Ist erfolgreiche Führung überhaupt möglich, wenn man immer authentisch handelt? Wo liegen die Grenzen authentischer Führung, die Probleme und die Gefahren? Diese Fragen stehen im Fokus des dritten Teils der Blogbeitragsserie "Mehr Authentizität in der Führung".

Nehmen wir einmal an, Sie sind eine Führungskraft, die Authentizität als wichtigen Wert verinnerlicht hat. Sie verhalten sich in Übereinstimmung mit ihren Werten und Überzeugungen, sind ehrlich und transparent und zeigen sich auch mal mit Ihren Ecken und Kanten. So werden Sie von Ihren Mitarbeitenden mit grosser Wahrscheinlichkeit als glaubwürdig und überzeugend wahrgenommen.

Wer zu authentisch führt, kann andere verletzen und macht sich selbst verletzbar

Wenn Sie nun in eine Situation geraten, in der Sie Ihre Meinung unverhohlen kundtun, beispielsweise indem Sie über Ihr Unternehmen schimpfen, dann könnte es sein, dass Sie es mit Ihrer Authentizität etwas übertreiben. Damit untergraben Sie nicht nur Ihr Top-Management sondern entwerten auch sich selbst als Führungskraft. Denn solche Äusserungen könnten als Ausdruck von Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber interpretiert und Ihre Glaubwürdigkeit als Führungskraft in Frage gestellt werden. Sollten Sie sich dagegen allzu offen über sich selbst und Ihre persönlichen Schwächen äussern, machen Sie sich unnötig verwundbar.

Authentisch zu führen heisst also nicht, „unbewusst“ authentisch zu sein, sondern setzt eine bewusste Reflexion in Bezug auf die eigene Wirkung voraus. In beiden Fällen ginge es also darum, das eigene Führungsverhalten in einem ethisch-moralischen Sinn anzupassen.

Übertriebenes Wirkungsbewusstsein kann zu Fassadenhaftigkeit und manipulativem Verhalten führen

Wer bewusst authentisch führt, macht dies mit viel Empathie, Diplomatie und Taktik. Dies heisst nun aber nicht, dass Sie es mit Ihrem Wirkungsbewusstsein übertreiben sollten. Denn damit laufen Sie Gefahr, in eine pseudo-authentische Führung abzugleiten. Führen Sie so, wie der Wind gerade weht oder so, dass Sie selbst jeweils in einem möglichst günstigen Licht erscheinen, verwirren Sie möglicherweise Ihr Gegenüber oder verlieren den wahren Kern zu sich selbst. Wer dagegen die eigene Wirkung so geschickt inszeniert, dass er oder sie zwar authentisch wirkt, aber in der Tat nur vortäuscht, authentisch zu sein, um damit eigene Interessen ohne Rücksicht auf andere durchzusetzen, bewegt sich bereits im Bereich der Manipulation.

Reflektierte Authentizität als Königsweg in der Führung

Eine sogenannte „reflektierte Authentizität“ könnte die Antwort auf die Gefahren und Probleme sein, die eine allzu dogmatische oder pseudo-authentische Umsetzung von Authentizität in der Führung mit sich bringt. Das bedeutet, dass Sie als Führungskraft beispielsweise überlegen, welche Ecken und Kanten Sie in welcher Situation bewusst preisgeben wollen und welche nicht. Sie hinterfragen nochmals Ihre Werte und setzen diese in Beziehung zueinander: Was heisst es beispielsweise, offen und ehrlich und gleichzeitig loyal zu sein? Schärfen Sie auch Ihr Rollenbewusstsein und begegnen Sie Dilemmata zwischen der Organisation und Ihren Mitarbeitenden mit reflektierter authentischer Kommunikation. Seien Sie also nicht zu spontan, wenn es um Wichtiges geht und reden Sie nicht ohne Plan.

Auch Unternehmen mit ihrer auf ökonomischen Erfolg getrimmten Führung sind aufgerufen, ihre Werte zu hinterfragen: Wie lässt sich der Wert des finanziellen Gewinns beispielsweise mit Authentizität oder Empathie als wichtige Werte in der Führung vereinbaren? Und darüber hinaus: Wie wirken sich diese Überlegungen auf Personalprozesse, Belohnungssysteme usw. oder grundsätzlich auf den betrieblichen Zweck aus?

Als Leitlinie zur authentisch reflektierten Führung könnten Ihnen als Führungskraft wie auch als Unternehmen natürlich die allgemeingültigen moralischen Werte wie Ehrlichkeit, Loyalität und Fairness dienen.

Quellen und weiterführende Literatur

  • George, B. Authentic Leadership (2003). Rediscovering the Secrets of Creating Lasting Value. Jossey-Bass.
  • Kernis, M. & Goldmann, B.M. (2006). A Multicomponent Conceptualization of Authenticity: Theory and Research. In M. P. Zanna (Ed.), Advances in Experimental Social Psychology: 283–357. Academic Press.
  • Kouzes J. M., & Posner, B. Z. (2012). The Leadership Challenge Workbook. Viley-VCH Verlag.
  • Küpers, W. (2014). Integrale und authentische Führung. In Führen mit Herz und Verstand – integral und authentisch. Kamphausen Verlag.
  • Schulz von Thun, F. (2013). Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Rowohlt Taschenbuchverlag.

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Streben Sie eine anspruchsvolle Führungstätigkeit an? Dann kommen Sie um die kritische Auseinandersetzung mit Ihren persönlichen, sozialen sowie methodischen Fähigkeiten nicht herum. An diesem Punkt setzt der Studiengang CAS FH in Leadership und Management an: Schritt für Schritt werden zentrale Führungskompetenzen und -wissen reflektiert und aufgebaut.

Autor/in
Irene-Willi

Irene Willi Kägi

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