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Demütiger Optimismus als erfolgversprechende Strategie im Unternehmertum. (Symbolbild)

Demut? Das ist nun wirklich nicht das erste, was einem beim Gedanken an Unternehmertum in den Sinn kommt. Zu unrecht! Denn im unternehmerischen Alltag ist es wichtig, eine gesunde Portion Selbstvertrauen und Zuversicht zu haben, ohne dabei in die Falle der Selbstüberschätzung (Overconfidence Bias) zu tappen. Und ein Weg, um diese delikate Balance zu halten, ist eine Kultur des demütigen Optimismus: dass einerseits ein gesunder Optimismus herrscht, andererseits aber auch ein Bewusstsein für die Grenzen und Fallstricke des eigenen Denkens vorhanden ist.

 

Optimismus ohne Wunschdenken

Wer den riskanten Schritt ins Unternehmertum wagt, muss davon überzeugt sein, das Richtige zu tun, und es richtig zu tun. Der Selbstüberschätzungs-Bias kann dabei das notwendige Zünglein an der Waage sein: Komplett rational gesehen ist es selten sinnvoll, das Risiko des Unternehmertums einzugehen, denn viele Jungunternehmen scheitern schon früh.

Im operativen Alltag ist Selbstüberschätzung eher ein Laster als eine Tugend, weil die Qualität von Entscheidungen durch Selbstüberschätzung stark leidet. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Kind mit dem Bad ausgeschüttet werden muss. Optimismus ist grundsätzlich nämlich sehr nützlich, weil positives Denken im Sinne selbsterfüllender Prophezeiungen positive Effekte haben kann. So kann etwa Selbstwirksamkeit (Self-efficacy”) als Glaube, etwas bewirken zu können, helfen, gesteckte Ziele auch wirklich zu erreichen. Eine andere mit Optimismus zusammenhängende Eigenschaft, Resilienz, kann zudem helfen, Rückschläge produktiv zu verarbeiten.

Wie kann, wenn Optimismus im Unternehmertum also grundsätzlich wünschenswert ist, ein gesunder Optimismus aussehen, der das rationale unternehmerische Denken nicht vernebelt? Eine wichtige Komponente, um dieses Ziel zu erreichen, ist intellektuelle Demut.

Intellektuelle Demut als Versicherungspolice

Demut ist die Eigenschaft und Tugend, die eigenen Schwächen und Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren. Wer demütig ist, nimmt sich selber nicht übertrieben ernst und hat keine Mühe damit, Fehler einzugestehen.

Intellektuelle Demut ist Demut, welche auf das eigene Denken gerichtet ist. Sie besteht aus mehreren Schritten. Eine intellektuell demütige Person weiss, erstens, dass ihr Denken gewisse irrationale Tendenzen und Limitationen hat. Sie weiss, zweitens, auch, welche konkreten Grenzen ihr Denken hat (beispielsweise den Bias der Selbstüberschätzung). Sie erkennt, drittens, wann in der Praxis die Limitationen ihres Denkens konkrete negative Folgen haben. Und viertens versucht eine intellektuell demütige Person aktiv, ihre kognitiven Limitationen und deren negative Folgen zu reduzieren. Wenn zum Beispiel eine intellektuell demütige Person glaubt, die Ursache für ein Problem erkannt zu haben, fragt sie sich aktiv, welche alternativen Erklärungen auch noch denkbar sind. Mit einer solchen “Differenzialdiagnose” vermeidet die demütige Person, sich infolge kognitiver Limitationen wie eben der Selbstüberschätzung in eine vielleicht falsche Erklärung zu verbeissen.

Intellektuelle Demut ist eine Art Versicherung gegen das Risiko der Selbstüberschätzung: Indem Unternehmerinnen und Unternehmer intellektuelle Demut praktizieren, wird ihnen überzogene Selbstsicherheit automatisch suspekt. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, sich in starke, aber ungenaue und unpräzise Überzeugungen hineinzukaprizieren.

Demütiger Optimismus in der Unternehmenskultur

Demütiger Optimismus ist keine magische Pille, die einmal eingenommen wird und dann für immer vor Selbstüberschätzung schützt. Stattdessen muss demütiger Optimismus ein Teil der Unternehmenskultur werden. Das bedeutet, dass Ideen und Entscheidungen einerseits optimistisch betrachtet und gefördert werden sollen. Gleichzeitig bildet intellektuelle Demut ein Sicherheitsnetz, das es erlaubt, Ideen und Entscheidungen frühzeitig zu hinterfragen – und wenn nötig zu korrigieren.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Bandura, Albert. 1977. “Self-Efficacy: Toward a Unifying Theory of Behavioral Change.” Psychological Review 84 (2): 191–215. https://doi.org/10.1037/0033-295X.84.2.191.

Luthar, Suniya S., and Dante Cicchetti. 2000. “The Construct of Resilience: Implications for Interventions and Social Policies.” Development and Psychopathology 12 (4): 857–85.

Rutter, Michael. 1987. “Psychosocial Resilience and Protective Mechanisms.” American Journal of Orthopsychiatry 57 (3): 316–31. https://doi.org/10.1111/j.1939-0025.1987.tb03541.x.

Scheier, Michael F., and Charles S. Carver. 1993. “On the Power of Positive Thinking: The Benefits of Being Optimistic.” Current Directions in Psychological Science 2 (1): 26–30. https://doi.org/10.1111/1467-8721.ep10770572.

Whitcomb, Dennis, Heather Battaly, Jason Baehr, and Daniel Howard‐Snyder. 2017. “Intellectual Humility: Owning Our Limitations.” Philosophy and Phenomenological Research 94 (3): 509–39. https://doi.org/10.1111/phpr.12228.

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Selbstüberschätzung und Unternehmertum (1/2)

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