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Digitalisierung kann die Nachhaltigkeit unterstützen, ob Vor- oder Nachteile überwiegen, ist jedoch schwer zu bewerten. (Symbolbild)

Nachhaltigkeit und Digitalisierung bilden ein grosses Feld mit erheblichen Herausforderungen sowie gleichzeitig grossen Chancen. In den meisten Fällen wird nur eines dieser Themen separat betrachtet, ohne eine eingehende Analyse der Wechselwirkungen zwischen beiden Bereichen und die Entwicklung von Strategien, die sich auf die gemeinsamen Aspekte beziehen (vgl. Del Río Castro et al., 2021). Die Digitalisierung hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft. In diesem Blogbeitrag werden die positiven Effekte der Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit anhand konkreter Beispiele aufgezeigt. Gleichzeitig werden auch die Nachteile und Herausforderungen aufgezeigt, die mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehen.

Was sind die positiven Effekte der Digitalisierung in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Digitale Technologien ermöglichen eine effizientere Energieverwaltung. Smart Grids, zum Beispiel, optimieren den Stromverbrauch und tragen zur Reduzierung von Energieverlusten bei. Durch die Integration erneuerbarer Energiequellen und die intelligente Steuerung des Energieverbrauchs kann der CO2-Ausstoss reduziert werden (vgl. Carvallo & Cooper, 2015).

Ressourceneffizienz: Die Digitalisierung ermöglicht eine bessere Überwachung und Steuerung von Produktionsprozessen in der Industrie. Durch das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) und die Analyse von Produktionsdaten können Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch optimieren und Abfälle minimieren. Laut einem Bericht der United Nations sind bereits 85 Prozent der Anwendungen von IoT im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (vgl. World Economic Forum, 2018).

Erneuerbare Energien: Es ist entscheidend, einen umfassenden digitalen und nachhaltigen Wandel im Energiesystem vorzunehmen, um die Klimakrise anzugehen, erschwingliche Energie zu gewährleisten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Dies umfasst Massnahmen wie die Installation von Photovoltaik-Modulen auf Gebäuden, den Einsatz von Wärmepumpen und die Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge. Um die Ziele für Treibhausgasemissionen und erneuerbare Energien zu erreichen, ist eine massive Digitalisierung des Energiesystems erforderlich (vgl. EU, 2023).

Emissionsreduktion im Verkehr: Die Digitalisierung hat dazu beigetragen, den Verkehr effizienter zu gestalten. Ride-Sharing-Apps, Navigationssysteme und potenziell autonome Fahrzeuge tragen dazu bei, Verkehrsüberlastung zu reduzieren und damit den Treibstoffverbrauch und die Emissionen zu senken (vgl. Igliński & Babiak, 2017).

Online-Konferenzen statt Dienstreisen: Seit 2009 ist in Deutschland die Anzahl der Geschäftsreisen jährlich um etwa 3 Prozent gestiegen, wobei fast 40 Prozent der Reisen mit dem PKW erfolgten und etwa 36 Prozent mit dem Flugzeug. Die weitaus umweltfreundlichere Bahn hatte nur einen Anteil von 22 Prozent. Das heisst, im Jahr 2019 waren bereits 195 Millionen Geschäftsreisen zu verzeichnen. Mit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 ist die Anzahl der Dienstreisen um fast 83 Prozent zurückgegangen. Stattdessen haben sich alternative Zusammenarbeitsmöglichkeiten, insbesondere Online-Videokonferenzformate, stark verbreitet und damit konnten erheblich CO2-Emissionen vermieden werden. Um dabei weniger CO2 zu erzeugen, ist es sinnvoll, die Videoqualität herunterzustellen. Schon ab einem Anfahrtsweg von fünf Kilometern mit dem PKW sind Online-Konferenzen klimafreundlicher, zeigt eine Studie vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Borderstep Institut (vgl. Borderstep Institut, 2022).

