Grafik der Beziehungen in digitalen Zahlungssysteme Grafik der Beziehungen in digitalen Zahlungssysteme
Bild: Die Komplexität der Zahlungssysteme kann grafisch gut darstellt werden (Quelle: blog.paymentsystems.ch)

Für den Endbenutzer ist die Komplexität der rechtlichen Fragestellungen rund um digitale Zahlungssysteme kaum ersichtlich. Für Dr. Cornelia Stengel, Rechtsanwältin bei Kellerhals Carrard in Zürich, hingegen schon. Bild von Dr. Cornelia Stengel, RechtsanwaeltinSie hat sich auf die rechtlichen Aspekte rund um die Digitalisierung im Finanzwesen spezialisiert. Der Kalaidos Blog hat Dr. Stengel für ein Interview gewinnen können.

Die Digitalisierung im Finanzwesen wirft sicher neue rechtliche Fragestellungen auf. Wo sehen Sie wichtige Themenfelder?

Die Digitalisierung im Finanzbereich betrifft aus rechtlicher Perspektive ganz unterschiedliche Themenfelder. Zu nennen sind hier vorab die Finanzmarktgesetze, welche derzeit mit verschiedenen Stossrichtungen überarbeitet werden. So beispielsweise Bankgesetz, Bankverordnung, aber sicher auch die Geldwäschereigesetzgebung.

Für die Digitalisierung vieler Prozesse im Finanzbereich fehlt eine „digital Identity“ für natürliche Personen. Damit fehlt ein verlässliches Instrument, welches eine elektronische Authentifizierung und damit diverse neue oder neu auf elektronischem Weg verfügbare Services ermöglichen würde. Auch das Schriftlichkeitserfordernis für bestimmte Verträge ist für digitalisierte Abläufe ein Hindernis und führt zu Medienbrüchen.

Digitalisierung hat selbstverständlich auch viel mit Daten und Datenbearbeitung zu tun. Die Verfügbarkeit und Analyse grosser Datenmengen im Rahmen von Big Data erfordert sowohl aus Konsumenten- als auch aus Anbietersicht klare Regeln. Ein weiteres Themenfeld sind die neuen Technologien, welche neue Anforderungen an die Finanzdienstleister, aber auch die gesetzlichen und regulatorischen Grundlagen stellen. In diesem Zusammenhang sind sicher das Internet-of-Things und Blockchain-Technologien zu nennen.

Sie haben zusammen mit Thomas Weber ein Fachbuch über „Digitale und mobile Zahlungssysteme“ verfasst und führen dazu eine eigene Blogseite. Warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Zahlungssysteme sind ein wichtiger Treiber der Digitalisierung im Finanzbereich. Viele Innovationen entstehen genau in diesem Bereich, wo bereits etablierte Marktteilnehmer von neuen, meist IT-spezialisierten Drittanbietern wie Fintech-Unternehmen herausgefordert werden. Dabei fällt es selbst Branchen-Insidern bisweilen schwer, den Überblick über die verschiedenen Systeme und die involvierten Parteien zu behalten, die vertraglichen Beziehungen zu durchschauen und die Anwendbarkeit regulatorischer Bestimmungen zu beurteilen.

Was macht digitale oder mobile Zahlungssysteme für Banken und Produktanbieter aus rechtlicher Sicht besonders anspruchsvoll?

Bisher fehlte eine abstrakte Darstellung der verschiedenen Modelle von Kreditkarten, Wallets, e-Geld und ähnlichen. Die Abläufe in diesen Systemen sowie die Technologien bargeldloser Zahlungsvorgänge waren nirgends in einem Überblick und in Zusammenhang mit den rechtlichen Implikationen dargestellt. Dies hat die rechtliche Beurteilung neuer Businessmodelle und neuer Technologien sehr erschwert. Ausserdem ist es natürlich auch so, dass die bestehende Banken- und Geldwäschereigesetzgebung, das Kartellrecht oder die Konsumkredit- und Datenschutzgesetzgebung nicht immer auf die neuen Modelle „passen“ und entsprechend nicht leicht auf diese anwendbar sind.

