Frauen verdienen in der Schweiz durchschnittlich knapp 20 Prozent weniger als Männer Frauen verdienen in der Schweiz durchschnittlich knapp 20 Prozent weniger als Männer
Frauen verdienen in der Schweiz durchschnittlich knapp 20 Prozent weniger als Männer. (Symbolbild)

Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern gehen zwar langsam zurück. Doch betragen sie gemäss der alle zwei Jahre durchgeführten Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik (BFS) immer noch knapp 20 Prozent. Auffällig ist: Über 40 Prozent (42,9) der Lohnunterschiede lassen sich nicht erklären (BFS). 

Gemäss der aktuellen LSE von 2016 mit rund 37‘000 teilnehmenden Unternehmen bzw. 1,7 Millionen Arbeitnehmenden verzeichnet der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern einen leichten Rückgang von 21,3 Prozent im Jahr 2012 auf aktuell 19,6 Prozent. Dabei weichen die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern je nach Branche stark voneinander ab: Wahrend 2016 im Gastgewerbe die Lohndifferenz lediglich gut 8 Prozent betrug, wurden deutlich höhere Zahlen für den Detailhandel (rund 18 Prozent), die Maschinenindustrie (23 Prozent) und das Kredit- und Versicherungsgewerbe (rund 34 Prozent) verzeichnet. Im gesamten öffentlichen Sektor (Bund, Kantone, Gemeinde) belief sich der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in 2016 auf rund 17 Prozent.

Unerklärbare Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern

Dass Frauen weniger als Männer verdienen, lässt sich durchschnittlich nur zu knapp 60 Prozent erklären. Während das Gastgewerbe und kleinere Unternehmen (mit weniger als 20 Beschäftigen) bezüglich der unerklärbaren Lohnunterschieden am schlechtesten abschneidet, gehören das Kredit- und Versicherungsgewerbe sowie Unternehmen mit mindestens 1‘000 Beschäftigten diesbezüglich zu den Gewinnern. Erwähnenswert ist zudem, dass mit steigender Hierarchiestufe der unerklärbare Anteil der Lohnunterschiede tendenziell geringer wird. Gleiches gilt bei steigendem Alter der Arbeitnehmenden: Bei Personen ab 50 Jahren betrug der unerklärliche Anteil knapp 37 Prozent gegenüber 58 Prozent bei den Personen unter 30.

Erklärungsansätze für Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern

Als Gründe für Lohnunterschiede nennt das BFS zum einen strukturelle Faktoren, wie das Bildungsniveau, die Anzahl der Dienstjahre oder die Ausübung einer Führungsfunktion. Zum anderen ist zu beobachten, dass die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern in Kaderfunktion mit dem Erklimmen der Karriereleiter zunimmt.

Im Fokus: Teilzeitarbeit und Mutterschaftsstrafe

Da die LSE die Durchschnittslöhne der Vollzeitstellen von Männern und Frauen vergleicht, wird ein wesentlicher Punkt für die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern nicht erwähnt. In der Schweiz arbeiten Frauen häufiger Teilzeit als Männer – laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung von 2017 durchschnittlich knapp 60 Prozent. 80 Prozent der Mütter sind teilzeitlich beschäftigt. Demnach haben sie auch ein tieferes Einkommen.

Mögen Frauen vor der Mutterschaft zwar gleich viel verdienen wie Männer im ähnlichen Alter, mit ähnlicher Ausbildung und Berufserfahrung – bei der Geburt des ersten Kindes öffnet sich die Lohnschere doch drastisch. Eine internationale Studie (Von Kleven, H., Landais, C., Posch, J., Steinhauer, A. & Zweimüller, J., 2019) hat für mehrere Länder berechnet, wie die Löhne im ersten Jahr nach der Geburt für Mütter ausfallen und wie sich ihre Löhne langfristig weiterentwickeln. Deutschland (D) und Österreich (A) scheinen dabei besonders von der Mutterschaftsstrafe betroffen zu sein. Dort fallen die Löhne der frischgebackenen Mütter um knapp 80 Prozent (D) bzw. um knapp 90 Prozent (A). Nach zehn Jahren sind die Löhne immer noch gut 60 Prozent (D) bzw. gut 50 Prozent (A) tiefer als vor der Mutterschaft.

Die Studie zeigt ebenso auf, dass in diesen beiden Ländern nicht nur der Lohnabfall nach der Geburt des ersten Kindes am höchsten, sondern auch die Haltung am stärksten verbreitet ist, dass Mütter mit schulpflichtigen und noch jüngeren Kindern zuhause bleiben sollten.

Eine ähnliches Phänomen bezüglich dem Rollenbild der Frau gilt auch für die Schweiz: So schreiben sich junge Mädchen mit zunehmendem Alter „typisch weibliche“ Charaktermerkmale wie hilfsbereit zu und entscheiden sich für frauentypische Beruf, z.B. Coiffeuse, Erzieherin, Assistentin oder Floristin (Plan International Schweiz). Viele möchten zudem höchstens in einem Pensum von unter 50 Prozent arbeiten – auch wenn sie sich eine Führungsposition vorstellen könnten. Immerhin scheinen bei diesen Vorstellungen auch die Kosten für Betreuungsangebote eine Rolle zu spielen.

Fazit

Sei es, dass junge Mütter unter dem Einfluss des traditionellen Rollenbildes der Vollzeit- bzw. Teilzeit-Mutter, ihr Arbeitspensum reduzieren, sei es aber auch, dass sie sich bewusst für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf entscheiden – ebenso viele sind gezwungen, auf einen Wiedereinstieg zu verzichten. Dies liegt häufig in der hohen steuerlichen Belastung von doppelt verdienenden Ehepaaren sowie den hohen Betreuungskosten der Kinder begründet. Hier gilt es – neben der Minimierung der Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern – anzusetzen: das heisst, neue Formen der Besteuerung von Ehepaaren sowie bezahlbare Kinderbetreuungsstätten und Tagesschulen zu schaffen. Nicht zuletzt bedarf es auch einem Umdenken in der Gesellschaft, dass Mütter genauso leistungsfähig wie Männer sind und damit Anrecht auf gleiche Karrieremöglichkeiten und Entlohnung haben.

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Quellen und weiterführende Informationen

Bundesamt für Statistik. (2019). Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern 2016. www.bfs.admin.ch/news/de/2018-0606

Bundesamt für Statistik. (2018). Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 2017.

Plan International Schweiz und Fachhochschule Ostschweiz. (2014). Mädchen in der Schweiz - Von der Überholspur zurück in den Boxenstopp?

Von Kleven, H., Landais, C., Posch, J., Steinhauer, A. & Zweimüller, J. (2019). Child Penalties Across Countries: Evidence and Explanations.

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