Frau vor PC verzweifelt Frau vor PC verzweifelt
Wer gute Selbstmanagement-Techniken richtig anwendet, dem fliegen die Pendenzen und Deadlines nicht mehr so schnell um die Ohren. (Symbolbild)

Wir geniessen in der modernen Arbeitswelt ein grosses Mass an Freiheit und Eigenverantwortung. Die Kehrseite der Autonomie: Wir müssen oft selbst entscheiden, welche Aufgaben wir wann und wie erledigen. Selbstmanagement ist angesagt, und damit hat so mancher von uns seine Probleme. Aufgaben werden aufgeschoben, Deadlines überzogen und Überzeit angehäuft.

Eine Lösung besteht darin, sich als Manager seiner selbst zu verstehen. Kurz gesagt geht es beim Selbstmanagement darum, eigenes Verhalten zielbewusst zu beeinflussen. Um seine Ziele erreichen zu können, ist ein cleverer Umgang mit der zur Verfügung stehenden Zeit ganz zentral. Deswegen dreht sich beim Selbstmanagement auch so viel um Zeitmanagement.

Warum Strukturwandel und Internet Selbstmanagement erforderlich machen

Die Einsicht, dass es sich bei Zeit um eine begrenzte Ressource handelt, existiert nicht erst seit dem Klagen über die beschleunigte Arbeitswelt. Schon Mitte des 20. Jahrhunderts gab es Vorschläge, zwecks besserer Planung Aufgaben in Listenform zu notieren – das war die Geburtsstunde der „To-Do-Liste“. Wegen des Strukturwandels von der Produktions- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft waren die Aufgabenbereiche nämlich immer weniger klar strukturiert. Arbeitstätige mussten sich und ihre Aufgaben selber „managen“. Zusätzlich befeuert wurde der Bedarf nach besserem Selbst- und Zeitmanagement durch das Internet. Dabei hält uns nicht nur der ständige persönliche Nachrichtenstrom aus E-Mails, Chats und Textnachrichten davon ab, unsere Ziele zu erreichen, sondern auch die Informationsflut aus sozialen Netzwerken, Blogs oder Newslettern. Auch stöhnen viele Menschen über die vielfältigen Versuchungen der Multioptionsgesellschaft, die sie dabei behindern, sich auf wichtige, realistische Ziele zu fokussieren.

Was Selbstmanagement bringt

Immerhin, mittlerweile gilt es als belegt: Selbstmanagement-Trainings können einen positiven Einfluss auf Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung ausüben. So zeigte sich beispielsweise eine negative Korrelation zwischen Selbstmanagement und Stress (Saks & Ashforth, 1996) sowie eine positive Korrelation mit Leistung (Frayne & Geringer, 2000). Solide Kenntnisse in Selbst- und Zeitmanagement lohnen sich also für die Arbeitnehmenden, und die Unternehmen tun gut daran, sie beim Erwerb der entsprechenden Kenntnisse zu unterstützen. Dabei gilt: Je öfter man Selbstmanagement-Techniken anwendet, desto eher werden sie zur Gewohnheit und desto leichter fallen sie. Und sehr empfehlenswert ist es, seine Ziele mit einer Vertrauensperson zu teilen, denn dadurch geht man eine Selbstverpflichtung ein, die motivierend wirkt.

Vorsicht Erbauungsliteratur!

Leider muss man in diesem Zusammenhang vor Selbstmanagement-Trainings und -Methoden warnen, die zwar mit klangvollen Patentrezepten aufwarten, aber theoretisch kaum fundiert und empirisch nicht überprüft sind. Norman Vincent Peale etwa gelang mit „Die Kraft positiven Denkens“ ein Millionenbestseller. Tenor des Werks: „Wer davon ausgeht, dass er erfolgreich sein wird, der ist bereits erfolgreich“ (1952). Die Theorie hinter Erbauungsliteratur: Wenn Du nur fest daran glaubst, dann ist alles möglich. Für die Praxis empfiehlt sich logischerweise, auf den Einsatz nicht wissenschaftlich evaluierter Trainings konsequent zu verzichten.

Weshalb der Mensch Hilfe beim Planen braucht

Menschen agieren nicht immer rational. Das gilt auch für unseren Umgang mit der Zeit. Wir neigen stark dazu, die für eine Aufgabe benötigte Zeit zu unterschätzen – was etwa bei Projekten immer wieder für Schaden sorgt. Kahneman und Tversky (1979) bezeichneten dies als Planning Fallacy (Planungsfehler). Den Grund dafür sehen sie darin, dass Menschen beim Abschätzen der notwendigen Zeitdauer zu wenige Informationen berücksichtigen. Eine wirksame Gegenmassnahme gegen den Planungsfehler besteht insbesondere darin, sich bei der Planung an der Dauer ähnlicher, früherer Projekte zu orientieren. Das ist ebenso einfach wie einleuchtend – aber Hand aufs Herz: Machen Sie selbst das immer so?

Wenn wir also geneigt sind, bei der Planung und beim Zeitmanagement so viele Fehler zu machen –  heisst das denn nicht, dass Planung überhaupt nichts nützt? Ganz im Gegenteil, wenn man es richtig macht. Gut gemachte Planung ist ein Prädiktor für geschäftlichen Erfolg. Und nicht nur das: Planung reduziert arbeitsbezogenen Stress und Angstgefühle. Gleichzeitig vermittelt sie das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, was sich auch in höherer Arbeitszufriedenheit und höherer Arbeitsleistung äussert (Claessens et al., 2007). Vielleicht werden gut geplante Projekte nicht immer fristgerecht fertig – aber sicher früher als nicht geplante.

Übrigens, wir planen, Ihnen in Kürze konkret umsetzbare Tipps aufzuzeigen, wie Sie sich und Ihre Zeit besser mangen können. Empirisch bestätigte Tipps, versteht sich.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Saks, A. M., & Ashforth, B. E. (1996). Proactive socialization and behavioral self-management. Journal of Vocational behavior, 48(3), 301-323.

Frayne, C. A., & Geringer, J. M. (2000). Self-management training for improving job performance: A field experiment involving salespeople. Journal of Applied Psychology, 85(3), 361.

Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica: Journal of the econometric society, 263-291.

Koch, C. J., & Kleinmann, M. (2002). A stitch in time saves nine: Behavioural decision-making explanations for time management problems. European Journal of Work and Organizational Psychology, 11(2), 199-217.

Claessens, B. J., Van Eerde, W., Rutte, C. G., & Roe, R. A. (2007). A review of the time management literature. Personnel review, 36(2), 255-276.

Autor/in
Christian-Fichter

Prof. Dr. Christian Fichter

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