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Fahrlässig nicht deklarierte Beteiligungserträge führen nicht mehr zwangsläufig zu einer Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer. (Symbolbild)

Im ersten Teilunserer Serie zu Art. 23 VStG wurde die alte und die neue Regelung dargestellt. Im zweiten Teil wird die Gesetzesänderung anhand von zwei Beispielen aus der Praxis veranschaulicht.

Fallbeispiel "Irrtümlich nicht deklarierte Dividende

Die Muster AG hat für das Geschäftsjahr 2013 eine Dividende von CHF 800'000 mit Fälligkeit per 1. Oktober 2014 / CHF 400'000 und Fälligkeit per 1. März 2015 / CHF 400'000 beschlossen. Die Muster AG hat zudem auch für das Geschäftsjahr 2014 eine Dividende von CHF 400'000 mit Fälligkeit per 1. Oktober 2015 beschlossen.

Die Muster AG hat auf sämtlichen Dividenden die Verrechnungssteuer deklariert, überwälzt und abgeliefert. Der Alleinaktionär, eine natürliche Person mit unbeschränkter Steuerpflicht in der Schweiz, welcher die Aktien an der Muster AG im Privatvermögen hält und sowohl die Aktien als auch die regelmässigen Dividenden seit Jahren immer deklariert hat, vergisst die Deklaration der CHF 400'000 / 1. März 2015 in seiner Steuererklärung 2015 und es erfolgt eine entsprechende Aufrechnung. Mangels ordnungsgemässer Deklaration nach Art. 23 VStG wird jedoch die Rückerstattung von CHF 140'000 im Jahr 2017 von der kantonalen Steuerverwaltung abgelehnt. Sowohl Einsprache als auch Beschwerde an die kantonalen Steuerrekurskommission werden 2018 abgewiesen. Im Dezember 2018 wird Beschwerde ans Bundesgericht eingereicht.

In diesem Fallbeispiel sind die Rückerstattungsvoraussetzungen "Wohnsitz in der Schweiz", "Recht zur Nutzung", "Fristgerechter Antrag" und "Ausschluss einer Steuerumgehung" erfüllt. Die Verweigerung der Rückerstattung erfolgte einzig gestützt auf Art. 23 VStG, weil keine ordnungsgemässe Deklaration erfolgt ist. Der Alleinaktionär von der Muster AG profitiert vorliegend von der Gesetzesnovelle:

  • Bei der verrechnungssteuerpflichtigen Dividende handelt es sich um eine Fälligkeit des Kalenderjahres 2015.
  • Das Rückerstattungsverfahren, hängig beim Bundesgericht, ist offen bzw. es liegt noch kein rechtskräftiger Entscheid vor. Aus diesem Grund findet die Rückwirkung des neuen Art. 23 VStG gestützt auf Art. 70d VStG auf diesen Sachverhalt Anwendung.
  • In Bezug auf die Motivation ist das Bundesgericht von einer fahrlässigen Nicht-Deklaration ausgegangen und hat deshalb die Anwendung des neuen Art. 23 VStG bejaht und entsprechend festgehalten, dass die Verrechnungssteuer zurückzuerstatten ist, weil eine ordnungsgemässe Deklaration vorliegt. Dies ist korrekt. Zentrale Punkte hierfür sind sicher, dass die Dividenden und Aktien der Muster AG immer deklariert worden sind und dass die Verrechnungssteuer in Bezug auf die zu spät deklarierte Dividende von der Muster AG deklariert und bezahlt worden ist. Zudem spricht die Tatsache, dass der Alleinaktionär der Muster AG eine definitive 35-prozentige Steuerbelastung in Form der Verrechnungssteuer gegen eine unter Berücksichtigung des Teilbesteuerungsverfahrens definitive rund 20-prozentige Steuerbelastung eingetauscht hätte, gegen eine vorsätzlich versuchte Steuerhinterziehung: Es liegt vielmehr eine «umgekehrte» Steuerhinterziehung vor, der Alleinaktionär würde mehr Steuern abliefern, als er eigentlich müsste.

