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Künstliche Intelligenz (maschinelles Lernen) ermöglicht neue datengetriebene Geschäftsmodelle.

Die "Künstliche Intelligenz" (kurz: KI) hat sich den Status eines Modeworts erklommen. Wer sich mit der Thematik der Digitalisierung auseinandersetzt, findet sich früher oder später im Bereich der KI wieder. Und tatsächlich: Es handelt sich nicht mehr um blosse Zukunftsideen. Die KI bestimmt heutzutage, welche Werbung wir sehen, welche Bücher uns vorgeschlagen werden, welche Webseiten zu unseren Fragen passen, wo wir in den Urlaub fliegen, welches Restaurant in Google Maps wir anvisieren und – man glaubt es kaum – sie bestimmt sogar auf welche Dates wir gehen. Damit entstehen ganz neue datengetriebene Geschäftsmodelle. Eines steht also fest: Die KI wird bleiben und prägt schon heute unseren Alltag.

"Machine Learning": das neue Gehirn?

Obschon der Begriff "Künstliche Intelligenz" in aller Munde ist, spricht in der Fachwelt kaum ein/e IT-Expert/in von KI. Die KI ist also eher ein populärwissenschaftlicher Begriff, der benutzt wird, um Parallelen zum menschlichen Denken herzustellen. Unter Informatikern spricht man in der Regel von "machine learning", wobei es sich um Algorithmen handelt, die selbstständig "lernen" sollen. Eine Rechenoperation wird in diesem System als Neuron bezeichnet und als Knoten dargestellt. Diese sind mit Hunderten, Tausenden oder gar Millionen weiterer solcher Neuronen verbunden, die sich gegenseitig beeinflussen. Damit die Metapher vom menschlichen Gehirn komplett ist, spricht man auch hier vom neuronalen Netzwerk (Burkov, 2019).

Das lernende neuronale Netzwerk

Im klassischen Algorithmus haben wir einen Input, eine einfache Rechenoperation und dann einen Output. So funktionieren die herkömmlichen Computerprogramme. In diesem neuen neuronalen System haben wir zunächst einen Input, dann eine Anzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Neuronen (die jeweils etwas Spezifisches ausrechnen) und dann wiederum einen Output. Diese Wechselbeziehungen sind derart komplex, dass selbst diejenigen, die sie programmieren, nicht wirklich wissen, was das Netzwerk am Ende nun ganz genau gerechnet hat. Im klassischen System ist es praktisch immer klar, welche Kalkulationen dem Programm zugrunde liegen. Im neuen Modell können wir es nur erahnen – das liegt an der riesigen Fülle an Rechenoperationen, die sich gegenseitig beeinflussen und für uns kaum zu erfassen sind.

Die neuronalen Netzwerke funktionieren mit einer gewissen Selbstständigkeit und sind lernfähig (allerdings nur in einem sehr mechanischen Sinne). Wir können dem System z.B. Millionen von Bildern mit und ohne Gesichter zeigen. Mit der Zeit kann es dann von selbst mit einer erstaunlich hohen Genauigkeit unterscheiden, ob es sich nun um ein Bild mit oder ohne Gesicht handelt, selbst, wenn es sich um ein komplett neues Bild handelt. Damit entsteht eine nahezu unfassbare Anzahl von neuen Anwendungsmöglichkeiten der digitalen Technologien (Bibel & Kaufhold, 1987; Kreutzer & Sirrenberg, 2019; Lenzen, 2019; Simon, 2021; Wennker, 2020).

Digitale Daten: das Öl im KI-Motor

Die KI funktioniert nur, wenn wir ihr eine grosse Menge an Daten zur Verfügung stellen. Diese Daten sind nämlich der Grundbaustein, auf dem die gesamte digitale Lernmaschinerie aufbaut. Je mehr Datenmaterial vorhanden ist, desto genauer die Treffsicherheit des lernenden Algorithmus. Aus diesem Grund nennt man digitale Daten das "neue Öl". Und wie mit einem normalen Motor mit normalem Öl, lässt sich auch mit der KI (symbolisch als Motor) und den Daten (symbolisch als Öl) relativ viel Mehrwert für die Gesellschaft generieren.

Nachdem James Watt den Dampfmotor als Vorreiter des klassischen Motors entwickelt hatte, entstanden gänzlich neue Industrien und Ökosysteme. Zunächst lag die primäre Anwendung zwar in der Fortbewegung, also der Dampflokomotive. Doch nachdem die proletarischen Webstühle durch riesige Manufakturen ersetzt worden waren, schienen Produktionsstätten ohne motorgetriebene Instrumente undenkbar. Die Effizienzsteigerung im Vergleich zur blossen Handarbeit übertraf die kühnsten Vorstellungen.

