiefung Human Resources Management beschäftigt. Im Interview verrät sie, welche Vaterrollen heutzutage gelebt werden, was die Väter bei der Arbeit motiviert und welche Strategien Unternehmen entwickeln müssen, um Väter für sich zu gewinnen und an sich zu binden.
Andrea Anner-Wälchli, Vaterschaft und Arbeitsmotivation - Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Durch die Geburt meines Sohnes im Jahre 2016 erlebte ich persönlich, welche grossen Veränderungen das Mutterwerden im Leben auslöst. Auch unser Leben als Paar wurde durch die Elternschaft deutlich auf die Probe gestellt, neue Aufgaben mussten verteilt und ausdiskutiert werden. Ich realisierte schnell, dass mein Partner durch die Vaterschaft stärker denn je als Ehemann, Arbeitnehmer und Vater gefordert war und sich neuen Herausforderungen stellen musste. Dadurch wurde mir bewusst, dass das Vaterwerden oft unterschätzt wird. Aufgrund dieser persönlichen Erfahrung wie auch der Möglichkeit, die Erkenntnisse in meinen Berufsalltag im Personalwesen einfliessen zu lassen, habe ich mich entscheiden, dieses Thema zum Forschungsgegenstand zu machen.
Wie reagieren die frischgebackenen Väter auf Ihre neue Rolle?
Nicht alle setzen sich gleich aktiv mit den neuen Herausforderungen ihrer Vaterrolle auseinander. Manche sind teilweise verunsichert oder gar überfordert. Immer mehr Männer stellen sich aber den Veränderungen sehr konkret und sehen diese als Chance. Typische männliche Karrieren werden zunehmend in Frage gestellt und eine stärkere Zuwendung zur Familie wird insbesondere von jungen Vätern als Bereicherung betrachtet. Viele Männer halten eine Männeremanzipation im Sinn einer Erweiterung männlicher Lebensbereiche auch auf Kindererziehung und Haushaltsarbeit für eine wichtige, wie auch notwendige Entwicklung.
Hat das traditionelle Rollenbild des autoritären Vaters also ausgedient? Sind wir mehrheitlich von modernen Vätern umgeben?
Um den Wandel des Vaterschaftsgedankens besser zu verstehen, ist es notwendig, verschiedene Männertypen und ihr Vaterschaftsverständnis aufzuzeigen (siehe Grafik). Früher gab es eine klar von der Gesellschaft zugeschriebene Vaterrolle. Egal, ob die Väter mit dieser traditionellen Rolle glücklich waren oder nicht. Heutzutage kann sich ein Vater die Rolle eher aussuchen. In welcher Vaterrolle sich ein Mann wiederfindet, wird sehr geprägt durch seine persönliche Erziehung, Männlichkeitsrolle, Arbeitssituation, Bildung, Partnerin, Beruf, Kinderzahl etc.
Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich 87 Väter mit jungen Kindern befragt. Dabei ergab sich eine klare Verteilung auf zwei Rollenbilder: Knapp 68 Prozent sehen sich als egalitären Vatertyp, welcher mit einem modernen Verständnis der Vaterrolle gleichzusetzen ist. 27 Prozent der Befragten fühlen sich dem traditionellen Vatertyp zugehörig. Die anderen beiden Rollenbilder sind in meiner Studie minimal (fassadenhafter Vater: 3 Prozent) oder gar nicht vertreten (unsicherer Vater: 0 Prozent). Die Tendenz geht eindeutig in Richtung Zunahme an modernen Vätern. Wichtig ist zu betonen, dass dies Fachbegriffe sind und keinerlei Wertung der jeweiligen Vaterrollen darstellen.
(Grafik: Zusammenfassung aus Masterarbeit von Andrea Anner-Wälchli)
Welchen Einfluss hat die Vaterschaft auf die Arbeitsmotivation? Gibt es Unterschiede abhängig von der Vaterrolle?
Alles in allem sind die die Mehrheit der jungen Väter durch die Übernahme ihrer neuen Rolle motivierter. Die Unterschiede zwischen den Vätern, welche sich als egalitär oder traditionell eingestuft haben, sind gering. Sogenannte Hygienefaktoren wie ein gesicherter Arbeitsplatz, finanzielle Sicherheit oder Verhältnis zu den Vorgesetzten und Arbeitskollegen gewinnen für beide Vätergruppen (egalitär und traditionell) nach der Geburt ihres Kindes an Bedeutung. Ebenso schätzen beide Gruppen den Nutzen und die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit, die Übernahme von Verantwortung sowie persönliche Weiterentwicklung höher ein als zuvor. Die Anerkennung bei der Arbeit wird dagegen als weniger wichtig empfunden.
Bei der Frage nach dem Stellenwert der beruflichen Karriere fällt auf: Während traditionelle Väter die Möglichkeit, Karriere machen zu können, als gleich hoch bewerten, nimmt die Bedeutung der Karriere bei den egalitären Vätern ab. Die persönliche Profilierung scheint hier dem Konstrukt Familie den Vorzug zu geben.
Nennenswert ist ein weiterer Aspekt: Kann ein Vater das eigene Rollenbild nicht mit seiner Arbeit in Einklang bringen, so wird sich das auf kurz oder lang auf seine Arbeitsmotivation auswirken. Und: Je egalitärer ein Mann seine Rolle als Vater sieht, desto wichtiger ist ihm auch die flexible Arbeitsmöglichkeit.
Was heisst das für die Arbeitgeber der jungen Väter?
Für die Firmen bedeutet das, dass sie den Vätern durch geeignete Massnahmen die Möglichkeit bieten sollten, die gewünschte egalitäre Vaterrolle umsetzen zu können. Es ist also beispielsweise sehr effektvoll, Väter während ihres Vaterschaftsurlaubes von Telefonaten und E-Mails abzuschotten, solche Massnahmen werden von Vätern enorm geschätzt. Und auch wenn sie Teilzeit arbeiten, den Vätern weiterhin interessante und sinnvolle Tätigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, denn dafür ist ihre Motivation gross. Dazu braucht es nicht einmal ein grosses Budget, sondern nur eine väterfreundliche Firmenkultur und Vertrauen in die Väter, dass sie ihr (Arbeits-)Leben selbstverantwortlich in die Hand nehmen. Zufriedene Väter und ein entspanntes Familienleben – ein besseres Employer Branding kann man sich gar nicht vorstellen.
Natürlich ist alles nicht so einfach, wie es tönen mag. Das egalitäre Rollenbild ist noch nicht so etabliert und von manchen Arbeitgebern nicht akzeptiert. Auch den Vätern selbst fehlt es an Erfahrungen und Vorbildern im Umgang mit der modernen Vaterrolle. Hinzu kommt, dass Frauen tendenziell weniger verdienen als Männer und Familien ein geringeres Einkommen sich oft nicht leisten können. Kurz gesagt, das Bild des modernen Vaters ist zurzeit ein Hype, die Rahmenbedingungen dafür sind aber noch nicht ausgereift. Damit dieser Aufwind an Fahrt gerät, müssen nicht nur Gesellschaft und Wirtschaft, sondern letztlich auch die Mütter mitspielen.
Frau Anner-Wälchli, vielen Dank für das Gespräch.
Andrea Anner-Wälchli, Absolventin Masters of Advanced Studies mit der Vertiefung Human Resources Management, Kalaidos Fachhochschule