Inhaberaktie auf dem Abstellgleis? (1/3)
Tobias Hunkeler-Merz
Die Aktiengesellschaft ist in ihrer Wahl zwischen Inhaber- und Namenaktien grundsätzlich frei.
Der grosse Unterschied zwischen den Namen- und Inhaberaktien besteht darin, dass die Gesellschaft über ihre Namenaktionäre/innen ein Aktienbuch zu führen hat und damit diese auch namentlich kennt. Diese Nuancierung zwischen den beiden Wertpapierarten wurde mit der beschlossenen GAFI-Gesetzgebung (Empfehlungen der Groupe d’action financière) ab 1. Juli 2015 grundlegend verändert.
Unterschiede zwischen Namenaktie und Inhaberaktie
Die Unterschiede zwischen der Namenaktie und der Inhaberaktie können unter folgenden Gesichtspunkten erkennbar gemacht werden:
1. So bedarf es zur Übertragung der Inhaberaktie eines Verpflichtungsgeschäfts sowie der Verfügungsmacht des Veräussernden, nebenher ist die Titelübergabe genügend.
2. Für die Namenaktie sind die Voraussetzungen wie bei der Inhaberaktie zu erfüllen, zusätzlich wird aber ein Indossament oder eine Abtretungserklärung benötigt.
Da die Voraussetzungen für die Übertragung von Inhaberaktien geringer sind als bei Namenaktien, gelten die Inhaberaktien als verkehrsfähiger.
Legitimation
Die Legitimation für die Inhaberaktie erfolgt normalerweise mittels Vorlage des verbrieften Inhaberpapiers. Bei der Namenaktie ist die Legitimation mit Eintragung in das Aktienbuch genügend. Ein weiterer Berechtigungsnachweis ist hierbei nicht nötig.
Vorteile der Inhaberaktie
Die Vorteile der Inhaberaktie liegen bei ihrer leichten Übertragbarkeit und der einfachen Legitimation der Aktionärsrechte mittels Vorlage des Inhaberpapiers.
Nachteile der Inhaberaktie
Als Nachteile der Inhaberaktie gelten, dass die Aktionärsrechte durch eine unberechtigte Person geltend gemacht werden könnten, da sich diese im Besitz des Inhaberpapieres befindet und somit über die nötige Legitimation verfügt.
Ebenso nachteilig für die Gesellschaft kann es sein, dass sie ihr Aktionariat nicht kennt und nicht entsprechend mit diesem in Kontakt treten kann.
Nationale Verbreitung der Inhaberaktie
Die Inhaberaktie ist zwar nicht die weitverbreitetste Aktienart in der Schweiz, trotzdem kann sie sich einer grossen Beliebtheit erfreuen. Jedoch gilt bei börsenkotierten Aktiengesellschaften, dass sich diese eher der Namenaktie zuwenden. Dabei ist auch der Trend festzustellen, dass die Einheitsaktien bei Publikumsgesellschaften auf dem Vormarsch sind. Dabei gilt der Grundsatz: Eine Aktie – eine Stimme, auch bekannt als one share – one vote, welcher sich am angelsächsischen Gesellschaftsrecht orientiert.
In einer Fortsetzung erfahren wir mehr über die Auswirkungen der neuen Vorschriften im Schweizer Obligationenrecht (Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière, GAFI-Gesetzgebung).
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Weiterführende Literaturhinweise:
Baudenbacher, C. (2012). Die Aktiengesellschaft. In H. Honsell, N. P. Vogt & R. Watter (Hrsg.), Basler Kommentar. Obligationenrecht II (4. Aufl., S. 262-272). Basel: Helbling Lichtenhahn.
Böckli, P. (2009). Schweizer Aktienrecht (4., vollständig neu bearbeitete Aufl.). Zürich: Schulthess.
Druey, J. N. & Glanzmann, L. (2015). Die Aktie. In J. N. Druey, E. Druey Just & L. Glanzmann (Hrsg.), Gesellschafts- und Handelsrecht (11. Aufl., S. 131-148). Zürich: Schulthess.
Sanwald, R. (2000). Bedeutung und Zukunft der Inhaberaktien in der Schweiz. Reprax - Zeitschrift zur Rechtssetzung und Praxis in Gesellschafts- und Handelsregisterrecht, 2 (2), 22-35.
Spoerlé, P. (2015). Die Inhaberaktie - Ausgewählte Aspekte unter Berücksichtigung der GAFI-Gesetzesrevision. Zürich: Dike.