KMUs haben selten die Möglichkeit, Spezialisten eigens für das Thema Personalentwicklung (PE) einzustellen. Vielmehr ist es Aufgabe der HR-Leitung, den strategischen Bedarf für PE-Massnahmen zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Wie KMUs Personalentwicklung professionell gestalten können, schildert Jolanda Pezzoli, langjährige Leiterin HR in verschiedenen KMUs und Absolventin des CAS FH in Personalentwicklung an der Kalaidos Fachhochschule im Gespräch mit Daniela Disler, Studiengangsleiterin CAS FH in Personalentwicklung.

Jolanda, Du bist seit rund 25 Jahren als Leiterin HR und seit mehreren Jahren als Mitglied der Geschäftsleitung in verschiedenen KMU-Betrieben in der Dienstleitungsbranche tätig. Du verfügst über langjährige Erfahrung sowohl im operativen als auch im strategischen HR. Wie hat sich aus Deiner Sicht das HR und der Stellenwert der Personalentwicklung in den KMUs verändert?

Der Bereich Human Resources hat sich in den letzten 20 Jahren in den KMU-Betrieben enorm entfaltet. Personalentwicklung ist zu einem strategischen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines jeden Unternehmens geworden. Gerade in der Dienstleistungsbranche steht die auf die Unternehmensstrategie fokussierte Entwicklung der Mitarbeitenden und deren Erhalt im Zentrum der Personalpolitik.

Welche Ziele verfolgen KMUs mit einer professionellen Personalentwicklung?

Ziel ist, ob KMU oder Grossunternehmen, den aktuellen und zukünftigen Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal und Führungskräften zu decken, um die Erhaltung und Weiterentwicklung der Kernkompetenzen im Unternehmen zu sichern. Personalentwicklung ist nicht primär durch den Bereich HR motiviert, sondern lebt von der Wechselwirkung vom strategischen Bedarf des Unternehmens, vom operativen Bedarf der Linie und schliesslich vom Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Förderung und Entwicklung, um ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. In diesem Spannungsfeld agiert die Personalentwicklung unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Finanzen, des zur Verfügung stehenden Personals sowie der zeitlichen Ressourcen. Diese Aspekte gilt es zu beachten, wenn man PE erfolgreich und nachhaltig implementieren will.

Welche Vorgehensweise hat sich gemäss Deinen Erfahrungen bewährt, wenn man eine professionelle Personalentwicklung in einem KMU einführen will?

Gerade in KMUs gibt es oft keine eigene PE-Abteilung. Diese wird beispielsweise in die HR-Abteilung als Teil des Aufgabenbereichs eines HR-Mitarbeitenden mit integriert. Viele KMUs sind erst daran, eine strategische Personalentwicklung einzuführen und aller Anfang ist schwer! Häufig ist eine eigene PE-Strategie nicht vorhanden, denn die Personalentwicklung wird nicht als strategischer sondern als operativer Faktor betrachtet, der in erster Linie auf das Aus- und Weiterbildungsprogramm oder finanzielle Unterstützungen für Fortbildungen reduziert wird.

So gilt es als Erstes zu eruieren, mit welchen externen Entwicklungen das Unternehmen konfrontiert ist und wie die Personalentwicklung deren Umsetzung unterstützen kann. Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie wird dann eine PE-Strategie oder bei kleineren Unternehmen direkt ein PE-Konzept entwickelt.

Als nächstes ist ein Kompetenzmodell - das Herzstück der Personalentwicklung - zu erstellen, welches die aktuell und zukünftig benötigten Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen der Mitarbeitenden enthält. Auch hier gilt: «weniger ist mehr». Das Kompetenzmodell sollte nur die ergebniswirksamen Kernkompetenzen beinhalten. Ausgehend vom Kompetenzmodell wird einem schnell klar, dass die Personalentwicklung bereits bei der Rekrutierung beginnt, da man ja die benötigten Kompetenzen am einfachsten bereits im Stelleninserat und in einem Interviewleitfaden integrieren kann.

Wichtig ist ebenso, die Personalentwicklung wie einen roten Faden in sämtliche Personalprozesse zu integrieren: Rekrutierung, Onboarding, Bildung, Talent Management, Nachfolgeplanung, Mitarbeitergespräche, Leistungsbeurteilungen und schliesslich als Teil der Organisationsentwicklung bei der Begleitung von Veränderungsprozessen. Es geht hierbei nicht darum, die PE-Instrumente in der eigenen Unternehmung neu zu erfinden. Oft ist vieles bereits vorhanden. Auch würde dies den Zeit-, Ressourcen- sowie finanziellen Rahmen eines Unternehmens sprengen. Es geht um die Verbindung der Elemente, die bereits existieren und deren Anpassung an die aktuellen sowie zukünftigen Bedürfnisse. Erst durch die Verbindung all dieser Elemente wird Effektivität, das heisst, Wirksamkeit in Bezug auf die Strategie erzielt.