Bei irrtümlich nicht deklarierten Dividenden scheint somit der neue Art. 23 VStG zu funktionieren und tatsächlich zu einer Erleichterung der bisherigen Situation und zu einer richtigen Praxis zu führen.

Fallbeispiel "Verdeckte Gewinnausschüttung"

Die Muster AG hat 2018 eine Buchprüfung der ESTV. Folgende geldwerte Leistungen resultieren gemäss Schlussrechnung der ESTV vom Dezember 2018:

• "Wertschriften": Privatentnahme von Bargeld, verbucht als Wertschriften, durch den Alleinaktionär im Jahr 2013 im Betrag von CHF 70'000.00, ausmachend eine Verrechnungssteuer von CHF 24'500 im Falle einer nachträglichen Überwälzung.

• "Goldbarren": Privatentnahme von Goldbarren durch den Alleinaktionärs im Jahr 2014 im Betrag von CHF 300'000, ausmachend eine Verrechnungssteuer von CHF 105'000 im Fall einer nachträglichen Überwälzung.

• "Eigene Aktien": Kauf von sieben eigenen Aktien von der Muster AG durch den Alleinaktionär zum Steuerwert von CHF 120'000 pro Aktie bei einem Substanzwert von CHF 350'000 pro Aktie, weshalb in der Differenz «Substanzwert als Verkehrswert – tieferer Vermögenssteuerwert»“ eine geldwerte Leistung von total CHF 1'610'000 vorliegt, ausmachend eine Verrechnungssteuer von CHF 563'500 im Fall einer nachträglichen Überwälzung.

In Bezug auf den neuen Art. 23 VStG würdigen wir diesen Fall wie folgt:

• "Wertschriften": Abgesehen davon, dass offensichtlich ein Verstoss gegen Art. 23 VStG vorliegt und von einer vorsätzlich versuchten Steuerhinterziehung ausgegangen werden muss, findet auch die Rückwirkung von Art. 70d VStG auf diese Fälligkeit im Jahr 2013 keine Anwendung.

• "Goldbarren": Zwar liegt diese Fälligkeit 2014 – nach Eröffnung des Nachsteuerverfahrens – im zeitlichen Anwendungsbereich gemäss Art. 70d VStG. Es muss jedoch von einer offensichtlichen versuchten vorsätzlichen Steuerhinterziehung ausgegangen werden, weshalb Art. 23 VStG auch in seiner neuen Form keine Anwendung finden kann.

• "Eigene Aktien": Zeitlich findet Art. 23 VStG in seiner neuen Form Anwendung, und da es zu einem Nachsteuerverfahren kommt, liegt ein offenes Verfahren im Sinne dieser Bestimmung vor. Zentral ist somit, wie die Motivation qualifiziert wird. Wir sind der Ansicht, dass dem Alleinaktionär vorliegend kein Vorwurf von Vorsatz gemacht werden darf einzig aufgrund der Tatsache, der er diese Aktien zum Vermögenssteuerwert und nicht zum höheren Verkehrswert gekauft hat. Aus diesem Grund muss die Rückerstattung gestützt auf den neuen Art. 23 Abs. 2 VStG gewährt werden.

Offene Frage in Bezug auf die "Eigenen Aktien" ist, ob das Meldeverfahren nach Art. 24 Abs. 1 Bst. a VStV Anwendung findet. Der Gesellschaft oder Genossenschaft kann auf Gesuch hin gestattet werden, ihre Steuerpflicht durch Meldung der steuerbaren Leistung zu erfüllen, wenn die anlässlich einer amtlichen Kontrolle oder Buchprüfung geltend gemachte Steuer eine Leistung betrifft, die in einem Vorjahr fällig geworden ist. Vorliegend sind die objektiven Voraussetzungen "Buchprüfung" und "Vorjahr" erfüllt. Auch die subjektive Voraussetzung von Art. 24 Abs. 2 VStV, dass die Rückerstattungsberechtigung vorliegen muss, wäre erfüllt. Somit müsste ein Gesuch um Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht durch Meldung an Stelle der Steuerentrichtung grundsätzlich bewilligt werden.

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