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Wie sieht die Zukunft des Chatbots als Coach oder Coachin aus? (Symbolbild)

Der Chatbot ChatGPT von Open AI (Microsoft) generiert auf beliebige Fragen erstaunlich differenzierte und meistens auch brauchbare Antworten. Können diese AI-Maschinen zukünftig bald den Coach, die Coachin ersetzen? Was liegt näher als genau diese Frage einem Chatbot zu stellen ...

Wie ChatGPT die Frage nach dem «Coach-Ersatz» beantwortet

Nachfolgende Antwort habe ich erhalten:

  • "Chatbots können dazu beitragen, bestimmte Aspekte des Coaching-Prozesses zu automatisieren und zu vereinfachen, aber sie können einen menschlichen Coach nicht vollständig ersetzen. Hier sind einige Gründe, warum Chatbots nicht in der Lage sind, einen menschlichen Coach zu ersetzen:
  • Menschliche Verbindung: Coaching beinhaltet oft eine menschliche Verbindung zwischen Coach und Coachee. Diese Verbindung kann es dem Coachee erleichtern, sich zu öffnen und ehrlich zu sein, was für einen erfolgreichen Coaching-Prozess entscheidend ist. Ein Chatbot kann nicht dieselbe menschliche Verbindung aufbauen wie ein menschlicher Coach.
  •  Individualisierte Unterstützung: Ein guter Coach kann individuell auf die Bedürfnisse des Coachee eingehen und die Coaching-Sitzungen entsprechend anpassen. Chatbots können zwar auf vordefinierte Antworten und Fragen zurückgreifen, aber sie sind nicht in der Lage, die persönliche Situation und Bedürfnisse des Coachee zu verstehen und anzupassen.
  • Komplexe Themen: Ein Coach kann bei komplexen Themen oder Emotionen unterstützen und auch helfen, tiefergehende Probleme zu erkennen. Chatbots sind in der Regel auf einfache und vordefinierte Fragestellungen ausgelegt, die nicht die gleiche Tiefe und Komplexität von menschlichen Emotionen und Problemen abdecken können.
  • Kreativität und Flexibilität: Coaching erfordert oft kreative Ansätze und flexible Herangehensweisen, um die besten Lösungen zu finden. Ein Chatbot kann nur auf vordefinierte Szenarien und Antworten zurückgreifen und ist somit nicht so flexibel wie ein menschlicher Coach.

Insgesamt können Chatbots bestimmte Aspekte des Coaching-Prozesses verbessern, z.B. durch automatisierte Terminvereinbarungen, Erinnerungen oder Vorlagen für Fragen, aber sie können nicht die individuelle menschliche Unterstützung und die Flexibilität eines menschlichen Coaches ersetzen. Ein menschlicher Coach bleibt weiterhin wichtig, um individuelle Bedürfnisse und komplexe Probleme zu berücksichtigen und um sicherzustellen, dass die menschliche Verbindung in der Coaching-Beziehung nicht verloren geht."

Die Antwort von ChatGPT ist durchaus brauchbar!

Ist diese Antwort brauchbar? Sehr wohl. Sie greift wichtige Unterschiede zwischen Mensch und Maschine auf und beschreibt auch die Einschränkungen des Chatbots.

Ein wichtiger Aspekt im Coaching ist die Qualität der Beziehung (menschliche Verbindung) zwischen Coach:in und Coachee. Eine vertrauensvolle Beziehung hilft dem Coachee, sich mit Unsicherheiten, Veränderungswünschen, Bedürfnissen, Problemstellungen, Verhaltensmuster, usf. vertieft auseinanderzusetzen. So können neue Wahlmöglichkeiten in der Gestaltung der Zukunft entstehen und evtl. dysfunktionale Muster im Umgang mit der Vergangenheit und/oder aktuellen Erlebnissen erkannt werden.

Entwicklung geschieht ausserhalb der Komfortzone, was immer auch eine Verunsicherung beim Coachee bedeutet. Vertrauen, die Kompetenz mit dem Erkannten umgehen zu können und das achtsame Erkennen und Würdigen von Grenzen bei der Bearbeitung von anspruchsvollen Themen, schaffen hierfür die Voraussetzung. Dies braucht eine:n Gesprächspartner:in, die bzw. der auch nonverbale Signale, Stimmungen, Gefühle, Körperhaltung, etc. wahrnimmt und das unbewusst zum Ausdruck Gebrachte mit den Fragen und Herausforderungen in Verbindung setzt. Dies kann neue Erkenntnisse auf Seite der Coachees ermöglichen.