Was müssen Verantwortliche für Personalentwicklung in KMUs Deiner Ansicht nach besonders beachten?

  • Schlagende Argumente
    Vor dem Start muss der/die PE-Verantwortliche(r) viel Überzeugungsarbeit leisten, um eine strategische Personalentwicklung einführen zu können. Es braucht stichhaltige Argumente, denn schliesslich ist Personalentwicklung mit Zusatzkosten verbunden, welche budgetiert werden müssen: Was kostet es? Was bringt es? Personalverantwortliche müssen die Bereitschaft mitbringen, sich mit der Geschäftsleitung argumentativ und insbesondere auf der Basis von Hard Facts auseinanderzusetzen. Der Fokus sollte hierbei auf dem Nutzen für das Gesamtunternehmen liegen.
  • CEO als Promoter
    Das beste Konzept nützt nichts, wenn die Linie nicht überzeugt werden kann. Insbesondere scheint mir gerade in KMUs wichtig, dass der CEO als Promoter dieses Projekt proaktiv unterstützt, indem er beispielsweise anlässlich von Kadersitzungen dessen Stellenwert hervorhebt oder dieses zum Top Projekt erklärt.
  • Akzeptanz bei der Linie
    Am besten beginnt man mit den Massnahmen, für welche die Linie den dringlichsten Handlungsbedarf sieht. Der oder die PE-Verantwortliche muss hier ansetzen, um die Linie abzuholen. Durch die erfolgreiche Umsetzung dieser PE-Massnahmen wird Wirkung und dadurch Akzeptanz bei der Linie erzielt.
  • Pragmatismus
    Die zeitlich limitierten Ressourcen insbesondere bei der Linie sind für eine nachhaltige Umsetzung matchentscheidend. Bei jeder Massnahme ist deshalb genau zu eruieren, ob diese für die Linie und die betroffenen Mitarbeitenden zeitlich vertretbar ist. Der Fokus der Massnahmen liegt dabei im Alltagstransfer, denn Personalentwicklung findet primär am Arbeitsplatz durch die tägliche Umsetzung statt und nicht in irgendwelchen Seminarräumen.
  • Rollen
    Personalentwicklung darf keine «Kopfgeburt» des HR sein. Vielmehr gilt es in enger Zusammenarbeit mit der Linie, sowohl den Bedarf als auch die benötigten Prozesse und Instrumente aufzubauen. HR fungiert hier je nach Thema als Entwickler, Verantwortlicher, Begleiter oder Unterstützer. Die Hauptverantwortung für die nachhaltige Umsetzung liegt bei den Führungskräften. Deshalb sind diese von Anfang an mit einzubeziehen und aus Betroffenen Beteiligte machen.
  • Zeit und Geduld
    Personalentwicklung muss sich Zeit lassen, um sich zu etablieren: Lieber in kleinen Schritten Nachhaltigkeit aufbauen als ein überladenes Konzept, das nicht umgesetzt werden kann und folglich zum Papiertiger mutiert.

Was hat Dir der CAS FH in Personalentwicklung gebracht? Wie hast Du davon für deine Praxis profitieren können?

Der CAS ermöglicht mir eine ganzheitliche Sicht der Personalentwicklung, welche die aktuellen Trends berücksichtigt. Ich habe sowohl meine Perspektive erweitert und als auch mein Know-how vertieft. Zudem habe ich einen grossen Baukasten an Instrumenten erhalten, die sich an das jeweilige Unternehmen individuell anpassen lassen. Nicht zuletzt habe ich als grosse Bereicherung empfunden, dass die Kolleginnen und Kollegen im CAS auch aus anderen Bereichen als dem HR kamen. Ich konnte dadurch von der Sichtweise und Herangehensweise von Spezialisten und Spezialistinnen aus den Bereichen Beratung, Coaching, Bildung und Psychologie profitieren.

Vielen Dank für das Interview und Deine Einschätzungen.

 Jolanda Pezzoli

Foto: Jolanda Pezzoli, Absolventin CAS FH in Personalentwicklung, Kalaidos FH


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