Was IT-Berater/innen wirklich motiviert
Irene Willi Kägi
Die Suche nach geeigneten IT-Fachleuten gestaltet sich in der Schweiz besonders schwierig. Bereits rekrutierte Fachkräfte an das Unternehmen zu binden, steht daher im Fokus vieler Unternehmen. In der Praxis werden häufig Anreizsysteme verwendet, um Mitarbeitende auf die strategischen und operativen Ziele des Unternehmens einzustimmen und sie zu zielkongruentem Verhalten zu bewegen. Doch wie gut erfüllen Anreizsysteme diesen Zweck tatsächlich? Mit dieser Fragestellung hat sich Niklas Neu in seiner Abschlussarbeit für den Bachelor of Science FH in Business Information Technology (BIT) auseinandergesetzt. Im Interview mit Niklas Neu erfahren Sie, inwiefern materielle und immaterielle Anreize die Arbeitsmotivation nachhaltig beeinflussen.
Der Fachkräftemangel in der IT-Branche ist ein bekanntes Problem. Gibt es weitere Gründe, warum Mitarbeiterbindung und -motivation in dieser Branche besonders relevant sind?
Für junge Berufstätige in der Schweiz scheint Geld tendenziell an Bedeutung zu verlieren und immer weniger zu motivieren. Gemäss der Studie „Professional Research 2017“ nimmt die Bedeutung des Geldes als Motivationsmittel insbesondere bei Wirtschaftswissenschaftlern, Ingenieuren und Informatikern laufend ab. Während ein hohes Einkommen in Deutschland und Österreich beispielsweise zu den Top 10 der Karriereziele gehört, spielt dieses in der Schweiz dagegen in der IT-Branche weder bei Frauen noch bei Männern eine bedeutende Rolle. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Zahlen der Gallup-Studie „Engagement Index Deutschland“ zu erwähnen: Hiernach verzeichnet die Schweiz im deutschsprachigen Raum (DACH) im Zeitraum von 2014 bis 2016 den höchsten Wert (76 Prozent) an Mitarbeitenden mit einer geringen Bindung zu ihrem Unternehmen. Der Schluss liegt nahe, dass sich gerade IT-Unternehmen mit dem Thema Motivation beschäftigen sollten, damit sie im Kampf um die besten Talente die Nase vorn haben.
Was bedeutet Motivation im Kontext einer Organisation?
Für meine Arbeit war die Selbstbestimmungstheorie (SDT) nach Deci und Ryan (2014) von besonderem Interesse, da sie unter anderem im Arbeitsumfeld angewendet werden kann und bis heute wissenschaftliche Studien anregt. Die SDT besagt, dass nicht die Motivationsstärke (viel oder wenig Motivation), sondern der Motivationstyp entscheidend für die Vorhersage von Ergebnissen ist. Die SDT unterscheidet zwei verschiedene Motivationstypen: erstens die selbstbestimmte bzw. autonome Motivation, bei der eine Person eine Handlung durchführt, die sie frei gewählt hat und die mit ihrem Willen übereinstimmt. Und zweitens die kontrollierte Motivation, die als aufgezwungen erlebt wird. Letztere ist ganz klar negativ behaftet, da eine Handlung durch externe Einflüsse wie z.B. durch Druck oder Aufforderungen – und nicht aufgrund einer freien Entscheidung – induziert wird.
Hypothesenmodell, welches in der Bachelorarbeit von Niklas Neu statistisch überprüft wurde (Grafik: Niklas Neu)
Die SDT schreibt ferner allen Menschen ein Bedürfnis nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Verbundenheit zu: Kompetenz bedeutet, dass Menschen Herausforderungen suchen, um sie mit ihren Fähigkeiten zu bewältigen und als Folge die Fähigkeiten immer weiterentwickeln. Autonomie beschreibt den Sachverhalt, dass Personen das eigene Verhalten möglichst selbst steuern möchten. Dies ist jedoch nicht mit Unabhängigkeit zu verwechseln. Personen können zwar autonom agieren, aber trotzdem von anderen Personen abhängig sein. Der Fokus bei der Definition von Autonomie liegt im freien Willen und der Selbstbestimmung des Mitarbeitenden. Soziale Verbundenheit spiegelt den Wunsch wider, Teil einer Gemeinschaft zu sein und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erleben. Folglich wird gemäss der SDT der Mensch aktiver und optimal motiviert, wenn das soziale Umfeld die drei psychologischen Grundbedürfnisse befriedigt und vice versa.
