Wieso Vertrauen für den Unternehmenserfolg unabdingbar ist
Vanessa Schär
Im Zuge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückte das Thema Vertrauen zunehmend in den Fokus. Schlagartig wurde jedem klar, welche zentrale Rolle Vertrauen in Kunden- und Anlegerbeziehung spielt. Schmerzlich wurde dabei auch deutlich, welche Konsequenzen ein Verlust von Vertrauen haben kann. Doch Vertrauen entsteht nicht einfach zufällig. Vertrauensarbeit ist ein langfristiger Prozess, welcher über einen längeren Zeitraum diverser Massnahmen bedarf. Trotzdem kann das Kundenvertrauen durch Fehlverhalten oder einer negativen Erfahrung stark beschädigt werden (Eller, 2022). Um den Erfolg eines Unternehmens langfristig sicherzustellen, ist es daher unerlässlich, regelmässig in das Vertrauen seiner Kund:innen zu investieren.
Vertrauen: Ein zentraler Faktor in jedem Geschäftsmodell
Vertrauen ist eine wichtige Komponente in der Beziehung zwischen Kund:innen und Unternehmen, denn Vertrauen ist die Voraussetzung für jede Interaktion (Rousseau et al., 1998; Schilke & Huang, 2018; Thomas, 2008). Mayer et al. (1995) definierten Vertrauen als «willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party» (S. 712). Vertrauen Kund:innen einem Unternehmen, so verlassen sie den Bereich der eigenen Kontrolle und machen sich gegenüber möglichen Schäden in Form von finanziellen Verlusten, schädlichen Produkten oder Enttäuschungen angreifbar (Eller, 2022). Ob bewusst oder unbewusst, Vertrauen spielt in jedem Geschäftsmodell eine wichtige Rolle. Dies wird deutlich, wenn wir uns Beispiele wie AirBnB anschauen, wo Kund:innen online Unterkünfte bei anderen, fremden Privatpersonen buchen, oder AliExpress, ein chinesischer Onlinehändler, der Produkte aus Asien in den Westen versendet. Beide sind auf das Vertrauen ihrer Kund:innen angewiesen und investieren in verschiedene Massnahmen, um dieses aufrecht zu erhalten. So führen spezielle Auszeichnungen wie «Superhost» beispielsweise dazu, dass die Kund:innen die Seriosität der Unterkünfte bei AirBnB einschätzen können. Bei AliExpress fördert die Massnahme eines speziellen Bezahlsystems das Vertrauen, bei welchem die Bezahlung dem Händler erst dann überwiesen wird, wenn die Kund:innen die Ware sicher in Empfang genommen haben (Botsman, 2017). Die beiden Beispiele zeigen, dass Vertrauen besonders bei asymmetrischen Beziehungen, in denen die Unternehmen in verschiedenen Bereichen über mehr Wissen als die Kund:innen verfügen, eine wichtige Rolle spielen.
Wieso einige Unternehmen mehr Vertrauen geniessen als andere
Insbesondere Unternehmen mit risikoreichen Produkten, bei welchen die Kund:innen durch das geschenkte Vertrauen einen hohen Verlust erfahren könnten, und hohen asymmetrischen Kund:innebeziehungen wie Banken, Versicherungen oder Telekommunikationsunternehmen fällt es oftmals schwer, das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen (Elliott & Yannopoulou, 2007). Im Gegensatz dazu geniessen Unternehmen mit risikoarmen Produkten und regelmässiger Kundeninteraktion oft ein hohes Vertrauen, wie beispielsweise Lebensmittelhändler (Edelman, 2023). Vertrauen ist ein Konstrukt, auf das verschiedene Faktoren Einfluss nehmen. Die Vertrauensforschung konnte dabei mehr als 16 solcher Faktoren identifizieren, die in irgendeiner Weise Einfluss auf Vertrauen nehmen (McKnight und Chervany, 2001). Die gängigsten sind Benevolenz, Kompetenz und Integrität, welche auch im häufig zitierten Model of Trust von Meyer et al. (1995) berücksichtigt werden. Doch auch Erfahrungswerte mit einem Unternehmen beeinflussen das Vertrauen. Dabei ist es egal, ob es sich um eigene Erfahrungen (Shi & Chow, 2015) oder Erfahrungen von Drittpersonen handelt, welche in einem vertrauensvollen Verhältnis zu den Kund:innen stehen (Bruner & Postman, 1948; Campagna et al., 2022).
Während geteilte Interessen zwischen Kund:innen und Unternehmen das Vertrauen stärken (Columbus et al., 2021), so sind Interessenskonflikte klare Vertrauenskiller (du Plessis et al., 2022). Diese bestehen oft bereits im Geschäftsmodell, weshalb ihnen ein besonderes Augenmerk in der Vertrauensarbeit gelten sollte. Sämtliche Unklarheiten erschweren das Entstehen von Vertrauen und können das Kund:innenvertrauen daher negativ beeinflussen (Bobko et al., 2022; Carvalho, 2021).
Wie konstant an Vertrauen gearbeitet werden kann
Es gibt kein allgemeines Vertrauen der Kund:innen in ein Unternehmen. Vertrauen ist immer situativ (Eller, 2022). Daher kann ein Unternehmen beispielsweise viel Vertrauen in seine Kerndienstleistung geniessen, in anderen Aspekten mit Misstrauen kämpfen. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Google, welches ein hohes Vertrauen seiner Nutzer:innen bezüglich seiner Fähigkeiten als Suchmaschine geniesst. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass es auch heute noch die meistgenutzte Suchmaschine der Welt ist (Lewandowski, 2023). Dennoch haben viele Kund:innen Bedenken bezüglich des Datenschutzes (Schultheiß & Lewandowski, 2021).
