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Nach welchen Prinzipien muss ein Arbeitszeugnis erstellt werden? (Symbolbild)

Arbeitszeugnisse können viel Zeit und Nerven kosten. Das würden wohl die meisten Personalverantwortlichen bestätigen: Zeit, Nerven und letztlich auch Geld. Das oftmals langwierige Hin und Her bis zur Konsensfindung liesse sich meist verkürzen oder gar ganz vermeiden – wenn die Zeugnisse denn fachgerecht erstellt würden.

Doch welchen Anforderungen gilt es hier, Genüge zu tun? Ein Arbeitszeugnis muss nach folgenden Prinzipien erstellt werden:

  • Wahrheit
  • Wohlwollen
  • Vollständigkeit
  • Klarheit

Wohlwollen vs. Wahrheit

Das Zeugnis muss wohlwollend formuliert sein. Es darf das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nicht erschweren. Trotzdem müssen Arbeitgebende auch negative Leistungs- und Verhaltensaspekte erwähnen, wenn sie besonders ins Gewicht gefallen oder wiederholt aufgetreten sind. Denn die Wahrheitspflicht setzt dem Wohlwollen Grenzen. Im Schweizer Arbeitsrecht gilt ausdrücklich: Wahrheit kommt vor Wohlwollen. Somit dürfen, respektive müssen auch negative Tatsachen im Arbeitszeugnis Erwähnung finden, soweit sie für die Gesamtbeurteilung notwendig sind. Andernfalls entstehen Gefälligkeitszeugnisse, die rechtliche Konsequenzen haben können: ein sprachlicher Balanceakt für viele Personalverantwortliche.

Wohlwollen vs. Vollständigkeit

In der Praxis werden negative Beurteilungen überwiegend dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die entsprechende Beurteilung einfach weggelassen wird. Ein offensichtliches Fehlen von Aussagen über Leistung und Verhalten eines Arbeitnehmenden ist jedoch als qualifiziertes Schweigen zu verstehen und bedeutet, der Arbeitgebende war nicht zufrieden. Dies widerspricht jedoch dem Prinzip der Vollständigkeit. Generell sind kürzere Zeugnisse also weniger positiv als längere. Kleinere Unternehmen verfassen jedoch aufgrund mangelnder Erfahrung oft kürzere Zeugnisse, ohne dass dies negativ zu werten wäre.

Ein vollständiges Arbeitszeugnis umfasst folgende Aspekte des Arbeitnehmers und der Stelle:

  • Personalien
  • Aufgabenbereich
  • Kompetenzen
  • Arbeitsweise
  • Qualitäten
  • Verhalten

Vollständigkeit vs. Wahrheit

Damit der Arbeitgebende ein vollständiges und wahrheitsgetreues Arbeitszeugnis erstellen kann, sollte der Werdegang des Arbeitnehmenden im Unternehmen hinreichend dokumentiert werden. Folgende schriftliche Unterlagen geben Aufschluss und sind wichtig:

  • Stellenbeschrieb
  • Niederschriften aus Mitarbeitendengesprächen
  • Zielvereinbarungen
  • Zwischenzeugnisse
  • Abschlussberichte aus Projekten
  • Weiterbildungen
  • Beförderungen
  • Disziplinarmassnahmen

Erfahrungsgemäss fehlt jedoch gerade in kleineren Unternehmen oft ein Teil dieser Unterlagen: Allfällige Unstimmigkeiten etwa sind nirgends festgehalten. Dies erschwert die Erstellung des Arbeitszeugnisses. Der Arbeitgebende kann zum Beispiel kaum negative Äusserungen in das Arbeitszeugnis aufnehmen, da die entsprechenden Beweise fehlen. Der Arbeitnehmende kann in einem solchem Fall also problemlos ein gutes Arbeitszeugnis einfordern – zur Not auch vor Gericht. Meist gibt das Unternehmen diesen Forderungen nach, denn ein Streit vor Gericht lohnt sich häufig nicht. Arbeitsgerichte sind sehr arbeitnehmerfreundlich.

Klarheit

Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass ein einwandfrei und klar verfasstes Arbeitszeugnis das Unternehmen in ein positives Licht rückt – es wirkt über Jahre hinweg als Visitenkarte. Zudem trägt es dazu bei, dass Unternehmen und Bewerbende, die zueinander passen, schneller und zielgenauer zusammenfinden. Ein Vorteil für beide Seiten. Zurückhaltung ist bei mehrdeutigen und fehlinterpretierbaren Aussagen zu persönlichen Eigenschaften oder Charakterzügen geboten, die Diskriminierungspotenzial bergen (z. B. Aussagen zum Humor, zum fröhlichen Wesen oder zum äusseren Erscheinungsbild).

Gut zu wissen

Zeugnisse werden grundsätzlich von der Personalabteilung verfasst, basierend auf den Angaben der oder des Linienvorgesetzten. Das Arbeitszeugnis ist am letzten Tag der Beschäftigung fällig. Arbeitnehmende können allerdings schon bei der Kündigungsaussprache ein vorläufiges Zeugnis, sprich ein Zwischenzeugnis, verlangen. Von diesem Recht kann der Arbeitnehmende z. B. auch bei einem Vorgesetztenwechsel oder bei einer Versetzung Gebrauch machen. Der Arbeitgebende ist verpflichtet, das Arbeitszeugnis in der Sprache auszustellen, die am Arbeitsort üblich ist.

Uncodiertes Arbeitszeugnis

Seit Jahren steigt die Zahl der Unternehmen, die sich zu uncodierten und transparenten Arbeitszeugnissen bekennen – die also keine verschlüsselten Informationen abgeben. "Geheimcodes" werden in Arbeitszeugnissen kaum mehr verwendet. Dennoch wird noch heute in Zeugnissen argwöhnisch nach Kritik zwischen den Zeilen gesucht.

In einem uncodierten Arbeitszeugnis werden erst die positiven Eigenschaften angesprochen, dann allfällige negative Punkte moderat und ehrlich formuliert und zum Schluss die negativen Aspekte wieder relativiert sowie – wenn möglich – Lösungsansätze aufgezählt. Es gilt, die Schwächen zwar aufzuzeigen, aber auf die Stärken zu fokussieren: sei es zum Beispiel in einem bestimmten Fachgebiet, in Bezug auf die Zusammenarbeit oder die Sprachkompetenzen.

Massenproduktion statt Einzelanfertigung

Um eine grosse Menge an Arbeitszeugnissen zu bewältigen, setzen viele Unternehmen eine spezielle Software ein. Ein Grossteil der rund 1 Million Arbeitszeugnisse, die jedes Jahr in der Schweiz ausgestellt werden, spuckt also der Computer aus. Auch deshalb kommen am Schluss oft standardisierte Texte heraus, die alle gleich klingen.

Geübte Profis sind versierter darin, differenzierte und aussagekräftige Zeugnisse zu erstellen als jene, die nur einmal pro Quartal ein Zeugnis verfassen. Kleine und mittelgrosse Unternehmen stehen hier oft vor einer besonderen Hürde: Die direkten Vorgesetzten müssen das Zeugnis meist selber formulieren und erhalten wenig oder keine Unterstützung von der Personalabteilung. In solchen Fällen leisten oft externe Spezialistinnen und Spezialisten Unterstützung.

Autor/in
Katrin-Juntke

Katrin Juntke

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MAS FH in Human Resource Management (HRM)

Master of Advanced Studies (MAS)

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