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Ganz schön selbstbewusst, erfolgreich zu werden? Selbstüberschätzung kann gerade im Unternehmertum auch schaden. (Symbolbild)

Selbstüberschätzung  die kognitive Verzerrung, bei der man die Qualität der eigenen Entscheidungen und Kompetenzen überschätzt – ist im Unternehmertum Segen und Fluch zugleich. Einerseits gäbe es ohne Selbstüberschätzung kaum Startups, denn die Unternehmensgründung ist hoch riskant und der Arbeitsalltag oft zermürbend. Andererseits bedeutet Selbstüberschätzung auch, dass UnternehmerInnen systematisch verzerrte Entscheidungen treffen, mit denen sie letztlich sich selbst und ihrem Unternehmen schaden.

 

Das Startup-Paradoxon

In der Schweiz werden laut dem Bundesamt für Statistik jedes Jahr rund 40’000 neue Unternehmen gegründet. Das ist erfreulich, denn die Startups von heute sind die Innovationstreiber und Wertschöpfer von morgen. Doch die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, ist an und für sich hochgradig irrational: Knapp 40 Prozent aller Startups gehen nach nur wenigen Jahren bereits wieder ein (Bundesamt für Statistik, 2018).

Bild Überlebensrate Startups
Viele Startups verschwinden nach den ersten Jahren wieder. (Eigene Darstellung).

Die Unternehmensgründung ist eine Wette, welche man rationalerweise nicht eingehen sollte. Das Risiko zu scheitern ist schlicht zu gross. Und doch wagen Jahr für Jahr viele Tausende von GründerInnen diesen hochriskanten Schritt. Warum? Eine zentrale Triebfeder für die Unternehmensgründung ist der sogenannte Overconfidence-Bias (Deutsch: Selbstüberschätzungs-Verzerrung).

Besser, als die Statistik erlaubt: Selbstüberschätzung

Werden AutofahrerInnen befragt, wie gut sie Auto fahren, geben die meisten an, sie seien überdurchschnittlich gut. Dieses Ergebnis kann, statistisch gesehen, unmöglich wahr sein; im Durchschnitt kann eine Mehrheit logischerweise nicht überdurchschnittlich gut sein. Die Frage nach der Autofahr-Kompetenz ist ein klassischer Fall von Selbstüberschätzung: Wir neigen dazu, unsere Kompetenzen und die Qualität unserer Entscheidungen systematisch zu überschätzen. Selbstüberschätzung äussert sich in der Praxis als Overestimation (z. B. überschätzte Kompetenz), Overprecision (zu hohe Überzeugung, die Wahrheit zu kennen) und Overplacement (Selbstüberschätzung der eigenen Leistung oder Kompetenz im Vergleich mit anderen Menschen).

Selbstüberschätzung als Segen und Fluch

Die Unternehmensgründung als hochriskante Wette sollte selten sein, ist es aber nicht. In zahlreichen Studien (z. B. Artinger et al, 2016 oder Astebro et al, 2014) wurde der Selbstüberschätzungs-Bias als ein Teil der Erklärung für dieses Startup-Paradoxon identifiziert: UnternehmerInnen sind von ihren Dienstleistungen und Produkten überzeugt; sie sind überzeugt, besser als die Konkurrenz zu sein; und sie sind überzeugt, zu wissen, was sie tun. Selbstüberschätzung ist, so gesehen, positiv: Würden sich UnternehmerInnen nicht systematisch überschätzen, gäbe es viel weniger Startups und damit viel weniger Innovation und Wettbewerb. Selbstüberschätzung verzerrt also die Risikowahrnehmung beim Markteintritt, was aus gesamtgesellschaftlicher Sicht insgesamt positiv ist.

Im unternehmerischen Alltag kann Selbstüberschätzung aber schnell zu einem Fluch werden. Selbstüberschätzung bedeutet nämlich allzu oft, dass UnternehmerInnen zu sehr davon überzeugt sind, dass sie das Richtige tun und, dass sie es richtig tun. Diese Einstellung kann in einer kognitive Sackgasse enden, welche zusätzlich durch den Confirmation Bias (Bestätigungs-Bias) und die Sunk Cost Fallacy (aufgrund “versunkener Kosten” an Bestehendem festhalten) zementiert wird.

Demütiger Optimismus statt Selbstüberschätzung

Selbstüberschätzung kann ein positiver Motivator sein, um den Schritt ins Unternehmertum zu wagen. Im operativen Alltag aber schadet der Overconfidence-Bias mehr, als er nützt. Darum sollte unbewusste Selbstüberschätzung abgebaut und bewusster, aber demütiger Optimismus aufgebaut werden: An den Erfolg zu glauben, ist wichtig und richtig – unkritisches Wunschdenken hingegen ist ein erprobtes Rezept für Misserfolg.

Wie der Aufbau von bewusstem, demütigem Optimismus gelingen kann? Das erfahren Sie im Teil 2 Unternehmertum und demütiger Optimismus.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Artinger, Sabrina, and Thomas C. Powell. 2016. Entrepreneurial Failure: Statistical and Psychological Explanations. Strategic Management Journal 37 (6): 1047–64. https://doi.org/10.1002/smj.2378.

Astebro, Thomas, Holger Herz, Ramana Nanda, and Roberto A. Weber. 2014. Seeking the Roots of Entrepreneurship: Insights from Behavioral Economics. Journal of Economic Perspectives 28 (3): 49–70. https://doi.org/10.1257/jep.28.3.49.

Bundesamt für Statistik, Zahlen für neu gegründete Unternehmen

Bundesamt für Statistik, Zahlen für Überlebensrate neu gegründeter Unternehmen

Moore, Don A., and Paul J. Healy. 2008. “The Trouble with Overconfidence.” Psychological Review 115 (2): 502–17. https://doi.org/10.1037/0033-295X.115.2.502.

Robinson, Anthony T., and Louis D. Marino. 2015. Overconfidence and Risk Perceptions: Do They Really Matter for Venture Creation Decisions?. International Entrepreneurship and Management Journal 11 (1): 149–68. https://doi.org/10.1007/s11365-013-0277-0.

Salamouris, Ioannis S. 2013. How Overconfidence Influences Entrepreneurship. Journal of Innovation and Entrepreneurship 2 (1): 8. https://doi.org/10.1186/2192-5372-2-8.

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