Big Data ist von Banken schon längst entdeckt. Vielerorts wird an den Potenzialen der neuen Technologie gearbeitet. Aus meiner Sicht kann Big Data in den kommenden Jahren massive Auswirkungen auf die Produktepalette und Filialstruktur von Banken haben. Bereits heute wird in der Schweiz Big Data in Bereichen Risikoabschätzung und Betrugsvorbeugung genutzt. Vorreiter sind hier UBS und CS. Im Marketing/F&E dominieren die Generierung von Cross-Selling-Vorschlägen und die Entwicklung einer optimierten Kundensegmentierung.

Aus meiner Sicht ist schon heute einiges vom grossen Potenzial klar, welches sich Banken auf Basis der Big-Data-Technologien werden erschliessen können. Big Data bietet ganz neue Analysemöglichkeiten mit dem Potenzial, künftig Kunden besser erreichen und bedienen zu können. Einige möchte ich im Folgenden nennen:

• Social Media Credit Scoring: Firmenkundenkredite sind u.a. davon abhängig, wie Kunden diese Unternehmen bewerten (insbesondere Gaststätten oder Hotels). Arbeitgeberbewertungsportale liefern Einschätzungen zum Betriebsklima von Unternehmen.

• In den USA ist mittlerweile ein Device Credit Scoring üblich. Kunden erhalten ein Rating auf Basis der vom Kunden genutzten Devices und der Kommunikationsform incl. Inhalt/Text der versandt wird.

Im besten Fall können Banken künftig dank Big Data von folgenden Prämissen ausgehen, wenn sie ihr Produkt- und Vertriebsnetz gestalten:

• Big Data-Nutzung ermöglicht den 360-Grad-Blick auf den Kunden

• Die Bedürfnisse des Kunden im Life-Cycle sind auf Basis Big-Data-Analyse besser nachvollziehbar

• Die Möglichkeit der Mass-Customization (individualisierte Massenproduktion) erlaubt die Komposition individueller Produkte aus standardisierten Einzelelementen

• Das Angebot des Private Banking rückt für das Retail Banking näher, wie das IBM mit dem Watson-Computer schon gezeigt hat

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die technologieunterstützte und individualisierte Beratung die klassische Kundenberater-Kunde-Beziehung ersetzt.

Konsequenz für Filialen:

• Tiefgreifenden Änderungen des Vertriebs, die in Ansätzen bereits heute als Folge des Omnichannelling beobachtbar ist

• Filiale verliert die Bedeutung als Treiber der Interaktion mit dem Kunden und ist nicht länger das alles entscheidende Glied in der Vertriebskette, bleibt aber möglicherweise der noch am einfachsten erlebbare Markenbotschafter (zumindest für internetferne Kunden)

• Eine zentral gesteuertes Verfahren zur individualisierten Betreuung koordiniert alle Informationen aus dem Kundenkontakt und initiiert den Kontakt mit dem Kunden über die von ihm präferierten Kanäle

Bedeutung für Vertriebsstrategie der Banken:

• Banken können ihr Einzugsgebiet vergrössern ohne das Filialnetz auszuweiten

• Neue Marktteilnehmer könnten ohne Filialnetz in den Bankenmarkt eintreten

Kritisch zu Hinterfragen ist, wie Banken die Gradwanderung zwischen Diskretion (Wahrung der Vertraulichkeit der finanziellen Daten) und Optimierung des Kundenerlebnisses – möglicherweise auch durch Nutzung im Netz befindlicher Daten – gelingen wird. Ein möglicher USP der Banken könnte in der Sicherung der digitalen Daten der Kunden liegen. Hier vertrauen Kunden eher den Banken als z.B. staatlichen Institutionen.

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