Dieses bewusste Nutzen der eigenen Resonanz auf Wahrgenommenes kann ein Chatbot nicht leisten und wird bei Fragestellungen, die nicht sachrational beantwortet werden können, (vorläufig) an seine Grenzen stossen.

Wo der Chatbot an seine Grenzen stösst – ein aktuelles Beispiel aus einem Coaching

Ein Fachexperte jüngeren Alters möchte eine weitere Stufe auf der Karriereleiter machen und eine Teamführung übernehmen. Er bewirbt sich im eigenen Konzern mehrfach auf offene Positionen und scheitert jeweils. Die mit den Absagen erhaltenen Begründungen sind vage und entsprechen den üblichen Standard-Floskeln. Diese Negativ-Erlebnisse sind Ausgangspunkt für das Coaching.

Die ersten beiden Gespräche (Contracting und erstes Coaching) führten wir ausnahmsweise virtuell durch. Ziele des Coaching sind: die Chancen, eine Teamleiter-Position zu erhalten, zu verbessern und verstehen zu lernen, woran es wirklich liegt, dass er immer wieder Absagen erhält. Ausser fehlender (Linien-) Führungserfahrung brachte er betreffend den Stellenanforderungen jeweils alles mit.

Aufgrund seiner differenzierten Schilderungen der jeweiligen Situationen liessen sich für mich keine offensichtlichen Mängel in der Vorbereitung, den Bewerbungsunterlagen, -gesprächen, etc. erkennen.

Woran kann es sonst noch liegen? Für unser zweites Coaching vereinbarten wir einen physischen Termin bei mir in unseren Coaching-Räumlichkeiten der Coaching Company Pro GmbH. Spannend war es, den Coachee zu erleben, wie er die Treppe hochkam, mit welchem Händedruck er mich begrüsste, wie viel Augenkontakt möglich war, wie er den Coaching-Raum betrat und sich zum Tisch bewegte. Welche Resonanz, welches Gefühl, welche inneren Bilder, welcher Eindruck entstanden da bei mir? Wie bringe ich das eben Wahrgenommene mit dem Thema des Coachings in Verbindung?

Weshalb hat der Coachee bis jetzt immer Absagen erhalten? Es lag nicht an der fehlenden Führungserfahrung...! In der ersten physischen Begegnung mit dem Coachee entstand bei mir der Eindruck von einer Person, die stark verunsichert auf ungewohnte Situationen reagiert, dies mit eingeübten Reaktionen versucht zu kompensieren und mit Selbstabwertung auf mögliche persönliche Entwicklungsthemen reagiert. Traue ich dem Coachee aktuell eine Führungsrolle zu? Nein, eher nicht. Bei mir entstand aufgrund der Widersprüche zwischen "kompetent" Gesagtem und der persönlichen Wirkung ein Gefühl von Irritation, Verunsicherung und es kamen Fragen bezüglich Glaubwürdigkeit auf. Keine gute Ausgangslage, um jemanden einen Job als Teamleiter anzuvertrauen. Dies hat der Coachee aber nie als Begründung für die Absagen erhalten und blieb somit ratlos zurück.

Genau diese Dissonanz war dann ein wichtiger Fokus im weiteren Coaching. Der Coachee entwickelte Bewusstheit über die inneren Prozesse, die für ihn Stress kreierten und seine Bewältigungsstrategien, die seiner Authentizität und Gelassenheit entgegenwirkten. In der Bearbeitung und Umgestaltung dieser bisher unbewussten Muster lag der Wert des Coachings. Der Coachee sammelt aktuell Führungserfahrung in seiner ersten Teamleiter-Rolle.

Ein Chatbot wäre hier an seine Grenzen gestossen und kann deshalb in solchen Entwicklungsthemen (noch?) kein Ersatz für ein Coaching mit einem Menschen sein.

Wo der Chatbot sehr hilfreich sein kann ...

Wenn eine Führungskraft, ein:e HR-Business-Partner:in, ein:e Projektleiter:in mit ihrem bzw. seinem Team im Rahmen eines Workshops aktuelle Problemstellungen zu bearbeiten hat, nutze ich im Rahmen eines  häufig den Problemlösungsprozess "P-U-Z-L-E-M" (Problembeschreibung -> Ursachen -> Zielsetzung -> Lösungsideen -> Entscheidung -> Massnahmen) zur Strukturierung. Das "PUZLEM" hat sich schon unzählige Male bewährt und lässt sich von den Coachees leicht auch selber für die Moderation von Workshops zur Problemlösung nutzen.

