Wer in seinem Aufgabengebiet über geeignete Infrastruktur verfügt, ist motiviert und leistungsbereit. Neue Büroräumlichkeiten sind aber nicht einfach Selbstzweck. Sie bedeuten immer auch Entwicklung der Organisation und der Mitarbeitenden und stellen einen entscheidenden Produktivitätsfaktor im Unternehmen dar. Ein aufmerksamer Arbeitgeber tut also gut daran, die Bürostrukturen seiner Unternehmung bestmöglich auf die Interessen und Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden abzustimmen. Als Unternehmen ist man aber auch an einem betriebswirtschaftlich optimalen Einsatz der vorhandenen Ressourcen interessiert.

In meiner Masterarbeit habe ich unter Berücksichtigung von Fachliteratur und Studien zu flexiblen Arbeitswelten die Zusammenhänge zwischen den neuen Bürostrukturen und den Mitarbeitenden einer Versicherungsagentur im Bereich der Soft-Faktoren „Effizienz“, „Wohlbefinden“ und „Zusammenarbeit“ empirisch untersucht.

Hintergrund

Die Versicherungsgesellschaft hat am 1. April 2014 einen Neubau an zentraler Lage in Wetzikon bezogen und dabei neue Bürostrukturen umgesetzt. Im Bürokonzept haben sich Elemente der flexiblen Arbeitswelten mit traditionellen Aspekten der Firmenkultur verbunden. Seither sind bei stetigem Wachstum insgesamt 1.8 Stellen abgebaut worden. Ein direkter Einfluss der neuen Bürostrukturen auf die Mitarbeitenden und ihre Arbeit wurde vermutet. Die allgemeinen Beobachtungen im Arbeitsalltag machten allerdings zu wenig klar, ob und welche Zusammenhänge genau bestehen und inwiefern sich die neuen Bürostrukturen konkret auf die Mitarbeitenden und ihre Arbeit auswirken. Diese Wissenslücke sollte anhand einer empirischen Untersuchung geschlossen werden.

Ziele

Im empirischen Teil der Arbeit ging es darum, mittels einer schriftlichen Befragung aller Mitarbeitenden erstmals Daten für ein „Office Monitoring“ zu erheben, die aufzeigen, inwiefern die neuen Bürostrukturen mit den ausgewählten Soft-Faktoren zusammenhängen. Die Daten bilden die Grundlage für Kennzahlen, welche in der von Stephan Zinser entwickelten „Office Balanced Scorecard“ abgebildet werden. Damit steht der Versicherungsagentur ein Führungs- und Controllinginstrument zur Verfügung, das zur weiteren strategiegeleiteten Entwicklung der Bürostrukturen oder anderer Unternehmensbereiche eingesetzt werden kann.

Ergebnisse

Die zentralen Erkenntnisse meiner Arbeit lauten wie folgt:

  • Insgesamt sind die strategischen Zielsetzungen des Neubaus und der neuen Bürostrukturen der Versicherungsagentur erreicht worden. Die Ressource „Büro“ spielt eine wichtige Rolle für den Unternehmenserfolg. Die Büroräume passen zur Unternehmenskultur und –philosophie und das Büro ist auch Identifikationssymbol und ein Stück Heimat für die Mitarbeitenden.
  • Zwischen den neuen Bürostrukturen und den definierten Soft-Faktoren „Effizienz“, „Wohlbefinden“ und „Zusammenarbeit“ besteht ein Zusammenhang, und zwar ein deutlich positiver. Die Soft-Faktoren stellen eine zentrale Grösse für den Unternehmenserfolg dar. Die Gesamteinschätzungen zu den Soft-Faktoren sind durchwegs positiv und gemäss den Erwartungen. Die Teilfragen werden hingegen kritischer und negativer beantwortet. Die Mitarbeitenden wünschen sich mehr Rückzugsmöglichkeiten und Schutz vor Lärm und Durchgangsverkehr. Ferner kann die interne Zusammenarbeit weiter optimiert werden.
  • Das Balanced Scorecard-System kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt und auch kombiniert werden. Es eignet sich insbesondere für den Office- Bereich wie im Beispiel der untersuchten Versicherungsagentur aufgezeigt werden konnte. Die Einführung und Weiterentwicklung neuer Bürostrukturen (flexible Arbeitswelten) wie auch die Arbeit mit der «Office Balanced Scorecard» sind Aufgaben der Personal- und Organisationsentwicklung und sollten mit der Vision und Strategie der Unternehmung gekoppelt sein.