Dasselbe trifft auch auf die KI und datenbasierte Systeme zu. Hier wird nicht die Handarbeit, sondern die Denkarbeit ersetzt. Je mehr wir z.B. MRI-Bilder von krebsversehrten und gesunden Lebern dem System zur Verfügung stellen, desto besser kann es selbständig neue Bilder auswerten und uns mitteilen, ob es sich hier um eine Leber mit oder ohne Krebs handelt. Das wird im Gesundheitswesen massive Arbeitserleichterungen herbeiführen, muss aber durch die jeweiligen Fachexpertinnen und -experten sinnvoll kontrolliert werden.

Über das Internet sind mittlerweile so viele Daten frei zugänglich, dass sogenannte "Deep-Learning-Programme" online nach Daten suchen, um daraus zu lernen. Ein bekanntes Beispiel ist die Übersetzungs-Website DeepL (man erahnt bereits, woher der Name kommt). Da es viele Websites gibt, die auf mehrere Sprachen online publiziert werden, kann das Programm Rückschlüsse auf eine gute Übersetzung machen und letztlich daraus unsere Texte in andere Sprachen übersetzen. Bei der steigenden Datenflut ist es nicht verwunderlich, dass die Algorithmen dabei immer besser werden (Aggarwal, 2018; Krohn et al., 2020; Ryan, 2020).

Der ökonomische und gesellschaftliche Nutzen von KI

Wie bereits nach dem Auftauchen des klassischen Motors bringt auch die KI neue Industrien und Ökosysteme hervor. Ein Schlagwort, mit dem dies oft verdeutlicht wird, ist die "Industrie 4.0" (Andelfinger & Hänisch, 2017; Kaufmann, 2015). Diese neuste Industrialisierungswelle ist durch eine umfassende Digitalisierung charakterisiert. Sie wird stark von der KI mitgetragen und es entstehen dadurch neue Ansätze, die Gesellschaft zu bereichern, ökonomischen Nutzen zu stiften und Geld zu generieren (Ematinger, 2018).

Es erscheint vielen von uns schon fast als selbstverständlich, dass die grössten Konzerne der Welt (gemäss ihrem Marktwert) alles IT-Unternehmen sind. Man kürzt sie oft mit dem Akronym GAFAM ab, worunter Google (heute Alphabet), Amazon, Facebook (heute Meta), Apple und Microsoft fallen. Dabei handelt es sich vorwiegend um datengetriebene Geschäftsmodelle, wo Programme und Daten gehandelt werden. Aus diesem Grund lohnt es sichauch, äusserst wertvolle Apps kostenlos zur Verfügung zu stellen, da damit eine Unmenge an nützlichen Daten über unser Verhalten gesammelt werden kann. Dazu gehören u.a. die sozialen Medien (von TikTok und Instagram bis hin zu LinkedIn oder YouTube) oder auch Apps (z.B. Google Maps).

Neue Geschäftsmodelle durch die Kombination von KI, Deep Learning und NLP

In Zukunft werden noch weitaus mehr solche Geschäftsmodelle entstehen, und zwar durch die Kombination von KI, Deep Learning und NLP (Natural Language Processing). Das eindrücklichste Beispiel dafür ist eine App namens "Dall-E" von OpenAI, einer Firma, die von Elon Musk gegründet wurde. Dall-E arbeitet mit einer Technologie Namens GTP-3 und hat bahnbrechende Konsequenzen (Goh et al., 2021; Ramesh et al., 2021): Das Programm scheint uns besser zu verstehen, als man es einem Computerprogramm zutrauen würde. Über blosse Satzbefehle (also in normalem Deutsch oder Englisch) kann man dem Programm sagen: "Zeichne mir eine fotorealistische Teekanne, die aussieht wie eine Avocado". Der Algorithmus sucht dann im Internet danach, wie eine Teekanne und eine Avocado aussieht und was man unter fotorealistisch versteht. Anschliessend zeichnet es einige Bilder von Avocado-Teekannen, die so authentisch aussehen, dass man sie nicht von einem echten Foto unterscheiden kann. Wohlgemerkt: das Programm hat die Avocado-artige Teekanne aus dem frisch Gelernten frei erfunden und gezeichnet.

Mit derselben Technologie lässt sich durch das Programm "Debuild" über blosse Sprachbefehle eine App bauen oder durch sogenannte "AI Website Builder" im Handumdrehen eine Homepage erstellen (Tingiris & Kinsella, 2021). In einer jüngst publizierten Studie wurde die KI sogar darauf trainiert, über Sprachverarbeitung herauszufinden, ob jemand Gefahr läuft, ein Burnout zu entwickeln (Merhbene et al., 2022).

