Rückerstattung der VST – alles gut?
Christoph Niederer
Die Rückerstattung der Verrechnungssteuer ("VST") an Inländer setzt die korrekte Deklaration der betreffenden steuerbaren Einkünfte voraus. Andernfalls ist der Rückerstattungsanspruch verwirkt. Bis im Jahr 2014 wurde die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auch dann gewährt, wenn:
- die Deklaration der Einkünfte erst nachträglich, aufgrund einer Rückfrage durch die Steuerbehörden, erfolgte oder
- wenn die Steuerbehörde nicht deklarierte Einkünfte von sich aus aufrechnete, sofern keine Hinterziehungsabsicht vorlag.
Geltende Praxis
Mit dem Kreisschreiben Nr. 40 vom 11. März 2014 nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung zwei Bundesgerichtsentscheide zum Anlass, ihre Praxis massiv zu verschärfen. Gemäss dieser seither geltenden Praxis wird die Verrechnungssteuer nur noch dann zurückerstattet, wenn die Deklaration der entsprechenden Einkünfte in der nächsten, dem Einkommenszufluss folgenden Steuererklärung vorgenommen wird oder – für den Fall, dass dies verpasst wird – die Nachdeklaration vor Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung des entsprechenden Jahres und nicht auf Intervention der Steuerverwaltung hin vorgenommen wird.
Diese restriktive und in weiten Kreisen kritisierte Haltung der Steuerbehörden führte mithin öfters dazu, dass Steuerpflichtige und Treuhänder, die zwar die Vermögenswerte (z.B. Aktien) deklarierten, aus welchen Dividendeneinnahmen resultierten, jedoch versehentlich vergassen, in der Steuererklärung auch die entsprechenden Dividendenerträge aufzuführen, selbst dann von der Rückerstattung der Verrechnungssteuer ausgeschlossen waren, wenn es sich um offensichtliche Versehen handelte, die nach entsprechenden Nachfragen seitens der Steuerbehörden umgehend korrigiert werden konnten. Nicht bekannt ist, in wie vielen Fällen somit Treuhänder, Steuerberater und deren Haftpflichtversicherungen für die verwirkten Verrechnungssteuerrückerstattungen aufzukommen hatten.
Präzisierung des Verrechnungssteuergesetzes zu begrüssen
Nach einer parlamentarischen Motion (Motion Schneeberger) und einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Luzi Stamm legte der Bundesrat nun am 28. Juni 2017 den Entwurf eines Präzisierung des Verrechnungssteuergesetzes vor, welches im Ergebnis zur Rückkehr zur Praxis vor Erlass des umstrittenen Kreisschreibens Nr. 40 führt.
Das ist zu begrüssen.
Schade und nicht nachvollziehbar ist jedoch, weshalb die neue Bestimmung gemäss der im Gesetzesentwurf enthaltenen Übergangsregelung nur für Einkünfte gelten soll, die im Kalenderjahr vor Inkrafttreten der Neuregelung (voraussichtlich 1. Januar 2019) fällig geworden sind.
Ausblick
Tritt die Neuerung mit anderen Worten am 1. Januar 2019 in Kraft, sind noch immer all jene Fälle versehentlicher Nichtdeklarationen von der Rückerstattung der Verrechnungssteuer ausgeschlossen, bei denen es sich um Einkünfte mit Fälligkeit vor 1. Januar 2018 handelte. Ein Steuerpflichtiger, der beispielsweise in der Steuererklärung 2015 vergass, verrechnungssteuerbelastete Einkünfte zu deklarieren und diese erst auf Nachfrage der Steuerverwaltung hin meldet, ist trotz der Neuregelung von der Rückerstattung selbst dann ausgeschlossen, wenn er ohne Hinterziehungsabsicht gehandelt hat. Dieses Ergebnis ist stossend, zumal der Bundesrat in seinem Bericht zum Vernehmlassungsverfahren vom 28. Juni 2017 ja selber festhält, es solle der Zustand, der vor 2014 galt, wiederhergestellt werden.
Unter diesen Umständen ist nicht einzusehen, weshalb die Übergangsfrist nicht grosszügiger ausgestaltet ist und die Neuregelung auf alle noch nicht rechtskräftigen Entscheide über die Rückerstattung der Verrechnungssteuer angewandt wird. Die Vernehmlassungsfrist dauert noch bis zum 19. Oktober 2017.