Wie bewerten Sie die aktuelle Regulierung rund um Digitalisierung und Fintech für die Bank / Finanzbranche?

Die aktuell in der Schweiz bestehenden Regulierungen von digitalen Zahlungssystemen sind unstrukturiert und punktuell, da sie häufig auf individuellen und konkreten Entscheidungen zu bestimmten Marken, Produkten oder Akteuren basieren. Es fehlen die Grundlagen für eine einheitliche, abstrakte Regulation der digitalen Zahlungssysteme sowie der involvierten Akteure. Dies führt zu Rechtsunsicherheit und verhindert teilweise auch ein Level-Playing-Field für alle Marktteilnehmer. Bezüglich Regulationsdichte kann im Vergleich zum europäischen Ausland hingegen kaum ein Nachteil für Zahlungsdienstleister in der Schweiz festgestellt werden. So besteht hier anders als in Europa weder eine generelle Lizenzpflicht für Zahlungsdienstleister noch bestehen umfassende Vorgaben hinsichtlich Eigenmittel, Sicherheitsanforderungen, Transparenz oder Konsumentenschutz.

Wie beurteilen Sie die Fintech-Vorlage des Bundesrats, welche aktuell in der Vernehmlassung ist?


Die Vorlage basiert auf drei Säulen, wobei vor allem die dritte Säule, eine neue Bewilligungskategorie zu vielen Diskussionen Anlass gibt. Für diese neue Lizenz für Nichtbanken muss zuerst definiert werden, was eine Bank eigentlich ausmacht. Es ist zu entscheiden, welche Tätigkeiten in welchem Umfang weiterhin nur von (streng regulierten) Banken ausgeübt werden dürfen und welche Dienstleistungen auch unter weniger strengen regulatorischen Bedingungen erbracht werden dürfen. Diese sehr wichtige und grundlegende Diskussion ist aufgrund des ungewöhnlichen Vorgehens des Bundesrats in zeitlicher Hinsicht sehr erschwert worden. So wurde ein Teil der nun in Vernehmlassung gegebenen Vorschläge bereits in die Fidleg/Finig-Vorlage eingegeben, welche vom Ständerat in der Wintersession 2016 behandelt wurde. Um die Fidleg/Finig-Vorlage nicht zu gefährden, haben viele Interessengruppen während der Behandlung derselben auf Anträge zum Fintech-Teil verzichtet, was wohl auch im Nationalrat so bleiben dürfte. Damit aber bestünde bezüglich des Fintech-Teils keine Differenz zwischen den Räten und eine Diskussion dazu könnte nur unter erschwerten Bedingungen überhaupt geführt werden.

Auch inhaltlich beurteile ich diese dritte Säule der Vorlage eher kritisch: Dieselbe Dienstleistung wird unterschiedlicher Regulierung unterworfen, je nachdem welche Volumen damit erzielt werden. Dies liesse sich wohl nur dann rechtfertigen, wenn dadurch innovative Business-Modelle in einer Anfangsphase durch tiefere Regulierungsanforderungen und damit –kosten gefördert werden sollen, welche an sich auch im Bereich mit Volumen von über 100 Mio. Franken, also im streng regulierten Bereich der Banklizenz, funktionieren würden. Eine zeitliche Befristung der Fintech-Lizenz, im Sinne eines Up-or-Out-Systems, würde verhindern, dass neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, deren Effizienzgewinne lediglich in der Vermeidung von Regulierung bestünden.

Trotzdem ist das Engagement des Bundesrats für die Fintech-Branche erfreulich und ich bin überzeugt, dass damit ein positives Signal gesendet werden kann.

Frau Dr. Stengel, wir danken Ihnen ganz herzlich für dieses Interview!

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