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Ein agiles Setting erfordert auch das Überdenken bestehender Rollen. (Symbolbild)

In den Nachwehen der Pandemie haben viele Organisationen Homeoffice und flexibles Arbeiten etabliert. Doch wird dies bei Weitem nicht ausreichen, um passende Mitarbeitende zu finden und im dynamischen Wettbewerb überleben zu können. Deshalb besinnen sich immer mehr Organisationen auf das Prinzip der Agilität, welches vor der Pandemie einen ersten Hype erlebte. Agilität ist weder gut noch schlecht. Für Organisationen oder Bereiche, die sich mit zunehmender Unsicherheit und Komplexität konfrontiert sehen, können agile Ansätze jedoch nachweislich wirksam sein. Die Rolle von HR ist dabei wesentlich.

Wozu agile HR-Rollen?

Um als Treiber oder zumindest Supporter der agilen Transformation glaubhaft agieren zu können, braucht HR nicht nur ein umfassendes Verständnis für die unterschiedlichen agilen Arbeitsmethoden und ihre Wirkungsweisen, sondern auch ein neues Set-up mit neuen Rollen! Während man in der Praxis eine ungezwungene Experimentierfreude beobachten kann (Mollet & Kaudela-Baum, 2022), hat sich in der Theorie bisher kein neues Rollenmodell durchgesetzt – ja, es fehlt sogar ein ernsthafter Diskurs dazu (McMackin & Heffernan, 2021). Im folgenden Beitrag sollen deshalb drei unterschiedliche Ansätze vorgestellt werden, mit dem Ziel, eine Basis für systematischere Experimente in der Praxis zu legen.

1. Neue Kompetenzen – neue Rollen

Ein Ansatz umfasst die lose Sammlung unterschiedlicher Rollen, die sich aus dem Set neuer Kompetenzen ergeben, welche HR mitbringen muss, um in agilen Organisationen wirksam zu sein (z.B. Sage, 2021). Zusätzlich zu den klassischen Rollen HR Business Partnering (HRBP), Organisationsentwicklung (OE), Personalentwicklung (PE) und Administrative Expert (von Dave Ulrich) kommen also weitere hinzu. Im Folgenden sind einige davon kurz beleuchtet:

  • HR Data Scientist: HR Analytics als Basis für ein vorausschauendes und effizientes HR ist sicher auch im agilen Setting essentiell. Diese Rolle wird aufgrund der exponentiellen Entwicklung im Bereich KI noch an Bedeutung gewinnen.
  • HR Technology Lead: traditionellerweise wird diese Rolle eher in der IT angesiedelt und wirkt als Vermittler zwischen den beiden Welten HR und IT.
  • Head of Behavioral Science: Verhaltensökonomische sowie arbeits- und organisationspsychologische Kenntnisse sind generell zur Begleitung von Veränderungsprozessen erforderlich, aber auch bei der Ausgestaltung von Anreizen (z.B. Vergütung, Beförderung). Da agile Teams sich u.a. durch geteilte Führung und Kooperation von herkömmlichen Settings unterscheiden, sind diese Kenntnisse essentiell.
  • Communications und Marketing-Lead: Auch hier eine klare Schnittstellenfunktion. Ist sie im HR angesiedelt, kann sie einerseits eine verbesserte bereichsübergreifende Zusammenarbeit fördern und andererseits die Kommunikation von HR mit internen und externen Stakeholdern professionalisieren. 
  • Diversity, Equity, and Inclusion (DEI) Manager: Agile Teams sind nicht selten auch heterogen – und Heterogenität fördert nachweislich Innovation in Teams. Eine sorgsame Begleitung durch den/die DEI Manager:in kann die Effektivität in agilen Teams klar erhöhen. 
  • Agile HR Coach: Dank dieser Expertenrolle kann v.a. zu Beginn der agilen Transformation das HR-Team und die Gestaltung dessen Dienstleistungserbringung gut begleitet und unterstützt werden.

Zusammenfassend erweitert das oben vorgestellte Modell demnach die bestehenden HR-Rollen. Diese Schnittstellenfunktionen direkt in die HR-Organisation zu integrieren, fördert die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und kann z.B. für HR Teams in grösseren Organisationen sinnvoll sein, die nur wenige agil ausgestaltete Bereiche umfasst. Aber auch generell für Teams, welche erste Schritte Richtung agile Organisation unternehmen möchten.