Ich habe nicht schlecht gestaunt, als der Chatbot eine fast identische Struktur vorgeschlagen hat (siehe unten). Dies obwohl ich unter "PUZLEM" keinerlei hilfreiche Hinweise im Internet gefunden habe. Auf die Frage "Wie sieht ein typischer Problemlösungsprozess aus?" hat ChatGPT folgende Antwort geliefert:

"Ein typischer Problemlösungsprozess kann in mehrere Phasen unterteilt werden:

  1. Identifikation des Problems: Die erste Phase besteht darin, das Problem zu erkennen und zu definieren. Hier solltest du das Problem so klar wie möglich beschreiben, damit es leicht verständlich ist.
  2. Analyse des Problems: In dieser Phase wird das Problem detaillierter untersucht, um die Ursachen und Auswirkungen des Problems zu verstehen. Das Ziel ist es, eine klare Vorstellung davon zu bekommen, was das Problem verursacht und wie es sich auswirkt.
  3. Entwicklung von Lösungen: Nachdem das Problem identifiziert und analysiert wurde, geht es darum, mögliche Lösungen zu entwickeln. Es können mehrere Lösungsvorschläge generiert werden, um die bestmögliche Lösung auszuwählen.
  4. Entscheidungsfindung: In dieser Phase werden die verschiedenen Lösungsvorschläge bewertet, um die beste Lösung auszuwählen. Faktoren wie Machbarkeit, Kosten, Auswirkungen und mögliche Risiken sollten hierbei berücksichtigt werden.
  5. Umsetzung der Lösung: Sobald die Entscheidung getroffen wurde, geht es darum, die Lösung in die Tat umzusetzen. Hierbei sollten die einzelnen Schritte zur Umsetzung genau geplant und durchgeführt werden.
  6. Überprüfung der Ergebnisse: In der letzten Phase geht es darum, die Ergebnisse der Lösung zu überprüfen. Es wird untersucht, ob die Lösung das Problem effektiv gelöst hat und ob sie nachhaltig ist.

Sollte es notwendig sein, kann der Problemlösungsprozess wiederholt werden, um eine bessere Lösung zu finden. Ein effektiver Problemlösungsprozess erfordert Geduld und Sorgfalt bei der Durchführung jeder Phase, um sicherzustellen, dass das Problem gründlich verstanden und erfolgreich gelöst wird."

Eine wichtige Ergänzung habe ich dennoch! Das "Z" fehlt im vorgeschlagenen Problemlösungsprozess. Lösungsneutrale Ziele zu setzen ist ein oft vergessener oder unterschätzter Schritt auf dem Weg zur Lösung. Wenn ich die Ursachen und die Auswirkungen eines auftretenden Problems untersucht habe, lohnt es sich vor der kreativen Entwicklung von Lösungsideen, sich mit der Zielsetzung zu beschäftigen. Was wollen wir erreichen? Wofür machen wir es? etc. Hier sollten nicht schon Lösungen in die Ziele miteinfliessen. (Z.B. nicht "wir brauchen ein neues IT-System für das Client-Relationship-Management", sondern "wir wollen zeitnah die wichtigsten Informationen zu unseren Kunden verfügbar haben, um schnell und kundenorientiert Angebote formulieren zu können"). Dies erweitert den Fokus für die Lösungssuche und ermöglicht evtl. weitere wichtige Ideen (z.B. Co-Creation-Workshops mit Kunden, etc.).

Wie sieht die Zukunft mit Chatbots aus?

Chatbots werden...

  • immer mehr in unseren (Arbeits-) Alltag integriert
  • sich immer besser unseren individuellen Bedürfnissen anpassen
  • in der Lage sein, Emotionen der Benutzer:innen zu erkennen und darauf passend zu reagieren
  • individuelle Anforderungen immer besser verstehen lernen, um personalisierte Dienstleistungen und Empfehlungen anzubieten und Kundenbedürfnissen noch besser gerecht werden zu können
  • werden mit anderen Systemen verknüpft (z.B. Kundendienst-Tools), um die Effizienz zu steigern und Prozesse zu optimieren
  • ...

Umso mehr werden wir als Menschen (Nicht-Humanoiden) zukünftig gefordert sein, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen, erhalten und pflegen zu können. Ist dies ein Revival der sozialen- und emotionalen-Kompetenz?

Autor/in
Manfred Suter

Manfred Suter

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