Führung: Akzeptanz- und Commitment-Therapie-Ansätze Eine Möglichkeit therapeutische Grundlage den Führungskräften am Finanzplatz Zürich näherzubringen
Marion Isabella Neuenschwander, Franziska Jaeger
Vermutlich wäre das Leben deutlich einfacher und leichter, wenn man sich nicht von Gedanken und Emotionen kontrollieren lassen würde, denn so entstehen im Alltag oft Situationen, in denen die Gedanken abschweifen und der Fokus auf das Wesentliche getrübt wird. In anderen Fällen wiederum erfolgt eine zu emotionale Reaktion auf Worte und Gesagtes von anderen Personen. Schauplatz sind Beziehungen zu Freunden, Familie und auch Bekannten. Allerdings betrifft diese Verhaltensweise nicht nur das Privatleben, sondern auch Geschäftsbeziehungen wie zum Beispiel im Gespräch mit Kunden, Arbeitskollegen oder auch mit den Vorgesetzten. Oft werden zudem Themen aus dem Arbeitsalltag mit in den Feierabend hineingetragen, wobei sich besonders im Austausch mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen manchmal Missverständnisse und Diskussionen ergeben können. Um dieses Thema im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Kalaidos FH bearbeiten zu können, haben sich Marion Neuenschwander und Franziska Jaeger in der Therapiewelt umgesehen und sind dabei auf die Ansätze der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) gestossen. In diesen sahen sie die Chance das private und geschäftliche Leben von Mitarbeitenden und Führungskraft zu bereichern.
Was ist ACT?
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (abgekürzt ACT) wurde entwickelt, um alle mit Leiden, Schmerz und negativen Emotionen verbundenen Gedankengänge in Leichtigkeit umzuwandeln. Auf diese Weise wird die Kommunikation vorwärtsgewandter und dank den Ansätzen der ACT das eigene Verhalten achtsamer und die persönlichen Werte werden konstant mitberücksichtigt. Die ACT ist ein verhaltensanalytischer Therapieansatz, welcher hilft, unangenehme Erlebnisse nicht zu verdrängen und bewusstes Handeln nach eigenen Werten zu stärken.
Ziel der Bachelorarbeit war es, die Ansätze der ACT auf eine verständliche und einfache Weise zu veranschaulichen und diese so aufzuarbeiten, dass die Führungskräfte der Finanzindustrie in Zürich nachhaltig unterstützt werden. Grundsätzlich kann die ACT darüber hinaus nicht nur im beruflichen Alltag, sondern auch in der privaten Umgebung unterstützend wirken. Die Therapie kann vor allem einzelnen Individuen persönlich helfen, ihre Lebensziele mit Stärke, Kontrolle und positiver Einstellung zu verfolgen, ohne Opfer der eigenen Gedanken zu sein.
Führung mit psychologischen Ansätzen
Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde eine Guideline (Abbildung 1) basierend auf der Theorie der ACT entworfen, welche die Grundlagen der ACT auf eine benutzerfreundliche und anwendbare Weise wiedergibt. Die Führungskraft sowie die Mitarbeitenden erhalten die Guideline und machen sich damit vertraut. Es wird empfohlen, die Guideline im Zuge des Führungsinstruments Mitarbeitergespräch anzuwenden. Die Interviews mit den HR-ExpertInnen bekräftigten diesen Einsatz und schlugen vor, die Guideline und ihre Grundlagen in einer Schulung den Nutzern näher zu bringen. Ziel ist es, dass die ACT-Ansätze Führungskräfte und Mitarbeitende nachhaltig unterstützen und die durch Studien belegten Therapieerfolge, wie beispielsweise bei Angststörungen, auf den Arbeitsalltag ausweiten lassen. Dies soll in einem grösseren Kontext zu zufriedeneren sowie gesünderen Mitarbeitenden und Führungskräften führen. Auf diese Weise soll ein Schlüsselerfolgspotenzial für das Unternehmen geschaffen werden.
