Hand mit Handy im Flughafen Hand mit Handy im Flughafen
Ein Tourist wird von seinem virtuellen Travel Assistant auf seiner Reise gecoacht. (Symbolbild)

Das Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) und die Konferenz der Regionalen Tourismusdirektoren der Schweiz (RDK) haben kurz vor dem Ausbruch der Pandemie verschiedene Szenarien zum Reisen in der Zukunft entwickelt. Eine Zukunft, in der virtuelle Assistenten Reisenden Vorschläge machen und für sie Entscheidungen fällen. Auch wenn das Reisen zurzeit eingeschränkt ist, die Sehnsucht danach bleibt. Für die Mitspieler im Schweizer Tourismus heisst dies, erst recht ihre Position in einer digitalen Zukunft zu finden - bevor die meisten Grenzen wieder öffnen und Quarantäne kein Thema mehr ist.

Welche Bedeutung hat das Reisen in der Zukunft?

Die Frage, wie Touristen im Jahr 2030 ihre Reise erleben werden, ist mit dem Ausbruch der Pandemie keineswegs hinfällig geworden. Im Gegenteil, das Bedürfnis nach Erlebnissen – sei es in der Heimat oder in der Ferne – dürfte gerade wegen der aktuell begrenzten Bewegungsfreiheit an Bedeutung gewinnen.

Eine Entwicklung könnte dahin gehen, dass Mitarbeitende aufgrund der zunehmenden Robotisierung mehr Freizeit haben oder gar selber wählen dürfen, wie viele Ferientage sie beziehen, wie das heute bei Netflix schon der Fall ist. Demgegenüber stehen Szenarien, in welchen viele aus ökologischen Gründen auf das Fliegen verzichten. Oder das selbstfahrende Auto wird für Touristen künftig zum Fortbewegungsmittel der Wahl, weil sie damit 24 Stunden fahren können und teure Hotelübernachtungen wegfallen. Welchen Kurs soll die Schweizer Reisebranche also einschlagen?

Werden Reisende künftig auf die vielen verschiedenen digitalen Hilfsmittel verzichten und nur noch ihren persönlichen Virtual Travel Assistant konsultieren?

GDI und RDK sind überzeugt: Erstens wird es in Zukunft mehr Möglichkeiten geben, Reisen mit  vielfältigen Erlebnissen anzureichern und zweitens werden die meisten Reisenden digitale Hilfsmittel dazu verwenden – sei es in Form von Kartendiensten, Buchungsplattformen für Fortbewegung und Übernachtung oder für das Posten von Bildern in den sozialen Medien. Die logische Folgerung dieser Technologien stellen smarte Assistenten dar, welche die natürliche Sprache verstehen, auf eine Vielzahl von Daten zugreifen können sowie auf alle Fragen und Anweisungen der Reisenden angemessen reagieren. Die technische Realisation eines derartigen persönlichen Reiseberaters und Coach ist aufgrund der Fortschritte in maschinellem Lernen (Artificial Intelligence), Chatbots und natürlicher Spracherkennung in absehbarer Zukunft durchaus realistisch.

Wie werden die virtuellen Reiseberater die Customer Journey verändern?

Oft beginnt eine Reise mit einer Inspiration durch eine schöne visuelle Erfahrung wie ein Bild oder Video. Durch den Einsatz von Virtual Reality kann diese Erfahrung noch gesteigert werden. So könnten Schweizer Tourismusorganisationen diese neue Form des Sehens und Raumempfindens nutzen, um potenzielle Kunden auf hiesige Ferienregionen aufmerksam zu machen. Ein Möglichkeit wäre, Werbung mit schönen Schweizer Landschaften aus der Vogelperspektive in Computer Games zu integrieren.

Der Inspiration folgt die Wahl für eine Reisedestination: Wer ungewiss ist, wo er seine Wanderferien verbringen soll, dem kann ein smarter Reiseberater passende Vorschläge unterbreiten, denn dieser hat bereits registriert, welche Landschaften sein Kunde mag. Ebenso wie der virtuelle Assistent seinem Kunden beim Entscheidungsprozess geholfen hat, wird er ihm die Reise so angenehm wie möglich gestalten: Bei Verspätungen und veränderten Öffnungszeiten passt er die Reiseroute, die er selbst erstellt hat, laufend an. Bietet er zudem eine Challenge mit virtueller Medaille für die Besteigung eines Berges an, kann er den Erlebniswert seines Kunden sogar verstärken.

