Männerkopf speit Rauch und Feuer aus den Ohren Männerkopf speit Rauch und Feuer aus den Ohren
Was können Arbeitnehmende tun, wenn die Symptome eines Burn-On-Syndroms schon ausgebrochen sind?

Wenn Sie Ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben oder sonst für eine Sache brennen, ist das wunderbar, denn das beflügelt Sie zu Höchstleistungen und führt vielfach zu Erfolgen. Doch wer andauernd für etwas brennt, läuft Gefahr, ein sogenanntes Burn-On-Syndrom zu entwickeln und irgendwann zu verglühen. Was steckt hinter dem eher unbekannten, aber weitverbreiteten Phänomen in der Arbeitswelt? Wie hängt es mit dem Burnout zusammen und was können Arbeitnehmende tun, wenn die Symptome schon ausgebrochen sind?

Burn On versus Burnout und Boreout

Der Begriff "Burn On" wurde von Prof. Dr. med. Bert te Wild, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster in Diessen und Timo Schiele, leitender Psychologe an derselben Klinik vor nicht allzu langer Zeit erschaffen. In ihrem 2021 erschienen Buch "Burn On – immer kurz vor dem Burnout" bezeichnen sie damit eine arbeitsbezogene Störung, die aufgrund einer andauernden Stressbelastung in eine chronische Erschöpfungsdepression mündet. Demgegenüber sehen sie das "Burnout" als eine akute Form der Erschöpfungsdepression – sozusagen der ultimative Zusammenbruch nach der Daueranspannung eines Burn On. Der von Werder und Rothlin im Jahre 2007 geprägte Begriff "Boreout" lehnt sich an das englische Wort "Boredom", deutsch für Langeweile, an und steht für einen Zustand ausgesprochener Unterforderung im Arbeitsleben. Auch das Boreout-Syndrom kann sich zu einem Burnout entwickeln.

Burn On erkennen: permanente Spannung zwischen zwei Polen

Das Burn On ist bis heute kaum erforscht und gilt, wie das Burnout, nicht als eine eigenständige Erkrankung, sondern als Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst. Te Wild und Schiele, die über jahrelange klinische Erfahrung verfügen, preschen nun vor und definieren die Symptome anhand des Klassifikationssystems für psychische Erkrankungen:

  • Verhaltensebene: Aktionismus versus Handlungslähmung. Menschen mit einem Burn On befinden sich immer im Arbeitsmodus und können kaum abschalten. Sie erleben zwar ein Gefühl der Effizienz, doch fehlen ihnen die Zeit und Musse, um die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Wenn sich die ständige Betriebsamkeit auch auf ihr Privatleben überträgt und die Entspannung nur noch während der Schlafenszeit stattfindet, kommt es immer wieder zur latenten Überforderung und damit zur Handlungslähmung.
  • Emotionale Ebene: Positivismus versus Freudlosigkeit. Von Burn On Betroffene vermitteln den Eindruck, dass alles in Ordnung ist – nicht nur nach Aussen, sondern auch sich selbst gegenüber. Sie kämpfen gegen innere und äussere Widerstände an und blenden sämtliche Risiken und Gefahren ihres eigenen Verhaltens aus. Das kostet viel Energie. Für Hobbys oder Treffen mit Freunden, die für Wohlbefinden und Regeneration sorgen, bleibt keine Kraft mehr übrig. Somit schlägt das Pendel immer wieder weg vom Gefühl der positiven Schaffenskraft hin zu einer distanzierten Freudlosigkeit.
  • Kognitive Ebene: Perfektionismus versus Unzulänglichkeitserleben. Zur typischen Lebenseinstellung von Menschen mit einem Burn On gehört, nach dem perfekten Leben, dem beruflichen und privaten Glück zu streben sowie höchste Ansprüche an sich selbst zu stellen. Da es jeweils nicht gelingt, den höchsten Erfüllungsgrad zu erreichen, erzeugt jede erneute "Niederlage" ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Mit dem bestmöglichen Ergebnis geben sie sich nicht zufrieden, ihre eigenen Schwächen erkennen sie nicht an. Vielmehr schrauben sie ihre Belastungsgrenze nach oben und strengen sich noch mehr an.

Burn On selbst behandeln: Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung

Zur Behandlung des Burn-On-Syndroms empfehlen te Wild und Schiele ein dynamisches Selbstregulationsmodell bestehend aus drei Schritten: Der erste beginnt mit der (Selbst-)Beobachtung: das heisst, sowohl das eigene Verhalten als auch das eigene Umfeld bewusst wahrzunehmen und die möglichen Auslöser festzuhalten, beispielsweise in Form eines Tagebuchs. Beim nächsten Schritt, die Selbstbewertung, geht es darum, den eigenen Arbeits- bzw. Lebensstil zu hinterfragen und zu beurteilen: Finde ich das gut, unter Dauerstrom zu stehen? Möchte ich das wirklich oder kann ich einfach nicht anders? Der letzte Behandlungsschritt heisst Selbstverstärkung: Wenn man Symptome wie Verspannung oder Schlappheit bei sich selbst beobachtet, tut man etwas dagegen: etwa früher mit der Arbeit aufzuhören, einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen oder ein Bad zu nehmen. Wichtig ist, sich anschliessend für die wohltuende Massnahme selbst zu belohnen. So werden die positiven Gefühle potenziert.

