Das Kundenerlebnis kann heute IT-technisch alle Kundeninformationen in Echtzeit über alle Kanäle hinweg vernetzen. So wird eine ganz neue Form der Kundenberatung möglich. In meinem heutigen Beitrag gehe ich auf die IT-technischen, prozessoralen und kulturellen Voraussetzungen ein. Anlässlich meiner Moderation des ACTICO RegTech-Days 2018 konnte ich in diesem Zusammenhang das  Modell von ING DiBA genau kennen lernen.

Kanalübergreifende Echtzeit-Kommunikation mit Kunden

Alle Informationen von Kunden in Echtzeit verzahnen – ein Ding der Unmöglichkeit (Symbolbild)?

Stream Processing als Kernelement

Bei Echtzeit-Datenverarbeitung entsteht also ggf. ein IT-technisches Nadelöhr. Es gilt, ein Big-Data-System aufzubauen, das diese Performance leisten kann – man spricht von „Stream  Processing“ oder „Realtime Partition-based Routing“ wie z.B. KAFKA. Dabei wird bei Kontaktaufnahme durch den Kunden im Hintergrund ein exklusiver Serververbund „zugeteilt“. Dort liegen alle Daten des Kunden im Memory – und sofern zusätzliche Kunden dazu kommen, können zusätzliche Server hinzugeschaltet werden. Die Kunden-Datensätze und konkreten Events werden auf bestimmte Maschinen weitergeleitet und am Schluss wieder zusammen gezogen. Die Events werden mit Hilfe von vordefinierten Regeln zusammen gebracht.

Wenn man die Produktmanagement-Systeme so anlegt, dass Inhalte in Echtzeit sichtbar sind, können Regelwerke diese via Entscheidungstabellen nutzen. So können alle Fachthemen und Kunden-Berührungspunkte effektiv verzahnt werden. Die Inhalte müssen dazu im Kontaktmoment auf dem Eingangskanal vorliegen. Aus der Customer Journey heraus wird sichtbar, wann der Kunde wo interagiert – und der Inhalt wird auf diese Berührungspunkte hin bereitgestellt. Die ING DiBA hat seit drei Jahren eine solche Big-Data-Plattform im Einsatz. Bis heute können damit 4‘000 Events pro Sekunde abgewickelt werden.

Ein Beispiel ist die dreimalige Falscheingabe des PIN des Kunden an einem Geldautomaten. Das System versteht dies in Echtzeit. Sobald der Kunde anruft, lädt es ihn ein, aufgrund der Kartensperre die „1“ zu wählen. Die Entsperrung wird telefonisch ausgelöst. Falls der Kunde die Karte an einer Kasse einsetzen möchte, kann er über Ausweisung die Entsperrung auslösen. Es wird kein Brief mehr nach Hause gesandt.

Rollenbasiertes Arbeiten anstatt Hierarchie 

Wichtig dabei ist das gemeinsame Rollenverständnis und nicht die hierarchische Einordnung. Drei Kernrollen stimmen sich ab: Der Produktverantwortliche ist fachlich verantwortlich für die Funktionalität, der Regelmodellierer modelliert diese in den regelbasierten Systemen. Zusätzlich sorgt der technische Abwicklungsentwickler für die technische Ablauforganisation.

Alle Rollen haben permanent eine gesamtheitliche Sicht auf die Gesamtplattform und es gibt ein exaktes Überwachungssystem über die Wege, die die Events auf den Plattformen nehmen. Der Fachbereich kann jederzeit neue Regeln in die Produktion einbringen – diese Agilität ist entscheidend. Bei der Anpassung der Regelwerke braucht es keine neuen IT-Projekte, sondern die drei Rollen stimmen sich ab. Zusätzlich werden Gesamtübersichten wie aggregierte Geschäftsleitungsinformationen permanent möglich.

Herausforderungen und Ausblick

Bei der ING Diba gelingt dieser Ansatz mit einem Kernteam von 12 bis 15 Mitarbeitenden und gesamthaft mehreren hundert Mitwirkenden. Fordernd dabei ist neben der eigenverantwortlichen Lösungsentwicklung oft, dass Teile der Systeme – wie z.B. Kernbankensysteme – noch nicht hierfür tauglich sind. Es müssen Lösungen um diese Systeme herum gebaut werden. Die Entscheidungs- und Steuerungsregeln sind dabei nach wie vor durch Menschen entwickelt. Der nächste Schritt am Horizont ist der sukzessive Einsatz der künstlichen Intelligenz.

Lesen Sie auch Teil 1 der Blogserie:
Kanalübergreifende Echtzeit-Kommunikation mit Kunden (Teil 1/2)

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