Abbildung nobler Kreditkarten Abbildung nobler Kreditkarten
Wenn ich mit einer Platinkarte bezahlen würde, würde sich vielleicht mein Ansehen und mein Selbstwertgefühl vergrössern. (Symbolbild)

Warum ich keine Platinkarte habe? Weil das Leben schon kompliziert genug ist.

Kürzlich wurde meine Normalo-Kreditkarte gesperrt. Zeit, auf eine Platinkarte zu wechseln? Oder vielleicht auch nur Gold? Alle paar Jahre stellt sich diese Frage (beziehungsweise, man drängt sie mir auf). Und stets ist die Antwort dieselbe. Nein, ich will keine Platinkarte. Noch nicht mal eine Goldkarte.

Ich weiss, dass sich eine solche Karte für mich rein finanzarithmetisch betrachtet lohnen würde. Weil ich (bis vor kurzem jedenfalls) immer alles mit der Kreditkarte bezahlt hatte, wäre die Rückvergütung deutlich höher gewesen als die Jahresgebühr für die Karte. Ganz zu schweigen davon, dass mit einer solchen Karte viel, viel tiefere Nutzungsgebühren anfallen – was insbesondere im Ausland ordentlich Geld spart. 

Aber ich weiss auch, dass ich wenig Zeit habe. Definitiv zu wenig Zeit, als dass ich sie damit verbringen wollte, die verschiedenen Vorteilspakete, Versicherungsleistungen, Gutscheinprogramme und Meilenaktionen dieser Wunderkarten zu sammeln, zu überwachen, abzuwägen und mich dann schliesslich noch entsprechend zu verhalten. Was nämlich auch beinhalten würde, sich bei jedem Kauf zu überlegen, welche Karte man nun für welches Produkt oder welche Dienstleistung einzusetzen hat. Denn ein wesentliches Leistungsmerkmal von Gold- und Platinkarten sind die ganzen Zusatzleistungen: Reiseversicherungen, Selbstbehaltversicherung, medizinische Auslandhilfe, Shoppingversicherung (dazu ein andermal mehr), und und und. Ich will das nicht, ich hab das alles schon. Vielleicht nicht durchkalkuliert und durchoptimiert, aber dafür unkompliziert.

Ich weiss, ich weiss. Die Zusatzleistungen sind nicht nur finanzieller Art. Manche Platinkarten bieten auch „VIP- und Concierge-Services“ an. Diese „erfüllen Wünsche“ und man wird „bevorzugt behandelt“. Mit Verlaub, behandelt mich erst mal wie einen anständigen Kunden, dann reden wir über Vorzüge. Die da wären: „einen Tisch reservieren, in einem angesagten Club feiern, Tickets für ein Sport- oder Kulturereignis besorgen“. Das konnte ich bisher grade noch selber erfüllen, ohne mich zu quälen. Auch um Blumen für meine Frau kümmere ich mich lieber selber. Sie hat es verdient, dass ich selber Blumen für sie besorge, und nicht ein Concierge.

Aber der Imagegewinn! Ja, klar, wenn ich mit einer Platinkarte (oder, so ich denn könnte, mit einer Millionärskarte) bezahlen würde, hei wie das mein Ansehen vergrössern würde! Und erst mein Selbstwertgefühl! Ich sage noch nicht mal, dass ich das nicht brauchen könnte. Jeder hat ein Bedürfnis nach Ansehen und Selbstbewusstsein. Aber ich beziehe das lieber nicht aus meiner Kreditkarte. Zudem würde der Gewinn an Selbstbewusstsein mit meinem Selbstbild als sparsamer und vernünftiger Konsument in Konflikt stehen, denn die Karte lohnt sich ja erst bei regelrecht verschwenderischem Einsatz.

Nun waren das bisher subjektive Schilderungen. Aber zwei objektive, Wirtschaftspsychologen bestens bekannte Phänomene stützen meine Einschätzungen:

• Zu viele Optionen machen unzufrieden («Paradox of choice», Schwartz, 2004, Scheibehenne et al., 2010).
• Wer immer nach dem Besten strebt, wird mit dem Erreichten nie zufrieden sein («Maximizer», Simon, 1956; Schwartz et al., 2002).

Es bleibt also dabei: Ich verzichte auf falsches Edelmetall – Plastik macht mein Leben einfacher.

Ich weiss nicht, wie es Ihnen damit geht, würde mich aber freuen, wenn Sie es mich in einem Kommentar unten wissen lassen.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Simon, H. A. (1956). Rational choice and the structure of the environment. Psychological Review, 63(2), 129–138.

Schwartz, B., Ward, A., Monterosso, J., Lyubomirsky, S., White, K., & Lehman, D. R. (2002). Maximizing versus satisficing: Happiness is a matter of choice. Journal of Personality and Social Psychology, 83(5), 1178–1197.

Scheibehenne, Benjamin; Greifeneder, R.; Todd, P. M. (2010). "Can There Ever be Too Many Options? A Meta-Analytic Review of Choice Overload" (PDF). Journal of Consumer Research. 37: 409–425. doi:10.1086/651235. Retrieved April 9, 2012.

Schwartz, B. (2004). The paradox of choice. New York: Ecco.

Autor/in
Christian-Fichter

Prof. Dr. Christian Fichter

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