Populismus und die Währungsunion (1/2)
Dr. Karsten Junius
Wir haben wiederholt unsere Einschätzung betont, dass populistische Strömungen trotz der derzeit günstigen Wirtschaftsdynamik und sinkender Arbeitslosenquoten stark bleiben werden.
Die Ankündigung der US-Regierung neue Zölle auf Stahlimporte zu erheben und die Bereitschaft, einen Handelskrieg mit den amerikanischen Verbündeten zu führen, sollte ein Weckruf für diejenigen sein, die sich weitgehend auf Rechtsstaatlichkeit, internationale Organisationen und Zusammenarbeit stützen – also die gemeinsamen Säulen des multilateralen Nachkriegssystems. Der aktuell sich ausbreitende Populismus ist auch ein Risiko für die weitere europäische Integration.
Ein Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Pro-Kopf-Einkommen seit Ende 2006 in vielen Ländern kaum gestiegen und in einigen sogar zurückgegangen sind.
(Grafik: Einkommensentwicklung USA)
(Grafik: Einkommensentwicklung Italien und Schweiz)
Populistische Strömungen sind auch in Europa sehr lebendig
In Europa richtet sich der Populismus wie in den USA gegen die Macht der sogenannten Eliten und Experten und nimmt eine nationalistische und EU-kritische Haltung an. Lediglich die Idee, die Währungsunion zu verlassen, hat sich für populistische Parteien nicht ausgezahlt, da die Wähler dies eindeutig mit negativen Folgen für ihre Ersparnisse assoziiert haben. Stattdessen setzen sich Populisten gegen eine Austeritätspolitik, eine straffere Geldpolitik und schmerzhafte Strukturreformen ein, die für eine weitere Vertiefung und Risikoteilung in der Europäischen Währungsunion (EWU) notwendig wären. Das italienische Wahlergebnis war der jüngste Beweis für diesen Trend, ebenso wie das Brexit-Referendum davor und in einigen Punkten sogar die Wahl von Macron in Frankreich.
5 Lehren des US-Populismus für Europa
Der US-Präsident zeigt derzeit auf, welche gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn eine populistische Regierung eine starke Position in Europa erhält:
- Schwindender Einfluss von Experten (Pariser Klimaschutzabkommen, internationaler Handel).
- Geringere Bedeutung internationaler Institutionen (WTO, UNO), da Populisten ihre Legitimität anzweifeln und sie als Interessenvertreter der alten Eliten statt des Volkes betrachten.
- Die Einhaltung internationaler Verträge, Regeln und Konventionen wird unsicherer, da Populisten erklären würden, dass sie nicht im Interesse des Souveräns sind und dass frühere Regierungen die wahren Interessen ihrer Nationen und Völker preisgegeben haben (NAFTA, NATO, Brexit, TPP, griechisches Rettungsreferendum).
- Internationale Zusammenarbeit und Diplomatie erhalten eine geringere Bedeutung.
- Populisten werden ihre Politik kurzfristiger ausrichten und weniger nachhaltig agieren (US-Steuerreform und Ausgabenpläne).
Populisten werden sich kaum an die Regeln aus Brüssel oder Frankfurt halten
Europa sollte die oben genannten Lehren zur Kenntnis nehmen und überdenken, wie verwundbar das Euro-Gebiet wäre, wenn eine populistische Regierung die Regeln der EWU offen ablehnen würde. Die stille Nichteinhaltung der Maastricht-Regeln und des Stabilitäts- und Wachstumspakts sind nicht ermutigend, ebenso wenig wie die jüngere Nichteinhaltung einiger osteuropäischer Regierungen im Hinblick auf die Flüchtlingsverteilung und das europäische Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung.
Die ständige Kritik an der Geldpolitik der EZB durch deutsche Politiker und Ökonomen ist ebenfalls nicht hilfreich, Vertrauen in europäische Institutionen zu stärken. In allen Fällen würden nationale Interessen Vorrang vor internationalen Verpflichtungen haben. «Brüssel oder Frankfurt gegen den Volkswillen» ist ein Kampf, den Institutionen, die sich an die Regeln halten, schlecht gewinnen können.
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Lesen Sie in einem zweiten Teil warum die Ursachen für die Euro-Krise national anders beurteilt werden und was der potenzielle Nachteil einer weiteren Vertiefung der EWU mit stärker vergemeinschafteten Risiken ist.