Relevanz für die Praxis

Die Präsentation der Masterarbeit erfolgt am offiziellen Planungstag mit allen Mitarbeitenden und dem Kader der Versicherungsagentur. Aus den wesentlichen Erkenntnissen der empirischen Untersuchung resultieren drei Handlungsoptionen:

  • Weitere Optimierung und Weiterentwicklung der Bürostrukturen für interdisziplinäre resp. abteilungsübergreifende Fachteams.
  • Prüfen von Raumakustik, Rückzugsmöglichkeiten und Ruhearbeitsplätzen verbunden mit einem proaktiven Ansprechen von Störungen und Bedürfnissen und bei Bedarf der Erarbeitung von Spielregeln oder eines Verhaltenskodexes sowie Förderung der vermehrten Nutzung der «silent rooms».
  • Bewusste, partizipativ ausgerichtete Auseinandersetzung mit Visionen und Strategien der Versicherungsagentur verbunden mit der sorgfältigen Implementierung des neuen Führungs- und Steuerungsinstruments und einer Wiederholung der Befragung.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wer Veränderung will, sollte auch einen Weg zur Messung suchen. Die Versicherungsagentur verfügt nun über ein geeignetes Instrument der strategischen Führung. Zudem liegt eine Grundstruktur eines Fragebogens mit der Orientierung nach Soft-Faktoren vor. Damit existieren zwei konkrete Vorlagen für weitere interne Optimierungen und Entwicklungen oder für andere Generalagenturen der Versicherungsgruppe. Der Versicherungsagent möchte sich zukünftig besonders mit der Platzierung der Teams über die verschiedenen Abteilungen hinweg bzw. der interdisziplinären Fachteams beschäftigen. Die grosszügigen Raumflächen und die eher knappen Arbeitsflächen sind ein weiteres Spannungsfeld, dem er nachgehen möchte. Die Befragungsergebnisse bestätigen seine Ansicht, dass die Unternehmenskultur die Grundlage allen Tuns ist.

Allgemein gesagt, ist das Büro eine wertvolle Gestaltungsgrösse für den Unternehmenserfolg. Eine gute Büroplanung ist mehr als die Planung von Tisch, Schrank und Stuhl. Neue Bürokonzepte ermöglichen Autonomie und Flexibilität. Sie geben Antwort auf die Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden und steigern deren Zufriedenheit und Motivation. Die Meinungen der Fachliteratur zu flexiblen Arbeitswelten mit Vorteilen und Grenzen werden durch Umfrage mehrheitlich bestätigt. Es gibt nicht den idealen Bürotyp. Wichtig ist die Konnektivität zwischen dem konkretem Bürokonzept und den vielfachen Anforderungen der Organisation, des Teams und der Person.

Beitrag des Studiengangs

Der Studiengang MAS FH in Personal- und Organisationsentwicklung hat vor allem meinen ganzheitlichen und systemischen Ansatz erweitert. Wesentlichste Erkenntnis ist, dass jede gezielte Veränderung in einem Unternehmen einen Akt der Personal- und Organisationentwicklung darstellt. Neben der Veränderung der Strukturen oder Rahmenbedingungen bedarf es immer auch eines kulturellen Prozesses, der Zeit und Sorgfalt benötigt. Dementsprechend sollten alle Veränderungen den Vorgaben der „ChangeManagementLehre“ entsprechend angegangen werden. Die Veränderungen müssen zudem mit der Vision und Strategie der Unternehmung gekoppelt sein. Das bedeutet, dass diese vorhanden und den Beteiligten auch bekannt sind. Eine gelungene Veränderung ist die Summe kleiner, gezielter Schritte, begleitet von einer an den Stakeholdern orientierten Kommunikation, die es ermöglicht, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Fachliteratur (Auszug)

  • Nagel, R. & Dietl, W. (2009). Werkzeugkiste. Balanced Scorecard. OrganisationsEntwicklung Nr. 1/2009.
  • Zinser, St. & Boch, D. (Hrsg). (2007). Flexible Arbeitswelten. So geht’s! Do’s und Dont’s aus dem Flexible Office Netzwerk. Zürich: vdf Hochschulverlag AG.
  • Zinser, St. (Hrsg.). (2004). Flexible Arbeitswelten. Handlungsfelder, Erfahrungen und Praxisbeispiele aus dem Flexible-Office-Netzwerk. Zürich: vdf Hochschulverlag AG. iafob. Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung. (2013). Verfügbar unter: www.flexible-office-netzwerk.net.
  • Ellwart, Th. & Schulze H. (2009). Produktivität und Büro: Ein mulitfaktorieller Ansatz zur optimalen Büroraumkonzeption. Tagungsband der GfA Herbstkonferenz 2009. Millstadt: Hrsg. Kurz Landau. 

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