2. Agile Rollen für ein agiles HR

Ein anderer Ansatz orientiert sich ganz an den Scrum-Rollen (Haufe, 2020) und ergänzt sie mit der HR-Perspektive.

Die Scrum-Methode kennt drei Rollen, die im Team verteilt werden: Der Scrum-Master ist dafür verantwortlich, dass die Scrum-Prinzipien und -Prozesse effektiv angewendet und kontinuierlich verbessert werden. Der Product Owner formuliert die Anforderung des Projektes und priorisiert die Aufgaben. Als Schnittstelle zwischen dem Scrum-Team und deren Stakeholdern stellt die Rolle sicher, dass die Aufgaben des agilen HR Teams auf die strategischen Ziele des Unternehmens abgestimmt sind. Weitere Rollen finden sich im Development Team, welches für die Umsetzung verantwortlich ist. Je nach Auftrag bzw. Projekt setzt sich dieses durch unterschiedliche Expertinnen und Experten zusammen. Im HR Team könnte dies beispielsweise die Rolle des Talent Agile Scouts sein, die sich darauf fokussiert, Talente zu identifizieren, zu fördern und zu entwickeln. Sie stellt somit sicher, dass die Organisation über die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt, um agil zu arbeiten. Diese Rolle würde demnach die klassischen Aufgaben von PE und Recruiting vereinen.

Darüber hinaus gibt es noch die Rolle des Agile Coach oder Agile Leader, welche auf übergeordneter Ebene die agile Transformation in der Organisation vorantreibt. Diese Rolle ist geleitet durch eine klare Vision und schafft eine Kultur der Offenheit und Kollaboration (agiler Mindset). Sie kann ebenfalls im HR angesiedelt sein. Bei diesem Ansatz stellt sich die Frage, inwiefern dieses Setting neben der Projektarbeit auch für das Tagesgeschäft tauglich ist und wie in diesem Fall die Ressourcenplanung und -aufteilung vorgenommen werden.

3. Das «Agile Edgellence»-Modell

Was bereits im Ansatz der agilen Rollen angedacht ist, wird im folgenden Rollenmodell nochmals expliziter: die Integration von HR im Business.

Grafik Agile Edgellence
Abb.: Das Agile Edgellence Modell (Grafik: eigene Darstellung nach Häusling & Fischer, 2020)

Im «Agile Edgellence»-Modell (Häusling & Fischer, 2020) ist die HR-Organisation Teil einer dezentral strukturierten Netzwerk-Organisation und arbeitet cross-funktional. Die Rollen im Service Delivery Center (SSC) fokussieren auf das Tagesgeschäft und können intern erbracht werden oder auch von extern eingekauft werden. Kein neues Konzept, aber nun geleitet von der Idee einer organisationsübergreifenden Netzwerkstruktur. Im Transformation Center (TC) ist die Unternehmensentwicklung und PE angesiedelt, wobei dieses «Gefäss» als zentrale Schnittstelle zu anderen Geschäftsbereichen fungiert. Die Rollen Cultural Enabler und Transformation Enabler werden zwar nicht weiter ausdifferenziert, wirken aber als Hauptverantwortliche der Gestaltung und Unterstützung der agilen Transformation auf der Gesamt-Unternehmensebene. Interessant ist hier die Rolle des HR Business Partners, die explizit im Business verortet ist, nicht in der HR-Abteilung.

Fazit: Was taugen die Modelle für die Praxis?

Was zeigt uns der Blick auf die Modelle? Alles alter Wein in neuen Schläuchen? Was sich mit Bestimmtheit zeigt, ist die (ur-)alte Diskussion zwischen den richtigen Graden an Integration und Dezentralisierung. Letzten Endes ist ein Modell auch nur so wirkungsvoll, wie es akzeptiert und umgesetzt wird, weshalb nun als nächster Schritt die verschiedenen Modelle in der Praxis erprobt werden sollten, sodass sich der Kreis wieder schliesst: «The proof of the pudding is in the eating.»

Autor/in
Monika Rohrer

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