Porträtbild von Waldemar Pelz in Gruppe von Menschen Porträtbild von Waldemar Pelz in Gruppe von Menschen
(Bild: Kalaidos FH)

Wie gelingt es HR-Fachkräften und Führungspersonen die passenden Mitarbeitenden zu rekrutieren, zu fördern und entwickeln, sodass sie zufrieden sind und gute Arbeit leisten? Wie Prof. Dr. Waldemar Pelz am kürzlich durchgeführten Workhack der Kalaidos Fachhochschule erläuterte, spielen Persönlichkeitsmerkmale dabei eine zentrale Rolle. Das Bewusstsein dafür hilft, die richtigen Personalentscheidungen zu fällen, eine effiziente Teamkultur zu schaffen und Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und ausgewählte Aspekte der Online-Veranstaltung haben wir hier für Sie zusammengestellt. Die Aussagen wurden in einem Dialog zwischen Dr. Michael Kühn, interner Coach eines globalen Finanzunternehmens, (Fragen) und Prof. Dr. Waldemar Pelz, Dozent im CAS FH in Führungs- und Personalpsychologie, (Antworten) entwickelt.

Die Bedeutung der Mitarbeiterzufriedenheit

Die Bindung qualifizierter Mitarbeitenden wird aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktlage immer wichtiger. Wie kommt es, dass Mitarbeitende ihre:n Chef:in als häufigsten Grund dafür angeben, dass sie ihr Unternehmen verlassen? Das US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup befragt regelmässig Mitarbeitende über ihre Zufriedenheit im Job. Das Ergebnis hat sich seit vielen Jahren nicht verbessert: Nur rund 15 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden sind voll engagiert und zufrieden. In jüngster Vergangenheit hat sich dieser Abwärtstrend sogar verstärkt. Als häufigste Ursachen beklagen die Befragten: (1) fehlende Anerkennung für Leistungen, (2) mangelhafte Einbindung in Entscheidungen und (3) zu wenig Beachtung ihrer Vorschläge und Meinungen. Warum versagen so viele Führungskräfte bei derart einfachen Führungsaufgaben, zumal in fast jedem Führungsseminar Tipps für Lob und Ankerkennung oder für konstruktives Feedback gegeben werden? Dieses Problem ist so gravierend, weil Mitarbeiterzufriedenheit den grössten Einfluss auf die Produktivität von Unternehmen hat. Und Führungskräfte werden letztendlich am wirtschaftlichen Erfolg gemessen; sie müssten also ganz besonders an zufriedenen Mitarbeitenden und an einem positiven Arbeitsklima interessiert sein.

Die Bedeutung der Persönlichkeit

An diesem Problem sind beide Seiten beteiligt: die Führungskräfte und ihre Mitarbeitenden. Man kommt der Ursache auf die Spur, wenn man nicht nur auf das (relativ leicht erlernbare) Verhalten achtet („Wie lobe ich meine Mitarbeitenden richtig?“ oder „Wie kommuniziere ich eine motivierende Vision?“). Entscheidend sind vielmehr die Charaktereigenschaften, auch Persönlichkeitsmerkmale genannt. Es sind tief verwurzelte, in der frühen Kindheit geprägte, teilweise angeborene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster, die man gar nicht oder nur sehr schwer verändern kann. Beispiele dafür sind Mitarbeitende, die eine passive Konsumhaltung an den Tag legen, in einer Komfortzone leben und Angst vor jeglichen Veränderungen haben? Oder Mitarbeitende, die von einer frustrierten Hilflosigkeit befallen sind, nur an ihren persönlichen Vorteil denken und Gleichgültigkeit gegenüber dem Team oder dem Unternehmen zeigen. Leider sind auch Führungskräfte nicht frei von solchen Verhaltensweisen, die in der Persönlichkeit verankert sind.

