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Angebote wie Carsharing könnten Menschen, bei welchen die finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt sind, Zugang zu Gütern bieten – ohne sich zu verschulden. (Symbolbild)

In der Schweiz werden jährlich rund 130‘000 Menschen statistisch als erwerbsarm erfasst. Betroffen davon sind aber weit mehr Menschen: Rund 530'000 Menschen leben in Working Poor Haushalten. Ein Leben unter der Armutsgrenze bedeutet für die betroffenen Menschen oft Einschränkung und Verzicht, aber impliziert es auch die Aufnahme von Schulden?

Im Rahmen meiner Bachelor Thesis befasste ich mich mit der Fragestellung, ob junge Erwerbsarme das grössere Risiko tragen, in die Verschuldung zu rutschen. Als Hilfsmittel standen mir einerseits bereits bestehende Studien zur Verfügung. Zusätzlich entschloss ich mich, eine eigene Umfrage in den Branchen Coiffeusen/Coiffeure, Detaillistinnen/Detailisten und weiteren Branchen zu starten. Trotz anonymen Fragebogens erwärmten sich junge Menschen nur schwer für eine Teilnahme an der Umfrage: Wer redet schon gerne über die eigene finanzielle Lage, die zur Verfügung stehenden Mitteln oder über eigene Schulden?

Schnittstelle Erwerbsarmut und Verschuldung

Abb.: Schnittstelle Erwerbsarme und Verschuldete. Quelle: Tuttobene, 2016, S. 10

Die Studie The economic psychology of consumer debt von Lea, Webley und Levine zeigt, dass eine prekäre wirtschaftliche Situation in Privathaushalten und eine Verschuldung miteinander korrelieren können. Livingstone und Lunt (1992) leiten in ihrer Studie Predicting personal debt and debt repayment: Psychological, social and economic determinants ebenso einen Zusammenhang zwischen der Einkommens- und Schuldenhöhe ab. Jedoch zeigt sich bei Livingstone und Lunt, dass sich gerade kinderreiche Familien mit begrenztem Budget nicht verschulden. Der Grund dafür wird darin vermutet, dass diese Familien durch ihre problematische finanzielle Situation gelernt haben, sich strikt an ihr Budget zu halten. In meinen persönlichen Interviews zeigt sich zur Verschuldungsneigung von Working Poors aber nochmal ein anderes Bild wie weiter unten dargestellt.

Begrenzte Verschuldungsmöglichkeiten für Working Poors

Die Verschuldungsmöglichkeiten von Working Poors sind begrenzt. Durch die häufige Ablehnung von Kreditkartenanträgen werden unüberlegte Onlinekäufe erschwert oder gar nicht möglich. Auch wird Personen, welche keine finanziellen Sicherheiten vorweisen können, kaum ein Kredit oder ein Darlehen bewilligt. Vergleichbar gelagert hatte Griechenland in den vergangenen Jahren Mühe, Investoren zu finden, weil das Risiko, in griechische Staatsanleihen zu investieren, trotz der lukrativen hohen Zinsen zu hoch war. Ähnlich verhalten sich Kreditkartenfirmen und Kreditanstalten. Ausserdem werden Schulden meistens eher für Luxusgüter bzw. für nicht-lebensnotwendige Güter aufgenommen und nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts.

Verschulden sich nun Working Poors häufiger oder stärker als andere Bevölkerungsgruppen

In meiner Abschlussarbeit konnte die Hypothese nicht bestätigt werden, nach welcher sich junge Working Poors häufiger oder höher verschulden als andere Bevölkerungsgruppen. Interessanterweise zeigte sich aber, dass neun von vierzehn Working Poors Frauen sind. Ganz allgemein zeigte sich jedoch, dass sich junge Menschen häufiger verschulden, denn fast die Hälfte der Teilnehmenden wiesen Schulden aus. Die Verschuldung eines Menschen hängt nicht selten mit seiner Sozialisierung zusammen, welche hauptsächlich durch eine frühzeitige Schuldenprävention verhindert werden kann.

Bislang blieb Working Poors der Weg versperrt, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, sich nicht-lebensnotwendige Güter zu beschaffen oder sich teure Weiterbildungen zu leisten, welche ihre problematische Situation verbessern würden. Gibt es aber gerade in unserem Zeitalter vielleicht doch noch Möglichkeiten für erwerbsarme Menschen, welche unterhalb der Armutsgrenze leben, den Zugang zu diesen Lebensbereichen zu eröffnen, ohne dass sie sich dafür verschulden müssen?

Das Zeitalter des Zugangs für alle Bevölkerungsgruppen

Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin prophezeite in seinem Buch The Age of Access vor einigen Jahren «Die Ära des Besitztums geht zu Ende und das Zeitalter des Zugangs wird beginnen.» Das Konsumverhalten in der Bevölkerung ist dabei, sich in Richtung Sharing weiterzuentwickeln. Ein aktuelles Beispiel ist das bestens funktionierende Modell des Carsharing, bei dem die Kostenbelastungen nach dem Verursacherprinzip die Ausgaben für den Autokauf oder das teure Leasing ablösen. Solche Angebote/Lösungen könnten gerade Menschen, bei welchen die finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt sind, einen bis dato verwehrten Zugang zu Gütern bieten – ohne sich zu verschulden.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Lea, S. E., Webley, P., & Levine, R. (1993). The economic psychology of consumer debt. Journal of Economic Psychology, 14, 85-119.

Livingstone, S. M., & Lunt, P. K. (1992). Predicting personal debt and dept repayment: Psycological, social and economic determinants. Journal of Economic Psychology, 13, 111-134.

Rifkin, J. (2001). The Age of Access. Random House N.Y.

Tuttobene, N. (2016). Working Poors am Beispiel junger Coiffeusen/Coiffeuren, Detaillistinnen/Detailisten und anderer Berufe in der Schuldenfalle! Unveröffentlichte Bachelor Thesis, Kalaidos Zürich.

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