Führung in der Transformation
Susanne Roth
Führungskräfte stehen heute in einem grossen Spannungsfeld. Sie müssen die Mitarbeitenden durch die dicht aufeinanderfolgenden Veränderungen führen. Sie sollen Sicherheit und Zukunftszuversicht ausstrahlen. Sie sind aber auch selbst Betroffene von diesen Veränderungen, wird doch aktuell unser Verständnis von „guter“ Führung ziemlich radikal auf den Kopf gestellt. Plötzlich sollen sie „nur noch“ die Richtung vorgeben, Rahmenbedingungen schaffen und sogar noch Selbstorganisation unterstützen. Wie kann die Führungskraft in diesem herausfordernden und oft auch widersprüchlichen Umfeld unterstützt werden?
Kein Tag vergeht, ohne dass in den Medien der Begriff Digitalisierung zu lesen ist. Folgt man in den sozialen Medien Themen wie Management, Wirtschaft oder Führung, wird man täglich mit den schneller werdenden Veränderungen konfrontiert. Fast schon wird einem gedroht, jetzt endlich anders zu arbeiten, da sonst der Anschluss verpasst wird und entweder die Mitarbeitenden kündigen oder das Geschäftsmodell nicht mehr gefragt ist. Auch wenn es oft nach Angstmacherei tönt und es auch ganz viele selbsternannte Berater und Beraterinnen gibt, welche die Gunst der Stunde nutzen, um die eigenen Weisheiten und Best-Practice-Lösungen an den Mann zu bringen, ist es täglich spürbar: Die Arbeitswelt verändert sich und damit auch die Führung.
Führung verändert sich
Doch was hat es genau mit dieser neuen Art der Führung auf sich? Setzt man sich etwas intensiver mit den neuen Arbeitsformen auseinander, wird klar: Auf diese Frage gibt es keine abschliessende Antwort. Wie sich die Anforderungen der Kunden verändern, ändern sich auch die Anforderungen an die Führung. Es gibt wesentliche Faktoren, welche die Führung in der aktuellen Transformationsphase prägen: Der Fokus in der Führung liegt heute verstärkt auf den Menschen und die Führung muss den Wandel aktiv mitgestalten und ermöglichen.
Dabei orientiert sich die Führung an einem Menschenbild, welches Menschen etwas zutraut und davon ausgeht, dass sie von sich aus gewillt und in der Lage sind, etwas zu leisten und sich weiterzuentwickeln. Eine zentrale Aufgabe der Führungskraft ist, Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen Teams und Mitarbeitende die bestmögliche Leistung erbringen können. Dazu gehört das Organisieren der Zusammenarbeit, die Förderung und Befähigung von Mitarbeitenden und die Schaffung von Transparenz. Darüber hinaus muss die Führung den Wandel aktiv mitgestalten und ermöglichen, das Lernen der Organisation zulassen und fördern.
Die Geschwindigkeit der Veränderungen und der Paradigmenwechsel, den dieser Wandel mit sich bringt, zeigen auf: Es braucht eine neue Art von Change Management. Das heute vorherrschende Vorgehen im Sinne eines Projektes, mit klarem Start und definiertem Ende, ist nicht mehr geeignet, um die anstehenden Veränderungen zu bewältigen. Es braucht einen kontinuierlichen Wandel. In kleinen Schritten soll ein neues Verständnis über Führung, Arbeitsformen und Zusammenarbeit aufgebaut werden. Es muss ein Prozess von Lernen, Ausprobieren, Reflektieren angestossen werden.
Wie wandeln wir uns als Führungskraft?
Doch wie kann ein solcher Veränderungsprozess bei den Führungskräften auf fruchtbaren Boden stossen? Zuerst muss das Bewusstsein vorhanden sein, dass die Führungskräfte selbst von einer Veränderung betroffen sind und es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die es den Führungskräften erlauben, sich mit der Veränderung ihres Berufsbildes auseinanderzusetzen. Dann braucht es digitale Kanäle, auf welchen sich die Führungskräfte über diese neue Art der Führung informieren und austauschen können. Als weiteres Angebot müssen Gefässe und Plattformen für den persönlichen Erfahrungsaustausch geschaffen werden: Hier können Führungskräfte sowohl Stolpersteine und Best Practices als auch Chancen und Gefahren im Erproben der neuen Führungsformen mit ihren Peers teilen und vertiefen.
Eine Herausforderung dieser Angebote ist, die Führungskräfte zu erreichen. Doch solche Veranstaltungen oder Plattformen als obligatorisch zu erklären, ist kaum der richtige Ansatz und widerspricht der neuen Arbeitswelt. Es braucht viel Zeit und Geduld, damit der Kreis der Freiwilligen immer grösser wird. Sinnvollerweise werden solche Initiativen nicht Top-down verordnet, sondern durch interessierte Mitarbeitende initiiert und in die Unternehmung getragen.
Ausprobieren, Erfahrungen sammeln und daraus lernen gilt nicht nur für die Produktentwicklung, sondern auch für die Veränderung der Arbeitsformen und somit der Führungsarbeit. Eine gute Reflexion, das heisst immer wieder genau hinzuschauen, was die Veränderungen auslösen, ist in diesem kontinuierlichen Wandel wichtig. Coaching- oder Beratungspersonen können in solchen Veränderungsphasen sehr wertvolle Unterstützung der Führungskräfte sein: Sie vermitteln ihnen Sicherheit, achten aber gleichzeitig darauf, dass Veränderung wirklich stattfindet und geben der Reflexion den entsprechenden Raum. Solche Unterstützungsangebote sind jedoch sehr niederschwellig zur Verfügung zu stellen, damit die Führungskräfte ermutigt werden, diese neuen Arbeitsformen einfach einmal auszuprobieren.
Was, wenn die Führungskraft sich selbst nicht mehr als Führungskraft sieht?
Aufgrund der Veränderungen der Führungsarbeit ist es sehr gut möglich, dass nicht alle heutigen Führungskräfte diese Rolle in Zukunft weiter ausüben wollen. Heute gilt der Wechsel in eine Aufgabe ohne Führung eher als Abstieg. Führungskräfte, die einen solchen Schritt gemacht haben, sollen sichtbarer gemacht und ermutigt werden, über ihren Wechsel zu sprechen. Dadurch wird das Verständnis geschaffen, dass es keinen Gesichtsverlust mit sich bringt, wenn man nicht mehr in der Führung tätig sein will.
Es gibt kein Rezept für den Wandel hin zu einer anderen Art der Führung, neuen Arbeitsweisen und Formen der Zusammenarbeit. Doch wenn es ein Rezept geben soll, heisst dieses: Ausprobieren, Reflektieren, Lernen! Führungskräfte, welche sich auf solche Veränderungsprozesse einlassen, werden zwar erleben, dass es nicht immer einfach und vielleicht sogar schmerzhaft ist, die eigene, oft machtvolle Rolle zu verändern. Doch sie werden auch Freude spüren, wenn Mitarbeitende und Teams plötzlich selber Führung übernehmen und sich aktiver einbringen.
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Quellen und weiterführende Informationen
Hofert, S. (2016). Agiler führen. Einfache Massnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität (1. Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Springer Gabler.
Gergs, H.-J. (2016). Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management (1. Auflage). Weinheim: Beltz.
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