Wie sieht es denn mit den materiellen Anreizen, wie einer leistungsbasierten Vergütung, aus? Ist der Bonus ein geeignetes Mittel zur Erhöhung der Arbeitsmotivation?
Es kann keine pauschale Aussage über die Wirksamkeit von Boni getroffen werden, sondern es scheint auf den Kontext und die daraus resultierende Wahrnehmung der Mitarbeitenden anzukommen, in dem sie vergeben werden. Die unterschiedliche subjektive Auffassung eines Bonus, die von vielen Faktoren abhängen kann, macht es empirischen Studien schwer, eindeutige Belege entweder für oder gegen Geld als Motivator zu finden. Wenn Personen direkt nach Faktoren gefragt werden, die für die Motivation entscheidend sind, fällt auf, dass in dieser Befragung die „Höhe des Bonus“ als unwichtigster Faktor betrachtet wird. Die im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit durchgeführte Befragung in der IT-Branche legt zudem dar, dass ein Bonus, der zu stark kontrollierend wirkt, eine weniger nachhaltige Motivation fördert. Daher kann festgehalten werden, dass – sofern ein Anreizsystem im Unternehmen existiert – dieses so konzipiert werden sollte, dass Mitarbeitende einen Bonus nicht als kontrollierend, sondern eher als informative Quelle für ihre Leistung auffassen. Dadurch werden die Bemühungen des Einzelnen ermutigt und der Fokus auf die Aktivität selbst gerichtet.
Inwiefern beeinflussen immaterielle Faktoren, wie z.B. ein gutes Arbeitsklima, die Motivation der Mitarbeitenden?
Meine Arbeit zeigt, dass in der Tat immaterielle Faktoren eine nachhaltige Motivation eher begünstigen, allen voran interessante Aufgaben bzw. Tätigkeiten, aber auch Flexibilität am Arbeitsplatz, Autonomie und ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Kolleginnen. Dass diese Faktoren im Durchschnitt höher bewertet wurden als der materielle Anreiz, spricht für die Selbstbestimmungstheorie. Die hohe Bewertung interessanter Tätigkeiten bzw. Herausforderungen weist darauf hin, dass in der IT-Beratung Personen arbeiten, die eher auf der Suche nach komplexen Aufgabenstellungen sind. Dies erscheint in gewissem Masse logisch, da die Befragten sich mit der Wahl ihres Arbeitsorts gleichzeitig für ein dynamisches und vielseitiges Umfeld entschieden haben, in welchem stets neue Kundenanforderungen umgesetzt werden müssen.
Weitere wichtige Erkenntnisse meiner Arbeit waren, dass hohe Autonomie den kontrollierten Motivationstyp reduziert. Je autonomer die Motivation der Mitarbeitenden ist, desto zufriedener sind diese bei der Arbeit. Nach autonomer Motivation zu streben, scheint sich also gleich doppelt zu lohnen. Unternehmen sind daher gut beraten, ein besonderes Augenmerk auf das Autonomiebedürfnis zu legen und die Mitarbeitenden dabei entsprechend zu unterstützen. Das optimale Ziel, dass Mitarbeitende aus eigenem Antrieb handeln, ist in der Praxis nicht immer gegeben. Aus diesem Grund ist ein weiterer wesentlicher Aspekt für eine gesunde Motivation, Mitarbeitende mit Aufgaben zu versorgen, die sie interessant, abwechslungsreich und in einem adäquaten Rahmen herausfordernd finden.
Niklas Neu arbeitet als SAP Technology Consultant und hat den Bachelor in Wirtschaftsinformatik an der Kalaidos FH absolviert.
Quellen und weiterführende Informationen
Gallup GmbH. (2017b). Engagement Index Deutschland.
Mair, S. (2017). Die satten Idealisten. Handelszeitung, 39, 26–27.