Die zwei Seiten der Persönlichkeit

Bei den genannten Beispielen handelt es sich um den negativen Pol von Charaktereigenschaften. Diese und die dazugehörigen positiven Pole zeigt die Abbildung. Demnach sollten Führungskräfte für eine überzeugende Zukunftsorientierung sorgen, indem sie Kreativität, Neugier, Ehrgeiz und Optimismus zeigen. Sie sollten für persönliches Wachstum sorgen, indem sie Mut und Begeisterung vorleben, Resilienz demonstrieren und ihre Vorbildfunktion wahrnehmen. Im Sozialverhalten sollten sie für Fairness sorgen, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und die Stärken und Talente ihrer Mitarbeitenden gezielt fördern. Warum ist das – wie die Gallup-Umfragen zeigen – so schwierig? Um das zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf den Zusammenhang von Persönlichkeitseigenschaften und Verhalten zu werfen.

Grafik: Berufsbezogener Persönlichkeitstest
Abbildung 1: Persönlichkeitsmerkmale des berufsbezogenen Persönlichkeitstests (BPT) (Grafik: Institut für Management-Innovation, 2023)

Kompetenzen und Persönlichkeit

Am einfachsten kann man das mit der Metapher des Huhnes und Adlers veranschaulichen. Beide besitzen bestimmte Fähigkeiten, wie zum Beispiel mit den Flügeln flattern, mit den Füssen scharren oder Töne von sich geben. Wenn es aber darum geht, sich hoch in die Lüfte zu erheben, hat das Huhn keine Chance. Dagegen ist beim Eierlegen, der Adler völlig überfordert. Der Volksmund bringt das treffend auf den Punkt, indem er sagt, man könne aus einem Huhn keinen Adler oder aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen. In der Personal- und Führungskräfteentwicklung gibt es einen ähnlichen Grundsatz. Dieser besagt, dass ein Gramm Auswahl genauso viel wiegt wie ein Kilogramm Schulung oder Training. Für Unternehmen folgt daraus, dass sie bei der Auswahl von Führungskräften und Talenten besonders auf die Persönlichkeitsmerkmale der Kandidaten und Kandidatinnen achten sollten. Alles andere kann man lernen (durch Übung und Praxis).

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Das hat eine Studie des Instituts für Management-Innovation bestätigt, in der die Praxis der Führungskräfteentwicklung der weltweit am besten geführten Unternehmen untersucht wurde. Das grösste Problem beim Studium der Praktiken ist die Tatsache, dass diese Unternehmen so gut wie keine Informationen über ihre Methoden der Rekrutierung und Entwicklung von Talenten an die Öffentlichkeit geben, weil sie damit ihren Wettbewerbsvorteil sichern wollen. Das gilt für die grossen Unternehmen wie Netflix, Google oder Apple genauso wie für die mittelständischen Weltmarktführer (Hidden Champions). Einzelne Informationen gelangen eher beiläufig an die Öffentlichkeit. Als Elon Musk gefragt wurde, was bislang sein grösster Fehler gewesen sei, meinte er, er habe zu sehr auf die Fähigkeiten und zu wenig auf die Persönlichkeit geachtet. Auch wenn besonders erfolgreiche Unternehmen sich ungern in die Karten blicken lassen, ist bekannt, dass sie sich am Stand der Forschung orientieren und durch Kooperationen mit Spitzenuniversitäten neues Wissen in ihr Unternehmen transferieren. Diese Praxis ist nicht anders als die Kooperation im Bereich Technologie. Die Betonung liegt auf dem Begriff Kooperation, weil relevantes Wissen immer an Menschen gebunden ist. Publikationen allein helfen meist nicht viel weiter. Es dauert häufig Jahre, bis das neueste Wissen über Unternehmensberatungen ihren Weg in die breite Öffentlichkeit findet. Die Spitzenunternehmen sind dann schon einige Schritte weiter.