Förderung der Kreislaufwirtschaft: Online-Marktplätze und Plattformen für den Verkauf gebrauchter Waren tragen dazu bei, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und die Verschwendung von Ressourcen zu reduzieren. Weitere Argumente für die Kreislaufwirtschaft finden sich z.B. auf der Webseite des Vereins Circular Ecomomy Switzerland.

Die folgende Grafik zeigt, welche Chancen sich durch die Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien für die Nachhaltigkeit ergeben können. Die Ergebnisse stammen aus der aktuellen Erhebung des D21-Digital-Index (2022/2023).  

Tabelle: Chancen der Digitalisierung und neuer Technologien für die Nachhaltigkeit
Abbildung 1: Welche Chancen der Digitalisierung und neuer Technologien gibt es für die Nachhaltigkeit? (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1401254/umfrage/chancen-digitalisierung-fuer-nachhaltigkeit/, Zugriff 14.02.2024)

Als weiteren essenziellen Effekt ist die soziale Nachhaltigkeit zu nennen. Die Digitalisierung hat das Potenzial, den Zugang zur Bildung durch digitale Bildungs- und Informationsplattformen zu erleichtern. Sie ermöglich orts- und zeitunabhängiges Lernen. Darüber hinaus eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Kooperation und Beteiligung, die dazu beitragen können, eine inklusivere und gerechtere Gesellschaft zu fördern.

Welche negativen Effekte hat die Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit?

Die wachsende Digitalisierung führt zu einem höheren Stromverbrauch, insbesondere in Rechenzentren, die enorme Mengen an Energie benötigen. Dies kann den ökologischen Fussabdruck erhöhen, wenn die Energie nicht aus erneuerbaren Quellen stammt.

Im Jahr 2000 nutzten 250 Millionen Menschen das Internet täglich. Im Jahr 2021 erhöhte sich diese Zahl auf etwa 4,9 Milliarden (vgl. Statista, 2024). Interessanterweise hat eine Studie des französischen Thinktanks "The Shift Project" ergeben, dass die Digitalbranche bereits heute rund vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstsses verursacht, was etwa doppelt so viel ist wie der gesamte Flugverkehr. Dieser Trend scheint sich weiter zu verstärken.

Nebenbei verbrauchen auch Streaming-Plattformen wie Netflix, YouTube und andere erhebliche Mengen an Strom. Tatsächlich verbrauchen sie ungefähr so viel Energie wie alle Privathaushalte in Deutschland, Italien und Polen zusammen. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Eine einzelne Suchanfrage bei Google führt zu etwa 0,2 Gramm CO2-Emissionen. Zu beachten ist, dass Google rund 4 Millionen Suchanfragen pro Minute verarbeitet, was einen CO2-Ausstoss von 800 kg pro Minute bedeutet (vgl. Gelenbe & Caseau, 2015).

Elektronikschrott (E-Waste): Die schnelle technologische Entwicklung führt zu einer zunehmenden Menge an Elektronikschrott. Eine Studie der Vereinten Nationen zeigt auf, dass pro Jahr 50 Millionen Tonnen Elektromüll produziert werden. Die Entsorgung und das Recycling dieser Geräte sind oft problematisch und können Umweltauswirkungen haben (vgl. World Economic Forum 2019).

Ressourcenverbrauch für Elektronikproduktion: Die Herstellung von elektronischen Chips und Geräten erfordert den Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen wie Metallen und seltenen Erden. Dies kann zu Umweltauswirkungen in Bergbau- und Produktionsgebieten führen. Auch soziale Auswirkungen dürfen dabei nicht vergessen werden. Menschen in betroffenen Abbaugebieten leider unter Umständen an den Umweltschäden, die durch die Gewinnung der Ressourcen entstehen können (vgl. Umweltbundesamt, 2021).

