Generation Y - Ein nutzloses Konzept? Generation Y - Ein nutzloses Konzept?
Ist das Konzept der Generation Y (Jahrgänge 1981-1997) nützlich für die professionelle Leadership- und Personalarbeit? (Symbolbild)

People try to put us down (Talkin’ ’bout my generation)
Just because we get around (Talkin’ ’bout my generation)
Things they do look awful cold (Talkin’ ’bout my generation)
I hope I die before I get old (Talkin’ ’bout my generation)


The Who, My Generation (1965)

Kürzlich auf der Tagung einer schweizerischen Managementvereinigung. Eine erfahrene Führungskraft brachte es in der Keynote mal wieder auf den Punkt: Die Generation Y sei ich-zentriert, ungeduldig und zeige sich durchaus bereit, für eine sinnstiftende Arbeit monetäre Einbussen in Kauf zu nehmen. Der Umgang mit ihr sei oft herausfordernd, aber auch bereichernd – so die unter zustimmendem Kopfnicken vorgetragene Schlussfolgerung.

Da das Wissen um die Charakteristika und Bedürfnisse der Generation Y schon fast zur Binsenwahrheit geworden ist, sehnen sich HR- und Führungskräfte verständlicherweise nach Tools, Strategien und Best-Practices, wie mit den Millennials, wie man sie auch nennt, umzugehen ist. Doch nicht nur in der Praxis gibt es eine grosse Nachfrage zu Themen rund um die Generation Y, es zeigt sich auch ein hoher Forschungsoutput, der insbesondere auf die Bereiche „Managing Generation Y“ (Eisner, 2005) oder „Targeting Generation Y“ (Morton, 2002) abzielt.

Das Problem dabei: Unterschiede zwischen einzelnen Generationen sind oft weniger bedeutsam als vermutet. Das Konzept einer Generation X, Y oder Z ist für das moderne Leadership- und Personalmanagement mehrheitlich unbrauchbar.
Dies ist das ernüchternde Fazit einer Studie von Uwe Kanning (2016, siehe auch Blogbeitrag), welcher die Arbeitsmotive der Generationen Babyboom (1949-1963), X (1964-1978) und Y (1981-1997) in einer Befragung mit 2365 Personen untersucht hat.
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die Unterschiede innerhalb einer Generation in vielen Bereichen grösser sind als die Unterschiede zwischen verschiedenen Generationen. So lässt sich beispielsweise zwischen einzelnen Generationen kein Unterschied im Bedürfnis nach Abwechslung feststellen. Dabei gilt gerade der hohe Wunsch nach Abwechslung als typisch für die Generation Y.

Weiter zeigt sich, dass in Bereichen, in denen statistisch signifikante Unterschiede bestehen, diese meist sehr gering ausfallen. Das oft mit Millennials assoziierte Streben nach einer funktionierenden Work-Life-Balance unterscheidet sich beispielsweise zwischen Generation X und Generation Y nur um 0.1 Punkte (auf einer Skala von 1-4). Statistische Signifikanz bedeutet leider nicht auch automatisch Relevanz für die Praxis.
Manche verbreiteten Meinungen über die Generation Y treffen zudem schlicht nicht zu. So verdeutlichen die Ergebnisse von Kanning, dass die Generation Y – entgegen zahlreicher pessimistischer Stimmen – sogar leistungsmotivierter ist als die anderen Generationen, und nicht nur sinnsuchendem Hedonismus zugeneigt.

„Ich beobachte die Bedürfnisse der Generation Y nach Selbsterfüllung und sinnstiftender Arbeit aber tagtäglich in meinem Job“ werden nun aber viele sagen. Darauf lässt sich antworten: Diese Wahrnehmung mag durchaus zutreffend sein. Jedoch gibt es für diese Beobachtungen auch andere Gründe als vermeintliche Generationenunterschiede:

  1. Wir sehen idealtypische Einzelbeispiele. Wenn die Bandbreite von bestimmten Einstellungen und Werten innerhalb einer Generation sehr hoch ist, gibt es folglich auch stets Personen, die dem vermeintlichen Idealtypus perfekt entsprechen. Es gibt entsprechend auch VertreterInnen der Generation Y, welche stark gängigen Klischees entsprechen. Das Gegenteil trifft allerdings ebenfalls zu: Beispielsweise eine Person, die primär an monetären Anreizen im Job interessiert ist. Weshalb man trotzdem eher den typischen Vertreter der Generation Y sieht, liegt vielleicht am nächsten Grund.