Während der Reise müssen natürlich auch die besten Fotos auf Social Media geteilt werden. Weil der Assistent weiss, welche Bilder am meisten „Likes“ erhalten, übernimmt er das gleich selbst. Zum Abschluss fragt der Assistent nach Feedback, wie gut seine Empfehlungen gepasst haben und was er beim nächsten Mal besser machen könnte. So lernt er dazu und kann künftig noch besser auf seinen Kunden eingehen.

Welchen Einfluss haben die smarten Travel Assistants auf touristische Leistungsträger?

Smarte Assistenten ermöglichen touristischen Leistungsträgern wie Restaurants oder Museen, ihr Angebot besser auf den Markt auszurichten. In einem Hotel berechnen sie beispielsweise, welche Leistungen welchen Einfluss auf die Gesamtbewertung haben. Ist ein persönlicher Service wichtig, kann dieser optimiert werden. Wenn ein Kunde in einem Restaurant das Essen bewertet, sammelt der Assistent gleichzeitig Daten, was der Kunde bestellt und wo er gesessen hat. Falls die Bewertungen der Gäste, die neben dem Eingang gesessen haben, jeweils schlechter ausfallen, könnte dieser Tisch umgestellt oder ganz entfernt werden.

Durch die Nutzung von smarten Assistenten kann sogar der Gast zum touristischen Leistungsträger werden. Fährt er in de Ferien und hat noch freie Plätze im Auto, weist ihn sein Assistent darauf hin, dass er diese verkaufen könnte. Die Suche nach möglichen Mitfahrenden, die Preisvereinbarung und Koordination geschieht im „Dialog“ mit anderen virtuellen Assistenten von Privatpersonen, nicht über Uber. Wer im Skiurlaub ist und gut Ski fährt, kann dementsprechend anderen Gästen seine Dienste als Skilehrer anbieten. Das Erbringen der Leistung kann auch im Austausch mit einer nicht-monetären Leistung erfolgen: z.B. Stadtführung gegen ein Essen in einem Restaurant.

Herausforderungen für Tourismusorganisationen

Die grosse Herausforderung für Tourismusorganisationen besteht darin, Leistungsträgern dabei zu unterstützen, Content, sprich Daten, zu generieren und online sichtbar zu machen. So könnten sie für Sensoren sorgen, welche in Hallenbädern die Ein- und Austritte registrieren. Für Kameras, welche die SkifahrerInnen zählen oder GPS-Sender, welche die Position von Mietvelos oder Bussen orten. Dadurch wird es möglich, Auslastung, Verfügbarkeiten und Ankunftszeiten zu visualisieren.

Auch Gäste oder Personen, die in einer Ferienregion wohnen, gilt es in das Sammeln und Sichtbarmachen der Daten einzubinden. Lässt man Einheimische Fragen zur Region beantworten, dienen sie gleichzeitig als Datenlieferanten und KI-Trainer. Daraus ergeben sich Empfehlungen für Touristen. Bietet man Gästen Kurse an, wie man sich am besten in Szene setzt, professionelle Fotos oder Videos erstellt, kann nützliches audiovisuelles Material entstehen.

Die gesammelten Daten werden erst durch das Zusammenführen und Vernetzen mit anderen Daten im Internet, etwa mit Wikipedia-Beiträgen oder Rezensionen auf Buchungsplattformen, wertvoll für Maschinen. Damit die Daten von Tourismusregionen für alle Maschinen „lesbar“ sind, müssen sie als Linked Open Data verfügbar sein. Dabei beraten Tourismusorganisationen Leistungsträger darin, welche Daten sie teilen sollen und wie sie diese bereitstellen, beantworten rechtliche Fragen oder helfen ihnen, eine Markenpersönlichkeit aufzubauen.

In der Zukunft werden mit Sicherheit auch unerwartete Entwicklungen das Reisen beeinflussen. Hoffen wir, dass bald wieder vermehrt gereist werden kann und die physischen Erfahrungen nicht vollumfänglich durch virtuelle Reiseerlebnisse ersetzt werden müssen.

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