Datenschutz und Sicherheitsrisiken: Die zunehmende Digitalisierung birgt auch Risiken für den Datenschutz und die Sicherheit. Datenlecks und Cyberangriffe können erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Es stellen sich Fragen zur Datenhoheit: Welche Daten werden zu welchen Zwecken genutzt? Fragestellungen, die unsere Gesellschaft noch beantworten muss. Leitlinien gibt dabei das im September 2023 revidierte Datenschutzgesetz (vgl. Comos-Birmanns, 2022).

Digitale Spaltung:
Nicht jede:r hat gleichermassen Zugang zu digitalen Technologien. Die digitale Kluft kann soziale Ungleichheit verstärken und Menschen ohne Zugang zu digitalen Diensten benachteiligen. Gemäss einem UN-Bericht vom Oktober 2019 bleibt jedoch beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung weiterhin "offline", was bedeutet, dass sie von den Vorteilen der Digitalisierung ausgeschlossen sind. Diese wachsende "digitale Kluft" betrifft insbesondere sozioökonomisch benachteiligte Personen und Gruppen in dramatischer Weise. Darunter fallen vor allem einkommensschwache Haushalte, die ländliche Bevölkerung, ältere Menschen, Analphabeten, Menschen mit Behinderungen sowie Klein- und mittelgroße Unternehmen (vgl. United Nations, 2019).

Fazit

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit hängen stark vom Einsatz und von der Art der Implementierung sowie der Nutzung ab. Wenn digitale Technologien gezielt genutzt werden, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, können sie erhebliche Vorteile bringen. Gleichzeitig müssen jedoch auch die negativen Auswirkungen und Herausforderungen berücksichtigt werden, denn Digitalisierung kostet stets Ressourcen. Eine umfassende Betrachtung und Analyse des Stromverbrauchs gegenüber dem erwarteten Nutzen sind unabdingbar.

Borderstep Institut (2022). Facts and Figures: Videokonferenzen. Zugriff 14.02.2024

Bundesamt für Umwelt BAFU (). Rückgabe, Rücknahme und Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte: Elektronikschrott separat sammeln und umweltgerecht verwerten. Zugriff 14.02.2024

Carvallo, A., & Cooper, J. (2015). The advanced smart grid: Edge power driving sustainability. Artech House.

Comos-Birmanns, M. (2022). Revidiertes Datenschutzgesetz ab Sept. 2023 – Was ist neu? Zugriff 14.02.2024

D21-Digital-Index 2022/2023. Zugriff 31.01.2024

Del Río Castro, G., González Fernández, M. C., & Uruburu Colsa, Á. (2021). Unleashing the convergence amid digitalization and sustainability towards pursuing the Sustainable Development Goals (SDGs): A holistic review. Journal of Cleaner Production, 280(1).

Europäische Kommission (2023). Digitalisierung des Europäischen Energiesystems. Zugriff 14.02.2024

Gelenbe, E. & Caseau, Y. (2015). The impact of information technology on energy consumption and carbon emissions. Ubiquity 2015, June, Article 1 (June 2015), 15 pages. https://doi.org/10.1145/2755977

Igliński, H., & Babiak, M. (2017). Analysis of the potential of autonomous vehicles in reducing the emissions of greenhouse gases in road transport. Procedia engineering, 192, 353-358.

Statista (2024). Schätzung zur Anzahl der Internetnutzer weltweit für die Jahre 2005 bis 2023. Zugriff 31.01.2024

Umweltbundesamt (2021). Ressourcennutzung und ihre Folgen. Zugriff 14.02.2024

United Nations (2019). Nearly Half of World’s Population Excluded from ‘Benefits of Digitalization’, Speaker Stresses as Second Committee Debates Information Technology for Development. Zugriff 14.02.2024

World Economic Forum (2018). Internet of Things Guidelines for Sustainability. Zugriff 14.02.2024

World Economic Forum (2019). A New Circular Vision for Electronics Time for a Global Reboot. Zugriff 14.02.2024

Autor/in
Maria Comos-Birmanns

Dr. Maria Comos-Birmanns

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