Die erstellte Guideline
Die Guideline ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil, der mit dem Attribut vor dem Gespräch gekennzeichnet ist, wurde in Anlehnung an die acht Schlüsselbereiche der Anamnese nach Haris (2020) strukturiert. Konkret formuliert Haris (2020) folgende Schlüsselbereiche:
- das oder die präsentierten Anliegen
- erste Klärungen von Werten
- aktueller Lebenskontext
- relevante Vorgeschichte
- psychische Rigidität
- motivierende Faktoren
- psychische Flexibilität
- Ressourcen des Klienten
Da eine Führungskraft keine ausgebildete therapeutische Fachkraft ist, mussten der Vorbereitungsbereich und der Rahmen des Gesprächs eingeschränkt werden. Hier muss bedacht werden, dass trotz des wertvollen Beitrags einer ausgedehnten Anamnese grundsätzlich eine professionelle Distanz gewährleistet sein muss, da eine Führungskraft nicht die Coping-Mechanismen eines Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin entwickelt hat und in seltenen Fällen ausschliesslich Führungsaufgaben hat. Das heisst, die Person hat zusätzlich noch einen Fachbereich zu leiten und Mitarbeitende zu gewissen Themen selbst zu betreuen. Im Arbeitsalltag fehlt grundsätzlich die Kapazität, eine Anamnese gewissenhaft auszuführen.
Im mittleren Teil sind die Grundsätze zur Steigerung der psychischen Flexibilität ersichtlich. Diese sind eine Zusammenfassung des Hexaflex-Modells und dessen sechs Prozesse nach Psychotherapie Coaching. Die gewählte Darstellungsform entspricht den gängigen Darstellungen in der Theorie und spiegelt die Reflexivität der Einzelprozesse und des Führungsprozesses wider. Die sechs Eckpfeiler wurden verdeutlicht und in eine geläufigere Sprache übersetzt. Auch wurde der Fokus auf die Elemente der einzelnen Eckpfeiler gelegt, die am besten für eine Führungskraft in der Finanzbranche in Zürich geeignet sind.
Der dritte Teil der Guideline ist die Gesprächsnachbearbeitung. Es wird festgelegt, welche Werte erreicht werden sollen und welches Verhalten dazu notwendig ist. Ebenso wird niedergeschrieben, welche Stärken und Qualitäten gefördert werden und welche Art von Beziehung gefestigt wird. Dieser Teil resultiert aus den Ansprüchen an die Führung und die Mitarbeitergespräche. Damit der Fokus nicht nur auf psychische Flexibilität und die Verringerung psychischen Leids gelegt wird, sind hier betriebswirtschaftliche Ansätze eingeflossen. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Management-by-Objectives-Ansatz.
Umsetzung der Guideline im Unternehmen
Durch die Gespräche mit den HR-ExpertInnen zu der Benutzerfreundlichkeit und Logik der Guideline, wurde ersichtlich, dass obwohl die äusseren Umstände bereits ein modifiziertes Führungsverhaltens verlangen, die Führungsrealität sich noch nicht anpasst. In den Unternehmen der Finanzbranche Zürichs vertreten die Führungskräfte überwiegend einen autoritären Führungsstil. Nachholbedarf besteht in der generellen Führungsentwicklung, da diese noch zahlen- und zielorientiert ist. Mit der Umsetzung der Guideline kann mit wenig Aufwand und Training ein bedeutsamer Schritt in Richtung des Wandels der Mitarbeiterführung gemacht werden und die individuelle Person wird gestärkt. Grundsätzlich muss eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur mit einem gegenseitigen Austausch gefördert werden. Dies beginnt bei den HR-ExpertInnen, die sich psychologischen Massnahmen und deren Anwendung im Unternehmen noch weiter öffnen müssen, damit diese der obersten Führungsebene präsentiert werden können. Jedoch fehlen möglicherweise für die Anerkennung einer therapeutisch geprägten Führungsgrundlage in der Geschäftsleitung noch konkrete Messgrössen und die Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg der Unternehmung. Sobald die oberen Reihen davon abweichen und sich auf eine psychologisch fundierte Führungsart einlassen, schätzen wir wie auch die HR-Expertinnen den positiven Einfluss der ACT und der Guideline als bedeutsam ein.
Quellen und weiterführende Informationen:
Haris, R. (2020). ACT leicht gemacht. Freiburg: Arbor.
Jaeger, F. & Neuenschwander, M. I. (2021). Wie können die Werte der Akzeptanz- und Commitment-Therapie die Führungskräfte auf dem Finanzplatz Zürich nachhaltig unterstützen? (Bachelor Thesis). Kalaidos Fachhochschule Schweiz.
Psychotherapie Coaching. (o. D.). Die Akzeptanz- und Commitment Therapie (ACT). https://www.psychotherapie-coaching.org/arbeitsweise/act
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