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Elisa Feldmann gibt Einblick in ihre Arbeit rund um die Arbeitswelt 4.0. (Bild: Kalaidos FH)

Digitalisierung, Robotisierung und künstliche Intelligenz. Es wirkt schon fast banal diese Schlagwörter aufzuzählen, denn feststeht: Unsere Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Mit dieser Transformation gehen allerdings nicht nur innovative Technologien einher, sondern auch neue, potentiell negative Belastungen für die Mitarbeitenden. Unternehmen sind folglich doppelt gefordert: Zum einen mit technologischen Entwicklungen schrittzuhalten; zum anderen daraus resultierende Belastungen zu antizipieren und entsprechend abzufedern.

Der vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte Förderschwerpunkt «Präventive Massnahmen für die sichere und gesunde Arbeit von morgen» soll genau für diese Herausforderungen Lösungen entwickeln. Hierzu arbeiten über 150 Partner aus Forschung und Wirtschaft in 30 bundesweiten Verbundprojekten gemeinsam an dem Ziel, die Transformation – hin zur Arbeitswelt 4.0 – auch aus gesundheitlicher Perspektive erfolgreich zu gestalten.

Die Fäden dieses Grossprojektes laufen am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Heidelberg zusammen. Im Team um Projektleiter Karlheinz Sonntag untersucht Elisa Feldmann unter anderem, welche Belastungen in der Arbeit 4.0 bestehen und wie sich diese reduzieren lassen. Welche Herausforderungen die moderne Arbeitswelt beinhaltet, und auf welche Instrumente zu deren Bewältigung Unternehmen bereits jetzt zugreifen können, verrät uns die Arbeitspsychologin im Interview.

Frau Feldmann, die neuen Arbeitswelten bringen auch neue Belastungen mit sich. Was sind hierbei aus Ihrer Sicht die Haupttreiber?

Aus Belastungssicht sind insbesondere das zunehmend mobile und flexible Arbeiten zu nennen. Hierbei stellt der virtuelle Austausch, unabhängig von Zeitzonen, oftmals eine zentrale Herausforderung dar. In vielen Fällen ist man noch den direkten und persönlichen Kontakt gewohnt und die Umstellung gelingt folglich nicht immer. Digitales Arbeiten kann einerseits mit Zeitdruck, Unterbrechungen, Multitasking und Entgrenzung einhergehen. Andererseits gibt es auch positive Effekte - etwa eine bessere Arbeitsorganisation durch digitale Unterstützung.

Wann werden aus diesen neuen Belastungen auch potentiell negative Beanspruchungen für die Mitarbeitenden?

Diese Unterscheidung ist wichtig. Es gibt Belastungen in der Arbeitssituation, welche zunächst für alle gelten. Aber individuelle Voraussetzungen bestimmen letztendlich, ob diese für den Einzelnen zur psychischen Beanspruchung werden. Diese individuellen Voraussetzungen sind beispielsweise Berufserfahrung, aber auch der Gesundheitszustand, das familiäre Umfeld und individuelle Bewältigungsstrategien, etwa beim Umgang mit Stress.

Welche Rolle spielt hierbei, dass die Grenze zwischen privatem und beruflichem Leben zusehends verschwindet?

Diese Entwicklung ist in der Tat feststellbar. Arbeit und Privatleben gehen stärker ineinander über. Die Identifikation mit der eigenen Arbeit bleibt dabei aber hoch und spielt entsprechend auch im Privaten eine grosse Rolle. Man muss folglich in der Diskussion von neuen Facetten der psychischen Belastung nicht nur Arbeit 4.0 berücksichtigen, sondern ebenso das Privatleben 4.0. Ein von unserem Team entwickeltes Training zielt daher auch auf eine ganzheitliche Life-Balance ab, statt wie früher auf die Dualität Work-Life-Balance.

Was kann ein Unternehmen machen, um diesen Wandel im Sinne der Mitarbeitenden aktiv mitzugestalten?

Es gibt keine pauschale Lösung für alle Unternehmen. Dies ist sehr abhängig von der Unternehmenskultur und den Menschen, die dort arbeiten. Wichtig ist eine Orientierung an den Bedürfnissen der einzelnen Fach- und Führungskräfte. Es gibt zum Beispiel Personen, die es gut finden, im Urlaub zwischendurch ihre Mails checken zu können. Es gibt jedoch auch Personen, die möchten hier eine klare Auszeit. Hier individuelle Angebote zu entwickeln, aus welchen die Mitarbeitenden nach ihren Bedürfnissen auswählen können, ist eine zentrale Stellschraube für Unternehmen.

Inwiefern kann Ihr Angebot Toolbox «Gesunde Arbeit 4.0» die Unternehmen hierbei unterstützen?

Die MEgA-Toolbox «Gesunde Arbeit 4.0» ist eine webbasierte Datenbank, welche die Ergebnisse des gesamten Förderschwerpunktes bündelt. Dieser digitale Werkzeugkoffer bietet interessierten Unternehmen einen Überblick über die entwickelten Lösungen und Produkte für ein präventives HR- und Gesundheitsmanagement. Dies sind etwa Checklisten und Leitfäden, aber auch Trainingsmaterialien und Apps. Manche dieser Werkzeuge sind universell einsetzbar. Es werden aber auch spezifische Bedürfnisse von KMU oder von bestimmten Branchen berücksichtigt.

Werden insgesamt eher die potenziellen Risiken thematisiert oder werden auch Chancen der neuen Arbeitswelt angesprochen?

Auf jeden Fall auch Chancen. Wie haben ja immer beide Seiten der Medaille. Beispielsweise führt das mobile und flexible Arbeiten zwar zu weniger persönlichem Austausch, erlaubt aber auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier können Unternehmen durchaus Chancen nutzen, etwa im Bereich der Arbeitsgeberattraktivität, wenn sie dies im Personalmanagement entsprechend berücksichtigen.

Auf was muss ein Unternehmen achten, wenn es die Inhalte der Toolbox sinnvoll einsetzen möchte?

Bevor Unternehmen in diesem Bereich aktiv werden, sollten die beteiligten Akteure wie Geschäftsleitung, Personalvertretung und Fachexperten und Fachexpertinnen, eine am Unternehmen ausgerichtete Bedarfsanalyse vornehmen. Dabei sollte geklärt werden, was die genauen Ziele sind und wie diese in der bestehenden Unternehmensorganisation- und kultur am besten realisiert werden können.

Dabei gilt grundsätzlich: Ganzheitlich agieren! Nicht hier mal ein Fragebogen oder dort mal ein Training. Die strategische Einbettung der Gestaltung einer modernen und gesunden Arbeitswelt in der digitalen Transformation in das Gesamtgefüge des Unternehmens ist wichtig, ebenso eine effiziente Kommunikation. Denn nur so kommt bei den Fach- und Führungskräften die Botschaft an, dass es vonseiten des Unternehmens ernst gemeint ist.


Weiterführende Informationen und Quellen:

Überblick über das Gesamtprojekt «Massnahmen und Empfehlungen für die gesunde Arbeit von morgen» (MEgA)

Toolbox «Gesunde Arbeit 4.0»

Life Balance Training

Informationen zur khs worklab GmbH

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Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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