Coaching-Modell für die Praxis: GROW
Irene Willi Kägi
Wenn es um Leistungsverbesserung, Lernen und persönliche Weiterentwicklung von Mitarbeitenden geht, kann es als Führungskraft sinnvoll sein, die Rolle des Coaches anzunehmen. Dabei ist es wesentlich, das Bewusstsein der Mitarbeitenden, in diesem Falle in der Rolle der Coachees, im Sinne der Selbstreflexion zu schärfen. Ebenso gilt es, deren Selbstvertrauen zu stärken und Bereitschaft zu fördern, Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen. Wie das funktionieren kann, zeigt das weitverbreitete Coaching-Modell GROW von John Whitmore.
Goal – Ziel (Orientierungsphase)
In dieser Phase werden Thema und Ziel festgelegt. Das Ziel kann bei vielen Coachees recht unklar sein und viel Zeit benötigen, bis sie dieses klar benennen und sich mit diesem identifizieren können. Unterscheiden Sie als Coach zwischen dem Ziel für das Coaching-Gespräch und dem inhaltlichen Ziel der angestrebten Lösung. Kann/muss das Ziel in Zwischenziele aufgeteilt werden? Stellen Sie durch Paraphrasieren sicher, dass das Ziel genau geklärt ist.
- Was ist Ihr wichtigstes Anliegen?
- Was ist Ihr Ziel?
- Was wollen Sie erreichen?
- Angenommen Sie hätten Ihr Ziel schon erreicht, was wäre dann anders?
- Gesetzt der Fall Sie hätten keine Einschränkungen irgendwelcher Art, was würden Sie dann erreichen wollen?
Reality – Realität (Klärungsphase)
Entscheidend in dieser Phase ist nicht, dass Sie als Coach allfällige Probleme des Coachees vollumfänglich verstehen, sondern, dass der Coachee selbst über seine Situation klar wird. Halten Sie diese Phase eher knapp und konzentrieren Sie sich auf die Informationen, die für das Erreichen des Coachingziels relevant sind. Achten Sie auf Inkongruenzen zwischen dem Gesagten und der Körpersprache des Coachee. Widerspiegeln Sie die Gefühle, die Sie beim Coachee wahrnehmen. So können Sie wichtige Aspekte aufdecken, die dem Coachee weiterhelfen.
- Wie sieht die gegenwärtige Situation aus?
- Was ist erreicht, was nicht?
- Wo stehen Sie jetzt (z.B. gegenwärtiger Projektstand) auf einer Skala von 1 – 10 (1 = katastrophaler Zustand, 10 = Idealzustand)? Wenn Sie bei einer 7 sind, was macht den Erfolg aus? Wenn Sie bei einer 3 stehen, was braucht es, um eine Stufe höher bzw. auf Stufe 10 zu gelangen?
- Was haben Sie bisher ausprobiert?
- Was hat für Sie bisher funktioniert?
Options – Optionen (Sammeln und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten)
Die wichtigste Aufgabe des Coaches ist in dieser Phase, dem Coachee zu helfen, die Anzahl seiner Handlungsoptionen zu erhöhen. Je mehr, desto besser. Sowohl das Generieren der Ideen als auch deren Bewertung geschieht durch den Coachee. Für diesen Schritt verwenden Sie die meiste Zeit im Gespräch.
- Wo sehen Sie Möglichkeiten zur Verbesserung?
- Welche Ideen fallen Ihnen ein?
- Was würde Ihnen eine Experte für xy / Ihr Kollege etc. raten?
- Waren Sie schon einmal in einer ähnlichen Situation? Wenn ja, wie haben Sie damals das Problem gelöst?
- Welche Ideen haben Sie sonst noch?
- Welche Optionen erscheint Ihnen am attraktivsten / passendsten?
Will bzw. Way Forward - Abschlussphase (Festlegung des Handlungsplans)
Erfragen Sie beim Coachee, was er in welcher Reihenfolge und wann tun wird. Diese Phase soll so konkret wie möglich gestaltet werden und kann sehr schnell ablaufen.
- Was nehmen Sie als Ergebnis?
- Was werden Sie konkret tun?
- Was werden Sie als Erstes tun?
- Wie lautet der zweite Schritt?
- Wie stellen Sie sicher, dass Sie Ihr Ziel erreichen?
Für das Gelingen des Coaching-Gesprächs ist es entscheidend, dass Sie als Coach möglichst neutral sind. Natürlich können Sie als Führungskraft nie ganz neutral sein, da Sie immer auch eigene Interessen oder Interessen der Organisation vertreten sowie Kontroll- und Beurteilungsfunktionen haben. Sobald Sie Teil des Coaching-Anliegens werden, kann eine andere Führungshandlung, wie beispielsweise ein Konfliktgespräch, oder ein professioneller Coach gefragt sein.
Quellen und weiterführende Literatur
Hamann, A. & Huber, J. J. (2014). Coaching: Die Führungskraft als Trainer (4. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
König, E. & Volmer, G. (2012). Systemisches Coaching: Handbuch für Führungskräfte, Berater und Trainer (2. Aufl.). Weinheim [u.a.]: Beltz.
Patrzek, A. (2014). Fragekompetenz für Führungskräfte: Handbuch für wirksame Gespräche mit Mitarbeitern (6. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Radatz, S. (2013). Beratung ohne Ratschlag: Systemisches Coaching für Führungskräfte und BeraterInnen. Wien: Inst. für Systemisches Coaching u. Training.
Whitmore, J. & Popp, M. (2015). Coaching for Performance: Potenziale erkennen und Ziele erreichen. Paderborn: Junfermann Verlag.
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