Globetrotter: Mehr Mensch statt Travel 4.0
Dr. Stefan Ryf
In der Reisebranche weht ein kalter Wind. Das Thema Digitalisierung brennt der Branche unter den Nägeln. Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass der ITB Berlin Kongress, der weltweit grösste Fachkongress, sich dieses Jahr dem Schwerpunktthema „Travel 4.0 – Die Digitalisierung der Travel Industry“ widmete. Im Rahmen der Herbstgespräche 2016 an der Kalaidos Fachhochschule schilderte André Lüthi, CEO der Globetrotter Group und «Entrepreneur Of The Year» 2012 in der Kategorie Dienstleistung / Handel, wie er die Entwicklung im Reisemarkt sieht und wie Globetrotter mit diesem Trend umgeht.
Die klassischen Tour Operators, die Pauschalreisen zusammenstellen und diese in einem Katalog oder im Internet ausschreiben, werden laut Lüthi bis in fünf Jahren mehr oder weniger verschwinden, da die Bündelung der verschiedenen Komponenten wie Flug, Unterkunft und Ausflüge automatisiert über Webdienste geschehen kann.
Während sich ein Grossteil der Reiseanbieter auf die Digitalisierung entlang des Costumer Journey stürzt und ihre Websites für viel Geld auf direkten Verkauf optimieren, positioniert sich Globetrotter unter dem Motto „Mehr Mensch“ mit Dienstleistungen im Markt, die man nicht einfach über das Internet anbieten kann. Das Unternehmen setzt dabei auf den anderen grossen Trend im Reisemarkt, die Individualisierung, und bietet Reisen nach Mass abseits der ausgetretenen Touristenpfade an.
Im Gegensatz zu anderen Anbietern ist der Verkauf übers Internet bei Globetrotter deshalb auch eher unbedeutend. Rund 80% des Umsatzes werden über die Beratungsgespräche reingeholt. Natürlich investiert auch Globetrotter in die Website-Gestaltung, doch konzentriert man sich dabei nicht auf den Online-Verkauf, sondern zum Beispiel auf einfache Wege, um einen Beratungstermin mit dem passenden Spezialisten zu vereinbaren, oder auf Reisetipps und Länderinfos. Der Trend zur Digitalisierung zeigt sich bei Globetrotter eher in der Form, dass alle Mitarbeitenden ein iPad erhalten, mit dem sie ihre Reisen dokumentieren und ihre Erfahrungen an die Kunden weitergeben (Werfen Sie einen Blick auf die Reiseberichte der Globetrotter Mitarbeitenden). Da die Mitarbeitenden 12 Wochen Ferien im Jahr haben (allerdings sieben davon unbezahlt), kommen so viele spannende Geschichten zusammen. Kunden werden zu Reisen ausserhalb der „gewöhnlichen“ Feriendestinationen inspiriert, ganz nach dem Globetrotter-Leitspruch „Reisen statt Ferien“. Die Bindung zwischen Reiseberater und Kunde ist dabei enger als gewöhnlich, weil der Beratungsaufwand bei individualisierten Reisen – häufig in touristisch wenig erschlossenen Gebieten – grösser ist und die Erfahrung und Tipps des Beraters wesentlich zu einer gelungenen Reise beitragen. Dieser menschliche Faktor zeigt sich auch darin, dass viele Kunden bei weiteren Reisen wieder ‚ihren‘ Reiseberater haben wollen (obwohl er vielleicht nicht der Experte für das entsprechende Reisegebiet ist) und teilweise auch Handynummern für Notfälle während der Reise ausgetauscht werden.
André Lüthi ist überzeugt, dass sich die verschiedenen Reiseunternehmen der Globetrotter Group mit dieser Positionierung im Gegensatz zu vielen grossen traditionellen Reiseveranstaltern auch in Zukunft erfolgreich im Markt halten werden.