Um das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen, muss ein Unternehmen zunächst die Vertrauenssituation analysieren. Dazu gehört die Identifikation der Bereiche, in denen es Kundenvertrauen braucht, sowie die Analyse von aktuellen Schwachstellen (Eller, 2022). Kundenbefragungen sind ein nützliches Mittel zur Beantwortung dieser Fragen, obwohl Vertrauensmessungen oft mit Messfehlern behaftet sein können (Cloléry et al., 2022). Eine Abfrage nach Situationen, in welchen vertrauensvolles Verhalten von den Kund:Innen gezeigt wurde, ist daher oft genauer und eher zu empfehlen (Law et al., 2022). Der Trust Monitor ist ein Beispiel für ein reliables und valides Messinstrument zur Erhebung von Kundenvertrauen (elaboratum, 2023). Sobald die aktuellen Vertrauenssituationen analysiert wurden, können Massnahmen zur Steigerung von Vertrauen abgeleitet werden. Diese sollten bewusst die relevanten Vertrauensfaktoren ansprechen und auf die spezifischen Bedürfnisse der Kund:innen abgestimmt sein. VertrauensArchitektur bietet hier ein methodisch strukturiertes Vorgehen, an welchem sich orientiert werden kann (elaboratum, 2023).
Schlusswort
Auch wenn es im ersten Moment etwas abstrakt wirkt, am Vertrauen zu seinen Kund:innen zu arbeiten, so zeigt sich dennoch, dass Vertrauen und somit Vertrauensarbeit unabdingbar für Unternehmen sind. Unternehmen sind auf das Vertrauen ihrer Kund:innen angewiesen, um langfristig erfolgreich zu sein. In einer Welt, in der Vertrauen immer wichtiger wird, sollten Unternehmen Vertrauen als einen zentralen Wert betrachten und aktiv nachhaltige Kundenbeziehungen aufbauen, um langfristig erfolgreich zu sein.
Quellen und weiterführende Informationen
Bobko, P., Hirshfield, L., Eloy, L., Spencer, C., Doherty, E., Driscoll, J., & Obolsky, H. (2022). Human-agent teaming and trust calibration: a theoretical framework, configurable testbed, empirical illustration, and implications for the development of adaptive systems. Theoretical Issues in Ergonomics Science, 1–25. https://doi.org/10.1080/1463922X.2022.2086644
Botsman, R. (2017). Who can you trust?: how technology brought us together–and why it could drive us apart. Penguin UK.
Bruner, J. S., & Postman, L. (1948). An approach to social perception. In W. Dennis (Ed.), Current trends in social psychology (pp. 71–118).
Campagna, R. L., Mislin, A. A., Dirks, K. T., & Elfenbein, H. A. (2022). The (mostly) robust influence of initial trustworthiness beliefs on subsequent behaviors and perceptions. Human Relations, 75(7), 1383–1411. https://doi.org/10.1177/00187267211002905
Cloléry, H., Hollard, G., Perez, F., & Picard, I. (2022). Should we trust measures of trust? *. Center for Research in Economics and Statistics., 13, 1–42.
Columbus, S., Molho, C., Righetti, F., & Balliet, D. (2021). Interdependence and cooperation in daily life. Journal of Personality and Social Psychology, 120(3), 626–650. https://doi.org/10.1037/pspi0000253
Du Plessis, C., Nguyen, M. H. B., Foulk, T. A., & Schaerer, M. (2022). Relative Power and Interpersonal Trust. Journal of Personality and Social Psychology. https://doi.org/10.1037/pspi0000401
Edelman Trust Barometer (2023). Abgerufen unter: https://www.edelman.com/trust/2023/trust-barometer
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Eller, E. (2022). VertrauensArchitektur: Wie Vertrauen entsteht und wie Unternehmen die richtigen Kund:innenerlebnisse dafür schaffen. Verlag Franz Vahlen GmbH.
Elliott, R., & Yannopoulou, N. (2007). The nature of trust in brands: a psychosocial model. European journal of marketing, 41(9/10), 988-998.
Lewandowski, D. (2023). The Search Engine Market. In Understanding Search Engines (pp. 165-173). Cham: Springer International Publishing.
Mayer, R. C., Davis, J. H., & Schoorman, F. D. (1995). An Integrative Model of Organizational Trust. Academy of Management, 20(3), 709–734.
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Rousseau, D. M., Sitkin, S. B., Burt, R. S., & Camerer, C. (1998). Not so Different after All: A Cross-Discipline View of Trust. Academy of Management Review, 23(3), 393–404.
Schilke, O., & Huang, L. (2018). Worthy of swift trust? How brief interpersonal contact affects trust accuracy. Journal of Applied Psychology, 103(11), 1181–1197. https://doi.org/10.1037/apl0000321
Schultheiß, S., & Lewandowski, D. (2021). Misplaced trust? The relationship between trust, ability to identify commercially influenced results and search engine preference. Journal of Information Science, 01655515211014157.
Shi, S., & Chow, W. S. (2015). Trust development and transfer in social commerce: Prior experience as moderator. Industrial Management and Data Systems, 115(7), 1182–1203. https://doi.org/10.1108/IMDS-01-2015-0019
Thomas, J. (2008). “ Trust ” In Customer Relationship : Addressing The Impediments In Research. AP - Asia-Pacific Advances in Consumer Research, 8(Volume VIII), 346–350.
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CAS FH in Wirtschaftspsychologie
Certificate of Advanced Studies (CAS)