Persönlichkeit messen – Qualität von Persönlichkeitstests

Persönlichkeitsmerkmale kann man unterschiedlich „messen“. Häufig geschieht das in mehr oder weniger strukturierten Einstellungsinterviews („Was zeichnet Sie als Persönlichkeit aus“). Eine kritische Überprüfung derartiger Praktiken hat ergeben, dass sie eine Trefferquote von nur 10 bis 20 Prozent erzielen. Das bedeutet, dass in 80 bis 90 Prozent der Interviews entweder ungeeignete Kandidaten und Kandidatinnen eingestellt oder geeignete Talente abgelehnt werden. Traditionelle Assessment Center können Persönlichkeitsmerkmale gar nicht messen. Andere Auswahlmethoden wie zum Beispiel Arbeitsproben oder biographische Fragen schneiden nicht besser ab. Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten Persönlichkeitstests. Leider ist das Angebot an seriösen Tests sehr begrenzt. Die Qualität der Ergebnisse der meisten Testverfahren liegt bestenfalls auf dem Niveau eines Horoskops. Derartige Instrumente werden „wider alle Vernunft“ eingesetzt (Uwe Kanning). Aus diesen Gründen sollte man darauf achten, dass ein Persönlichkeitstest einen klaren Bezug zum Beruf hat (also nicht für klinische Anwendungen oder für die breite Öffentlichkeit konzipiert wurde). Er sollte vor allem die einschlägigen Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Normierung und Validität) erfüllen, die anhand einer repräsentativen Stichprobe ermittelt wurden. Schliesslich gilt es zu bedenken, dass ein Persönlichkeitstest eine Entscheidungshilfe und kein Ersatz für personalpolitische Entscheidungen ist.

Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führungskräfte

Welche Eigenschaften haben besonders erfolgreiche Führungskräfte, die für Mitarbeiterzufriedenheit sorgen und wirtschaftlichen Erfolg garantieren? Der Schlüsselbegriff für die Lösung dieses Problems heisst „Matching“ oder „Passung“. Es ist nicht möglich, allgemein von besonders „guten“ oder „erfolgreichen“ Persönlichkeitsmerkmalen zu sprechen, ohne die konkreten Anforderungen zu kennen. Dazu ein Beispiel, in dem der Test laut Abbildung 1 angewendet wurde. Die besonderen Persönlichkeitsmerkmale der erfolgreichsten Führungskräfte (gemessen mit Kennzahlen) eines Finanzdienstleisters waren Integrität, Vertrauen und Verantwortung. Die Führungskräfte eines Unternehmens der Informationstechnik konnten dagegen besondere Stärken in ihrer Begeisterung und Zielorientierung vorweisen. Hinzu kam ein ausgeprägter Ehrgeiz. Genauso wie die Persönlichkeit zu den Anforderungen eines Unternehmens passen sollte, ist es im Falle der Anforderungen an eine bestimmte Karriere. Eine Auswertung der Befragung von rund 30'000 Teilnehmenden beim oben genannten Test ergab, dass für General Manager (angestellte Führungskräfte) Persönlichkeitsmerkmale wie Willenskraft, Verantwortung und Integrität sehr typisch sind. Bei Unternehmern stehen Eigenschaften wie Begeisterung, Ehrgeiz und Kreativität an erster Stelle. Selbstständige zeichnen sich wiederum durch besondere Disziplin und Resilienz aus. Im Idealfall kennt man bei der Rekrutierung die Anforderungen oder Profile von Wettbewerbern. Das ist in der Praxis nur in Ausnahmefällen möglich. Sehr hilfreich ist eine Normstichprobe mit vergleichbaren demographischen Daten.

Grafik: Matching entscheidet
Abb. 2: Matching entscheidet. (Grafik: Pelz, 2023)

Persönlichkeitstypen in der Teamarbeit

Zur Teamfähigkeit werden häufig Kompetenzen wie zum Beispiel „pragmatische Kompromisse anstreben", „Vielfalt der Meinungen zulassen", „tolerant und proaktiv sein", „offen sein für andere Standpunkte“, „aktiv zuhören“ usw. gezählt. Derartige Verhaltensweisen gehören eher zu normalen Umgangsformen und haben mit Teamfähigkeit nicht viel zu tun. Entscheidend sind die Persönlichkeitsmerkmale der Teammitglieder, die einen Beitrag zum Teamerfolg leisten. Das ist vergleichbar mit einer Fussballmannschaft. So hat eine Mannschaft mit elf Stürmern oder elf Verteidigern keine realistische Chance gegenüber einer Mannschaft, in der die Aufgaben so verteilt sind, dass die Spieler sich optimal ergänzen.