Fazit: immer mit Verantwortung – aber mit voller Kraft nach vorne

Bezüglich der digitalen Daten, digitalen Transformation und KI stehen wir heute in einer ähnlichen Verantwortung wie bei der ersten industriellen Revolution. Die Industrie "4.0" bietet zwar unglaubliche Möglichkeiten, doch wissen wir nicht so recht, welche Spielregeln wir am besten definieren, damit die neuen Technologien den Menschen dienen und nicht schaden.

In der Vergangenheit wurden Kinder in den Manufakturen eingespannt und Erwachsene konnten trotz der vielen Überstunden in harter Arbeit ihren Lebensunterhalt nicht gewährleisten. Mit der Zeit lernten die Menschen aber Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass die maschinelle Arbeit die Gesellschaft bereichert und nicht beraubt.

Heute zeigt der Skandal rund um Cambridge Analytica, welche Risiken mit der Digitalisierung und KI einhergehen: Hier wurden gezielt Daten gesammelt, um über die sozialen Medien das Wählerverhalten der Amerikaner/innen in Richtung pro Trump zu manipulieren. Ein derartiges Geschäftsmodell ist äusserst gefährlich für eine freie Demokratie. Das Unternehmen hat mit seinen ca. 200 Mitarbeitenden den Skandal allerdings nicht überlebt und musste 2018 Insolvenz anmelden.

Im Prinzip müssen wir vor diesen neuen Technologien keine Angst haben. Wir müssen uns aber unserer Verantwortung bewusst sein und gut Acht geben, dass wir sie zum Wohle der Menschheit nutzen und Kurzsichtigkeiten vermeiden. Mit dem "neuen Öl" lässt sich nämlich ganz schön viel anstellen und es bietet den Nährboden für eindrückliche neue Geschäftsmodelle und Industrien.

Dabei sind vor allem verantwortungsvolle, innovative Köpfe gefragt. Gehören Sie auch dazu?

Quellen und weiterführende Informationen

Aggarwal, C. C. (2018). Neural Networks and Deep Learning: A Textbook. Springer.

Andelfinger, V. P., & Hänisch, T. (2017). Industrie 4.0: Wie cyber-physische Systeme die Arbeitswelt verändern. Springer-Verlag.

Bibel, W., & Kaufhold, G. (1987). Studien- und Forschungsführer Künstliche Intelligenz. Springer.

Burkov, A. (2019). Machine Learning kompakt: Alles, was Sie wissen müssen (2019th ed.). mitp.

Ematinger, R. (2018). Von der Industrie 4.0 zum Geschäftsmodell 4.0: Chancen der digitalen Transformation. Springer Gabler. 

Goh, G., Cammarata, N., Voss, C., Carter, S., Petrov, M., Schubert, L., Radford, A., & Olah, C. (2021). Multimodal Neurons in Artificial Neural Networks. Distill, 6(3), 10.23915/distill.00030.

Kaufmann, T. (2015). Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge: Der Weg vom Anspruch in die Wirklichkeit. Springer-Verlag.

Kreutzer, R. T., & Sirrenberg, M. (2019). Künstliche Intelligenz verstehen: Grundlagen – Use-Cases – unternehmenseigene KI-Journey. Springer-Verlag.

Krohn, J., Beyleveld, G., & Bassens, A. (2020). Deep Learning illustriert: Eine anschauliche Einführung in Machine Vision, Natural Language Processing und Bilderzeugung für Programmierer und Datenanalysten. dpunkt.verlag.

Lenzen, M. (2019). Künstliche Intelligenz: Was sie kann & was uns erwartet (3. Auflage). C.H.Beck.

Merhbene, G., Nath, S., Puttick, A. R., & Kurpicz-Briki, M. (2022). BurnoutEnsemble: Augmented Intelligence to Detect Indications for Burnout in Clinical Psychology. Frontiers in Big Data, 5. 

Ramesh, A., Pavlov, M., Goh, G., Gray, S., Voss, C., Radford, A., Chen, M., & Sutskever, I. (2021). Zero-Shot Text-to-Image Generation. ArXiv:2102.12092 [Cs]. 

Ryan, M. (2020). Deep Learning with Structured Data. Simon and Schuster.

Simon, W. (2021). Künstliche Intelligenz: Das Wichtigste, was Du wissen musst. BoD – Books on Demand.

Tingiris, S., & Kinsella, B. (2021). Exploring GPT-3: An unofficial first look at the general-purpose language processing API from OpenAI. Packt Publishing Ltd.

Wennker, P. (2020). Künstliche Intelligenz in der Praxis: Anwendung in Unternehmen und Branchen: KI wettbewerbs- und zukunftsorientiert einsetzen (1. Auflage). Springer Gabler.

Autor/in
Yoshija Walter

Prof. Dr. Yoshija Walter

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