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Wie bewältigen wir die Abfallberge? (Symbolbild)

Die Abfallberge sind am Wachsen. Gründe dafür finden sich u. a. in der raschen Urbanisierung, dem stetigen Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft sowie steigenden Lebensstandards. Das ist ein Problem, denn Abfallberge eignen sich weder zum Wandern noch zum Skifahren. Sie sind giftig und brandgefährlich. Nun zeichnet sich aber laut den Stimmen am Lifefair-Forum ein neuer Lösungsansatz ab: Die Verbindung von Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung.

Die umgekehrte Pyramide des Abfalls

Die Problematik der wachsenden Abfallberge ist nicht neu. Im 2016 produzierte jeder Mensch 0.74 kg Abfall pro Tag. Das wäre, als würde jede Schweizerin, jeder Schweizer täglich rund sieben Tafeln Schokolade in den Mülleimer werfen. Was kann man tun, um die Abfallberge zu verringern? Jean-Marc Hensch (Geschäftsführer Swico, dem Schweizerischen Wirtschaftsverband für ICT-Firmen) spricht von acht geläufigen Ansätzen, geordnet nach dem potenziellen Impact:

Strategien zur Verringerung von Abfall
Strategien zur Verringerung von Abfall

  1. Suffizienz: Im Rahmen eines genügsamen Konsum- und Lebensstils brauche ich ein Produkt erst gar nicht.
  2. Teilen: Ich muss das Produkt nicht besitzen, sondern teile es (beispielsweise Car-Sharing).
  3. Reparieren: Ich verlängere durch Reparatur die Nutzungsdauer eines defekten Produkts.
  4. Lebensdauer: Ich verwende ein Produkt so lange wie möglich (und ersetze es z. B. nicht je nach Trend).
  5. Weiterverwendung: Ich gebe ein nicht mehr benutztes Produkt zur Weiterverwendung frei.
  6. Nutzung von Bestandteilen: Einzelne Komponenten eines Produktes werden weiterverwendet.
  7. Rückgewinnung von Rohstoffen: Das Produkt wird zerlegt und Rohstoffe zurückgewonnen.
  8. Energiegewinnung: Durch Verbrennung des Produkts wird Energie gewonnen.

 

Je weiter unten sich der Ansatz befindet, desto weniger wirksam ist er. Nichtsdestotrotz – auch mit den unteren Ansätzen können beachtliche Einsparungen erreicht werden. Psychologisches Wissen ist primär bei den oberen Ansätzen gefragt, wo es um die Analyse und Veränderung des Verhaltens geht. Aber auch beim Recycling und der korrekten Entsorgung von ausgedienten Produkten spielt Psychologie eine wichtige Rolle.

Geringes Interesse an Kreislaufwirtschaft

Am besten wäre es natürlich, Abfall möglichst gar nicht erst zu generieren. Ressourcen sollen möglichst lange im wirtschaftlichen Kreislauf behalten werden. Dazu zwei Beispiele aus der Kommunikationsbranche:

  • Ein modulares Handy ermöglicht das selbstständige Austauschen von Einzelteilen und verlängert so die Nutzungsdauer bedeutend (vgl. Fairphone).
  • Verbesserte Betriebssysteme machen ältere Mobiltelefone schneller und verringern entsprechend das Bedürfnis, sich ein neues Mobiltelefon zu kaufen. 

Mit Kreislaufwirtschaft sind laut der Ellen MacArthur Foundation Einsparungen von mehr als 1’000 Milliarden USD möglich bis 2025. Unabhängig davon, was man von solchen Schätzungen hält: Sowohl ökonomisch als auch ökologisch ist mehr Recycling sinnvoll. Wenn also viel Geld damit gemacht werden könnte, warum wird dann so wenig recycelt und/oder Recyclingmaterial verwendet?

Henning Wilts vom Wuppertal Institut nennt Such- und Transaktionskosten als zentrale Gründe. Um recyceltes Material in der Produktion zu verwenden, braucht es oft mehr Wissen, neue Lieferanten und Qualitätschecks. Es stellen sich Fragen nach der Sicherheit, der Reputation, und der Qualität. Sibyl Anwander (Abteilungschefin Ökonomie und Innovation, Bundesamt für Umwelt) spricht zudem fehlende Kostenwahrheit an. Solange wir nicht den vollen Preis für einen Rohstoff zahlen (inkl. verursachter Umweltschäden), sind Primärstoffe schlicht zu günstig im Vergleich zu recycelten Stoffen.

Treiber Digitalisierung

Es fehlt nicht nur am Interesse, sondern auch an Daten und Informationen – und wenn diese vorhanden sind, sind sie oft zu wenig verständlich und klar aufbereitet. Hier kann die Digitalisierung ansetzen. Sie wird als Treiber für die Kreislaufwirtschaft angesehen. Durch digitale Innovationen werden Daten schneller und vollständiger den richtigen Akteuren vermittelt. Die oftmals herausfordernde Interpretation der Daten wird erleichtert. Neue Darstellungsmethoden zeigen Information verständlicher und nutzbarer auf. Gerade bei der Kreislaufwirtschaft und im Recycling fehlen oft Daten, sind zu unübersichtlich aufbereitet, oder gelangen nicht an den richtigen Akteur in der Verarbeitungskette. Digitalisierung senkt genau diese Transaktions- und Suchkosten. 

Das Potenzial ist sehr gross – die Umsetzung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Henning Wilts ist vom Potenzial der Digitalisierung als Treiber für die Kreislaufwirtschaft überzeugt. So könnten Sensoren in Abfalltonen laufend die Menge sowie den Verschmutzungsgrad messen, für die Leerung selbstfahrende Lieferautos zur Tonne rufen und die Fabrik für die Weiterverarbeitung mit Informationen wie Abfallmenge, Verschmutzungsgrad, Materialeigenschaften und genauer Ankunftszeit benachrichtigen. Während einige Technologien niederschwellig umsetzbar sind, gibt Wilts zu bedenken, dass jede Technologie auch einen neuen ökologischen Fussabdruck mit sich zieht. Alleine die Entwicklung und Herstellung von neuen Technologien benötigt oft sehr viele Ressourcen. Daher gilt es jeweils gegenüberzustellen, welche technische Innovation unter welchem Aufwand welchen (ökologischen) Gewinn ergibt.

Fazit: Die Digitalisierung wird neue Geschäftsmodelle ermöglichen, indem Such- und Transaktionskosten vermindert werden. Wertvolle Daten und Informationen werden schneller zur Verfügung stehen sowie entscheidungs- und handlungsorientierter aufbereitet sein. Digitalisierung kann als Treiber für die Kreislaufwirtschaft wirken und – hoffentlich – den Abfallbergen ein Ende setzen.

 

Weiterführende Informationen und Quellen:

Ellen MacArthur Foundation (2014). Towards the circular economy. Accelerating the scale-up across global supply chains. Zugriff am 8.10.2018. Verfügbar unter https://www.ellenmacarthurfoundation.org/assets/downloads/publications/Towards-the-circular-economy-volume-3.pdf. 

Medienmitteilung und weitere Informationen zum Lifefair-Forum unter https://forum.lifefair.org/lf32

Autor/in
Regula von Büren

Regula von Büren

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