In einem gut funktionierenden Team gibt es vier Schlüsselrollen. Die erste ist die des Initiators, der neue Ideen und Lösungsvorschläge einbringt. Wenn zu seinen Persönlichkeitsmerkmalen Kreativität und Begeisterung gehören, wird ihm diese Aufgabe (als Beitrag zum Teamerfolg) besonders leichtfallen. Die typische Schwäche des Initiators ist die Durchsetzung von Entscheidungen und die Ausübung von Macht. Dafür ist die Rolle des Entscheiders notwendig. Seine Eigenschaften sind Vertrauen, Verlässlichkeit und Vorbild, zumal die Vorbildfunktion den grössten Einfluss auf das Verhalten der anderen Teammitglieder hat. Die dritte wichtige Rolle ist die des Umsetzers, der tatkräftig zupacken und Aufgaben systematisch umsetzen kann, auch wenn es schwierig wird. Seine Willenskraft und Ausdauer sorgen dafür, dass im Team nicht nur geredet, sondern auch ergebnisorientiert gehandelt wird. Nicht zu vergessen ist die vierte Rolle, die man aus der Systemtheorie als Störvariable kennt. Man bezeichnet diese Person als Kritiker, weil er bestehende Strukturen, Prozesse und Entscheidungen kritisch hinterfragt und dem Team spiegelt. Damit trägt er dazu bei, dass Veränderung im Umfeld zu Anpassungsreaktionen im Team führen. Als „Störfaktor“ oder Querdenker muss er den Mut haben, sich unbeliebt zu machen. Neben einem starken Selbstvertrauen benötigt er einen ausgeprägten Lernwillen sowie viel Ehrgeiz und Resilienz.

Auch im Falle der Teamarbeit zeigt sich die Bedeutung der Persönlichkeit. Die Wahrnehmung der verschiedenen Teamrollen kann man bis zu einem gewissen Grad lernen. Es ist aber wesentlich einfacher, die passenden Persönlichkeiten auszuwählen, also – im Sinne der oben genannten Metapher – Adler für das Jagen und Hühner für das Eierlegen auszuwählen. Wenn sie ihre Anlagen ausleben und dabei immer erfolgreicher werden, bekommen sie die notwendige Wertschätzung und Anerkennung und können persönlich wachsen. So entstehen nachhaltige Motivation und Engagement.

Fazit

Eine der einfachsten und zugleich wirksamsten Methoden zur Messung des Führungserfolges im Team und im Unternehmen ist die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Unternehmen, die hier besonders gut abschneiden, erzielen Renditen und Wachstumsraten, die um den Faktor drei bis vier höher sind als bei ihren Konkurrenten. Die meisten Führungskräfte haben gelernt, wie man Ziele setzt, überzeugend kommuniziert, geschickt verhandelt, Mitarbeitende lobt, Feedback gibt oder Aufgaben delegiert. Die entscheidende Frage ist aber, ob die Führungskräfte das machen, weil sie es müssen oder weil sie ihren Vorgesetzten und den Eigentümern „beweisen“ wollen, wie erfolgreich, stark, kompetent, mächtig, wichtig und intelligent sie sind, oder machen sie es aus Begeisterung, Leidenschaft, Neugier, Kreativität und dem Willen, etwa Neues zu schaffen, das es bisher noch nicht gab.

Grafik: Persönlichkeitsprofil
Abb. 3: Persönlichkeitsprofil: Werte, Charakter und Kompetenzen (Quelle: Pelz, 2023)

Das gilt auch für zufriedene Mitarbeitende. Die Komfortzone macht nicht glücklich und zufrieden. Was Mitarbeitende wirklich wollen, ist das Gefühl, ein wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, in der sie ihren Platz finden; sie wollen ihre Talente und Stärken anwenden und ausbauen, damit sie stolz auf ihre Leistungen sein können; schliesslich brauchen sie Freiräume, in denen sie ihre Vorstellungen und Ideen entsprechend ihrer Persönlichkeit verwirklichen können. Fazit: Mitarbeitende und ihre Führungskräfte sind zwei Seiten der gleichen Medaille – der Faktor Persönlichkeit gewinnt.

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