  2. Wir sehen, was wir erwarten. Hat man bereits eine bestimmte Meinung über Bedürfnisstrukturen der Generation Y, findet man auch leichter Bestätigung für die eigene Einschätzung. In der Psychologie wird dies unter dem Begriff Confirmation-Bias (Bestätigungsfehler) diskutiert.

  3. Wir nehmen eine Momentaufnahme wahr. Statt eines Generationeneffektes können unsere subjektiven Beobachtungen auch das Ergebnis eines Alterseffektes sein. Wir sehen selber nur einen Querschnitt der jeweiligen Generation. Um aber stabile Werteentwicklungen erkennen zu können, müssten wir eine Längsschnittstudie heranziehen (eine solche liegt aber für die Generation Y noch nicht vor). Wenn man heute liest, dass die Generation Y etablierte Unternehmenshierarchien in Frage stellt, ist dies nicht neu. Schon die 68er-Generation hat eine ähnliche Kritik vehement vertreten (aber ist wohl beim langen Marsch durch die Institutionen etwas altersmilde geworden). Über die Lebensspanne verändern sich eben teilweise auch unsere Werte. Dies hat allerdings mit einem Generationeneffekt nur wenig zu tun.

 

Wenn nun die wissenschaftliche Beweislage für die Generation Y eher dürftig ist, weshalb erfreut sich das Thema dann so grosser Popularität? Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass zahlreiche Aussagen zur Generation Y intuitiv plausibel wirken. Es gibt tatsächlich ein breiteres Spektrum an Arbeitszeitmodellen, und auch durch die Präsenz von sozialen Medien könnte man leicht glauben, dass hier eine hedonistische «Generation Selfie» in die Unternehmen drängt. Diese – oftmals technisch getriebenen – Veränderungen mögen Arbeitseinstellungen beeinflussen. Solche Veränderungen sind allerdings weniger für eine bestimmte Alterskohorte bedeutsam, sondern betreffen als genereller Wertewandel den gesamten Arbeitsmarkt. Ferner benutzen wir (kognitive) Vereinfachungen und Mechanismen, mittels denen wir unsere soziale Umwelt strukturieren, insbesondere beim Vergleich der eigenen In-Group (z. B. der eigenen Alterskohorte) mit einer Out-Group (z. B. der Generation Y). Dass das Thema Generation Y zusätzlich auch von einer ganzen Heerschar von Ratgeber-Autorinnen und -Autoren, Consultants und Coaches gepusht wird, ist ein weiterer Treiber des Erfolgs von Generation XYZ-Konzepten.


Was bedeutet dies nun für den Umgang mit Millennials? Schliesslich klopft ja auch schon die nächste Generation – diesmal die Generation Z – an die Tür (natürlich mit nochmals ganz anderen Bedürfnissen, vgl. Casty, 2017). Als Fazit könnte man provokativ sagen: „Wer in der Personalarbeit in Generationen denkt, der denkt letztlich in Stereotypen“ (Kanning, 2016). Vorurteile und Denkfehler sollte man in einer professionellen Leadership- und Personalarbeit vermeiden. Gute Arbeit in diesen Bereichen soll sich im besten Fall am Individuum orientieren und nicht in die Falle vorgefertigter (Generationen-)Schablonen tappen. Es lohnt sich zwar, über die Bedeutung von Werten und über den Wertewandel zu diskutieren. Den irreführenden Begriff einer bestimmten Generation Y oder nun Z braucht es hierzu allerdings nicht.



Weiterführende Informationen und Quellen:
Casty, U. (2017). Die Generation Z tickt anders. HR Today Blog. Verfügbar unter: http://blog.hrtoday.ch/die-generation-z-tickt-anders-hoechste-zeit-sie-besser-zu-informieren/

Eisner, S. P. (2005). Managing generation Y. SAM Advanced Management Journal, 70(4), 4.

Kanning, U. P. (2016) Gibt es die Generation Y?. Personalmagazin, 11, 34-37.

Morton, L. P. (2002). Targeting generation Y. Public Relations Quarterly, 47(2), 46-48.

Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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