Wenn die Selbstbehandlung nicht ausreicht: Psychotherapie

Burn On ist ein komplexes Phänomen, das sich in vielen Fällen mit ein paar Entspannungsübungen nicht für immer aus dem Weg schaffen lässt. Oft braucht es auch eine Psychotherapie. Zum einen gibt es Gesprächstherapien, in welchen sich Menschen mit den in ihrer Kindheit und Jugend entwickelten (unbewussten) Mustern auseinandersetzen und erkennen, wie diese sich auf ihr heutiges Leben auswirken. Zum anderen können verhaltensorientierte Verfahren helfen, die sich hauptsächlich auf das Aufbauen von Fertigkeiten zum Umgang mit bestehenden Problemen konzentrieren. Dann ist noch der systemische Ansatz zu nennen, der den sozialen Kontext von Problemen miteinbezieht und sich beispielsweise mit dysfunktionalen Strukturen in Unternehmen befasst. Für die richtige Wahl der Therapie raten te Wild und Schiele, sich vor dem Beginn nach dem Behandlungsansatz zu erkundigen, ein paar Probestunden zu vereinbaren und darauf zu achten, ob die oder der Therapeut/in auf der Beziehungsebene zu einem passt.

Sich vor Burn On schützen: Wahrnehmung, Einstellung und Verhalten verändern

Dass ausgerechnet die Erfinder des Begriffs beim Schreiben ihres Buches einem Burn On schon sehr nahegekommen sind, zeigt, dass das "Dauerbrennen" und schliesslich das "Ausbrennen" jeden treffen kann. Der Prävention kann also nicht genug Beachtung geschenkt werden.

Um sich vor einem Burn On zu schützen, gilt es jedoch nicht, jegliche Anspannung zu vermeiden. Vielmehr soll das Ziel sein, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung zu erlangen. Das heisst beispielsweise, mehr Pausen bei der Arbeit einzubauen sowie mehr Energie für private Tätigkeiten und Kontakte zu bewahren. Wem es schwer fällt, sich auf Kommando zu entspannen, soll sich mit etwas beschäftigen, das sich möglichst stark von der vorangegangenen Tätigkeit unterscheidet.

Allen voran empfehlen die Autoren, sich davon zu verabschieden, Arbeit als etwas Anstrengendes und die private Lebenszeit als das absolute Glück zu betrachten, wie der Begriff Work-Life-Balance fälschlicherweise suggeriert. Arbeit soll nämlich Freude machen können, ansonsten ist die Arbeitszeit nicht lebenswert. Die arbeitsfreie Zeit ist ja auch nicht immer eine lustige Spielwiese und es ist normal, dass Menschen im Leben Höhen und Tiefen erleben. So soll man auch nicht jeden Konflikt bei der Arbeit oder privaten Streit gleich als Mobbing oder Feindseligkeit werten.

Zudem hilft es, das Verständnis von Stress zu überdenken. In der Tat gibt es zwei Arten von Stress: Wenn man das Gefühl hat, den Aufgaben nicht gewachsen zu sein oder diese sonst nicht bewältigen kann, kommt es zum negativen und schädlichen Distress. Dagegen entsteht positiver und energiespendender Eustress, wenn die Aufgaben einen herausfordern, aber nicht überfordern und das Gefühl der Sinnerfüllung wecken. Ob sich ein negatives oder ein positives Spannungsgefühl einstellt, hängt also vom subjektiven Stresserleben ab. Es lohnt sich also, den Blickwinkel auf die eigene Arbeit und deren Wertigkeit zu hinterfragen. Und danach zu handeln: Vielleicht macht man sich auf die Suche nach einer passenderen Arbeit oder man erlernt neue Fertigkeiten, um die Arbeit mit mehr Leichtigkeit zu bewältigen.

Fazit

Hinter einem Burn On versteckt sich in der Regel eine chronische Erschöpfungsdepression. Menschen, die sich in ihrem Leben beruflich wie privat harter Arbeit und höchsten Leistungsprinzipien verschreiben, sind besonders anfällig dafür. Oft gelingt es, die permanente Spannung über längere Zeit aufrechtzuerhalten, weil man diese als normalen oder gar erstrebenswerten Zustand bewertet. Doch wer nur noch funktioniert und sich davor verschliesst, positive wie negative Gefühle zuzulassen, kann sich irgendwann nicht mehr vor schädlichen Einflüssen schützen und den totalen Burnout erleiden. Auf eine gesunde Selbstentwicklung zu achten ist umso wichtiger. Sie reicht von der Selbstreflektion über die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln bis hin zum Mut, das Leben wirklich zu leben.

Quellen und weiterführende Informationen

Lippmann, E. Pfister, A. Jörg, U. (2019). Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte Band I (5. Aufl.). Berlin: Springer Verlag,

Rothlin, P. & Werder, P. E. (2007). Diagnose Boreout. Heidelberg: Redline Wirtschaft.

te Wild, B. & Schiele, T. (2021). Burn On – immer kurz vor dem Burnout. München: Droemer Verlag.

Autor/in
Irene-Willi

Irene Willi Kägi

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